![Lera Auerbach](https://data.docslib.org/img/3a60ab92a6e30910dab9bd827208bcff-1.webp)
Auerbach, Lera Lera Auerbach hat bereits ein umfangreiches Oeuvre an Kompositionen aller Gattungen vorgelegt, das sich so- wohl durch die Rückbesinnung auf (insbesondere russi- sche) musikalische Traditionen wie durch Aufgeschlos- senheit für Neues auszeichnet. Ihre vielseitige Begabung stellte sie auch als Pianistin und Schriftstellerin unter Be- weis. Seit 1991 lebt sie in New York. Orte und Länder Ihre Kindheit und Jugend verbrachte Lera Auerbach in Tscheljabinsk in Sibirien. An der dortigen „Tchaikovsky Special Music School for Gifted Children" und am „Tchai- kovsky Music College“ erhielt sie Unterricht in Klavier und Komposition. Seit 1991 lebt und arbeitet sie in New York; sie schloss ihre Klavier- und Kompositionsstudien an der Juilliard School ab und ergänzte sie mit dem Kon- zertexamen an der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Aufführungen ihrer Werke fanden in New York, Los Angeles, Hamburg, Kopenhagen, Lockenhaus, Bremen u.a. statt. Biografie Geboren am 21. Oktober 1973 in Tscheljabinsk im Ural, wurde Lera Auerbach früh durch ihre Mutter Larissa Goldman, eine Pianistin, und ihren Vater Lew Awerbach künstlerisch gefördert. In Tscheljabinsk erhielt sie an der Lera Auerbach, Foto von Friedrun Reinhold „Tchaikovsky Special Music School for Gifted Children“ Unterricht in Klavier, Flöte und Violine und dann am Lera Auerbach „Tchaikovsky Music College“ Unterricht in Klavier bei Bo- ris Michailovich Belitsky und in Komposition bei Uli Gal- * 21. Oktober 1973 in Tscheljabinsk (Sibirien), Russland perine und Anatoly Kirvoshei. Bereits als 8-Jährige trat sie erstmals als Pianistin auf. Im Alter von zwölf Jahren Komponistin, Pianistin, Schriftstellerin komponierte sie ihre erste Oper „Schneeflöckchen – Ein Wintermärchen“, die in verschiedenen Städten der ehe- „Man kann nicht komponieren ohne Kenntnis der Tradi- maligen Sowjetunion aufgeführt wurde. tion oder ohne Wissen darüber, was bis dahin geschah. [...] Indem ich das Handwerk aus der Vergangenheit lern- Als Preisträgerin verschiedener Wettbewerbe wurde sie te, gewann ich ein Gefühl der Freiheit, des Abenteuers 1991 zu einer Konzertreise in die USA eingeladen. Sie ent- und des Reflektierens unserer Zeit. Ich kann etwas sehr schied sich spontan, dort im Exil zu bleiben, und gehört Modernes und sehr Neues ausdrücken, wenn ich weiss, damit zu den letzten Künstlern, die die Sowjetunion kurz was in der Vergangenheit funktionierte.“ vor dem Zusammenbruch des Systems verließen. „Ich war sehr, sehr jung und das erste Mal von meinen Eltern (Lera Auerbach im Interview mit Nina Toepfer. „’O ja, getrennt. Aber ich sah die Möglichkeiten, die der Westen ich erfand immer dramatische Geschichten!’“. In: mir bot“, teilte sie der „Frankfurter Allgemeinen Zei- „du766 – Design“, Heft Nr. 4, Mai 2006, S. 16 f.) tung“ im November 2006 mit. „Also bin ich gegangen, ohne Englischkenntnisse, ohne Geld, ohne meine Fami- Profil lie, ohne alles.“ („FAZ“, 14. November 2006) Lera Auerbach ließ sich damals, 1991, in New York nie- der, in der Stadt, deren kosmopolitisches und lebendiges – 1 – Auerbach, Lera Flair sie von Anfang an gefangen genommen und durch nistin und Komponistin sehr erfolgreich ist, sondern die sie sich künstlerisch inspiriert gefühlt hatte. Im Rück- auch als Schriftstellerin immer wieder auf sich aufmerk- blick kommentiert sie ihre Entscheidung für diese Stadt sam machte. Sie hat bislang drei Bände ausgewählter Ly- und das damit verbundene politische Exil mit den Wor- rik und Prosa in russischer Sprache veröffentlicht und ten: wurde 1996, nach der Publikation von „Sorokolunie“ („Vierzig Monde“, Moskau, Kniga, 1995), von der Interna- „Es war bloss ein Gefühl. Ein Gefühl für den Ort. Ich tionalen Puschkin-Gesellschaft zur Dichterin des Jahres merkte, dass ich die Offenheit brauchte, die ich hier spür- gewählt. te – was man vielleicht auch Freiheit nennen könnte. Al- Weitere Preise und Ehrungen wurden Lera Auerbach als les, was ich brauchte, um als Künstlerin zu reifen, schien Komponistin zu Teil: 2000 und 2004 war sie Composer mir hier gegeben zu sein. Einer der Vorteile von New in Residence bei der Brahms-Gesellschaft in Baden-Ba- York besteht darin, dass man der Weltkultur ausgesetzt den, 2001 beim Lockenhaus Festival und 2007 beim Mu- ist, nicht nur der russischen. Russland war immer eher sikfest Bremen. 2005 erhielt sie zudem den Hindemith- geschlossen, besonders dort, wo ich aufwuchs. Wir hör- Preis des Schleswig Holstein Musik Festivals. ten keine westlichen Musiker. Schon als ich fünfzehn, Würdigung sechzehn war, empfand ich Russland als Sackgasse – ob- schon meine Arbeit nach und nach bekannt wurde und Lera Auerbachs eindrucksvoller Lebensweg verdankt si- mein Leben von aussen [sic] eher gut aussah. Ich war ch zweifellos einem unerschütterlichen Selbstvertrauen nicht unterdrückt oder so etwas. Aber ich war depri- und Glauben daran, dass „uns die wichtigen Dinge im Le- miert, obschon ich nicht ganz verstand warum. Das alles ben gegeben sind“ („du766 – Design“, Heft Nr. 4, Mai war damals mehr Intuition, als dass ich es in Worte gefas- 2006, S. 18). Ihre Biographie und die Tatsache, dass Le- st hätte. Als ich hier ankam, wo ich nur zehn Tage hätte ra Auerbach musikalisch häufig an verschiedene Kompo- bleiben sollen, war dieser Druck plötzlich weg. Ich be- nisten und Stile anknüpft und bereits Bekanntes zum kam eine flüchtige Ahnung davon, was es mir geben Ausgangspunkt ihrer eigenen Kreativität macht, werfen könnte, hier zu bleiben. Und ich wusste, dass es die richti- indes die Frage nach der nationalen und künstlerischen ge Entscheidung war.“ („du766 – Design“, Heft Nr. 4, Identität auf, die die „Kosmopolitin“ heute sehr selbstbe- Mai 2006, S. 18) wusst beantwortet: Mehr zu Biografie „Vielleicht fühle ich mich am ehesten wie eine Amerika- Lera Auerbach schrieb sich in der Folge zunächst an der nerin in dem Sinn, dass die Vereinigten Staaten ohnehin Manhattan School of Music in New York für das Fach ein Land der Immigranten sind und auf diesem Konzept Klavier bei Nina Svetlanova ein, bevor sie an die Juilliard beruhen. Gleichzeitig denke ich, dass ein Mensch seine School zu Joseph Kalichstein wechselte. Dort studierte Identität, seinen Sinn, zur Welt zu gehören oder nicht, sie auch Komposition bei Milton Babbit und Robert Bea- mit sich trägt. Ich fühle mich dort zu Hause, wo ich bin. ser und legte schließlich in beiden Fächern die Abschluss- [...] Ich bin jüdisch, also galt ich in Russland nicht als rus- prüfungen ab. 2002 ergänzte sie diese Studien noch mit sisch, sondern als jüdisch. Ich fing erst an, als Russin zu dem Konzertexamen bei Einar-Steen Nøkleberg an der gelten, als ich in die USA kam. Meine Identität ist also Hochschule für Musik und Theater in Hannover. die einer Aussenseiterin. Das kann sehr traurig klingen, aber ich empfinde es nicht so. Wieder erlaubt es mir, Als Pianistin trat sie inzwischen in der Tokyo Opera City das, was mir in einer Kultur gefällt, auszuwählen und es auf, im New Yorker Lincoln Center, im Münchner Herku- mir anzueignen.“ („du766 – Design“, Heft Nr. 4, Mai lessaal, im Konzerthaus Oslo und im Kennedy Center in 2006, S. 18) Washington. Bei ihrem Debüt in der New Yorker Carne- gie Hall im Mai 2002 spielte sie mit Gidon Kremer und In ihrer Mehrfachbegabung als Pianistin, Komponistin der Kremerata Baltica ihre Suite für Violine, Klavier und und nicht zuletzt auch Dichterin folgt sie einer russi- Orchester; seitdem werden ihre Werke regelmäßig dort schen Künstlertradition, zu deren bedeutendsten Vertre- gegeben. tern im 20. Jahrhundert Sergej Rachmaninow, Sergej Prokofjew und Alexander Skrjabin gehörten. Ungewöhnlich ist, dass Lera Auerbach nicht nur als Pia- Zum einen steht Lera Auerbachs Musik in engem Zusam- – 2 – Auerbach, Lera menhang mit der musikalischen Vergangenheit: mit der Selbstzweck, sondern eher als Kontrast zu der Entschei- Musik Johann Sebastian Bachs, mit der spätromanti- dung für die tonale Kompositionsweise. „Es gibt unendli- schen russischen Tradition und mit dem Werk Dmitri ch viel mehr Möglichkeiten in tonaler als in atonaler Mu- Schostakowitschs, das in Anklängen viele ihrer eigenen sik. Tonale Musik wurzelt in der menschlichen Natur, sie Kompositionen prägt. Die Verwurzelung ihrer Musik in beruht auf der Obertonreihe, und die ist ein universelles der Vergangenheit ist Lera Auerbach völlig bewusst: Sie Phänomen. Dessen Potential erkunden wir heute, und es bereichert ihre Musik durch Zitate, Anspielungen oder wird in den nächsten Jahrhunderten noch weiter erkun- stilistische Anleihen bei bereits Bekanntem und tritt da- det werden.“ („Die Welt“, 8. August 2005) mit in einen Dialog mit der Musikgeschichte. „Man kann Paradigmatisch für dieses Charakteristikum sind ihre nicht komponieren ohne Kenntnis der Tradition oder oh- „24 Präludien für Violine und Klavier“, op. 46 (1999), die ne Wissen darüber, was bis dahin geschah", schreibt Le- der Komponistin zum Durchbruch im Westen verhalfen. ra Auerbach. „Indem ich das Handwerk aus der Vergan- Der ganze, zumeist tonal gehaltene Zyklus ist von großer genheit lernte, gewann ich ein Gefühl der Freiheit, des Ausdruckskraft geprägt, die sich in starken Gegensätzen Abenteuers und des Reflektierens unserer Zeit. Ich kann entlädt. Langsame, sehr innerliche Sätze wechseln sich etwas sehr Modernes und sehr Neues ausdrücken, wenn mit effektvollen, raschen Stücken ab, rhythmisch-motori- ich weiss, was in der Vergangenheit funktionierte.“ sche Passagen bilden einen Kontrast zu melodiös und („du766 – Design“, Heft Nr. 4, Mai 2006, S. 16 f.) liedhaft angelegten Miniaturen. Musikalische
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