magazin neues deutschland Nr. 11 Sep 2007 Bild: photocase.de Greetings from... Sacco und Vanzetti gibt es jetzt auch im Internet. Mit einem eigenen Profi l bei myspace.com. Einfach myspace.com/saccoundvanzetti eingeben und schon trefft Ihr auf das aktuelle Magazin und seine Vorgänger. Musikalische Untermalung inklusive. Oder Ihr trefft eine ganze Reihe unserer Freunde, die genauso vielzählig wie unterschiedlich sind, einfach bunt eben – wie auch die Themen und das neue Design von S und V. Vom Attaci über Punkrocker, Fußballfans, schräge Bands und weise Liedermacher, von der einfachen Leserin hin zum einfachen Promi – sie alle unterstützen Sacco und Vanzetti. Weil sie die Inhalte mögen, die Sprache, unsere Optik. Weil sie uns interessant fi nden oder einfach nur Glück wünschen wollen bei unserem Vorhaben, mit wachem Verstand und offenen Sinnen durchs Leben zu gehen, Kritikwürdiges zu kritisieren und Genießenswertes zu genießen. Wie auch wieder in der aktuellen Ausgabe, in der wir uns dem Leben junger Behinderter widmen und in verschiedenen Facetten vorstellen. Ach ja, die Popkomm tobt alljährlich wieder, diesmal auch durch unser Heft, neben migrantischen Boxern und Lifestylesportlern. Eine Gruppe junger Menschen aus Frankfurt probt die Gegenwirklichkeit, unser Dichter erlebt sie in den Jobcentern dieser Republik. Wenn Ihr Euch von uns angesprochen fühlt, uns unterstützen, Glück wünschen oder über die neueste Ausgabe abkotzen wollt, dann schaut doch mal bei myspace vorbei. Dort könnt Ihr auch gleich unserem exklusiven Freundeskreis beitreten. Oder Ihr lasst es und lest uns einfach weiterhin, verfolgt unsere Entwicklung, legt die Hände in den Schoß, wartet und stellt plötzlich fest, dass Ihr beginnt, so zu ticken wie Sacco und Vanzetti und seine Redaktion. Das wär’ »If you can´t wait, take a taxi.« von Andreas Voland doch schon mal ein Anfang. Wir empfehlen jedoch rote Doppelstock-Busse. Martin Schirdewan von Who the fuck did it? London, Hauptstadt von Großbritannien, eine Weltstadt, Busfahrers aber nicht, sind ungeduldig und hämmern auf jeden Fall die meist überwachte Stadt in Europa. Mein gegen die Tür. Der Busfahrer greift zum Mikrofon und ruft erster Eindruck: Keine Ecke, keine Straße, die nicht von ihnen zu: »If you can’t wait, take a taxi.« kleinen Kameras bewacht wird. Mein vierter Eindruck von London: Londoner sind stark Mein zweiter Londoner Eindruck: London ist multikultu- im Feiern und im Betrunken-Sein und sehr zahlreich am rell. Die ersten Worte, mit denen ich begrüßt werde, sind Start... 7,5 Millionen Einwohner, laut der letzten Zählung. spanische Anweisungen von den Platzanweisern und Da kommt mir mein Berlin wie eine kleine, entspannte Fahrkartenverkäufern des Busunternehmens, das mich Provinzstadt vor — nur das Servicepersonal der Verkehrs- vom Flughafen Stansted, dem beliebten Zielpunkt von Bil- betriebe ist ähnlich rotzig. ligfl uggesellschaften, eine Stunde Fahrzeit außerhalb von Von der Haltestelle Westminster fahre ich zum Bahnhof Bild: photocase.de London, zur Bushaltestelle Westminster fahren soll. Victoria Station und mache mich zu Fuß auf zur Kings Road, nur ein paar Straßen weiter — denke ich mir und Mein dritter Eindruck von London: Schlagfertige Busfahrer. laufe los, an der Themse entlang, durch dunkle Gassen. Nicht nur Touristen rotten sich an der innenstadtnahen Irgendwann erklärt mir ein netter Partygänger, dass die Haltestelle Westminster zusammen, auch behinderte Kings Road ganz in der Nähe sei... ach, ich wolle nach Londoner steigen meist in Westminster um — es ist die Chiswick? Nein, da würde ich mich irren. Wahrscheinlich einzige barrierefreie Station in der Innenstadt. Wir haben meine ich eher die Kings Street! Das wären dann noch acht einen witzigen Busfahrer, der die einsteigenden und uns Meilen. Zu Fuß? Ich sei verrückt, lieber mit dem Bus, oder aussteigende Touristen gut im Griff hat. Er lässt die Vorder- mit dem Taxi, für 30 Pfund. Ich laufe. Mein Problem, ich tür geschlossen bis sich vor dem Bus eine Rampe entfaltet, habe kein Geld getauscht – und das in der drittteuersten die eine Rollstuhlfahrerin auf die Straße bringen soll. Die Stadt der Welt – Taxi fällt also fl ach. Ich laufe. Irgendwann Touristen vor dem Bus akzeptierten die Handzeichen des siegt Erschöpfung über geilen Geiz und ich versuche es mit S. 4 & 5 - Behindert werden wir alle Aus den Augen – aus dem Sinn. Weil sie etwas ganz Besonderes sind, dürfen behinderte Kinder in unserer Republik Sonderschulen besuchen. Ausgrenzung wird bei uns föderal organisiert. S. 6 - Killermücken greifen an Unser Autor hat sich in die Potsdamer Trattoria Villa Apostoli gewagt – in Begleitung. Der Wein fl ießt, das Blut pulsiert und für die anderen Gäste der Trattoria beginnt das große Fressen. S. 7 - Reclaim your Heimat Wir wollen unsere Heimat wieder. Nicht als krude Mixtur aus Nation und Idyll, nicht als Mügeln- Abziehbild, sondern ehrlich, zivilcouragiert und deshalb tolerant, offen und friedlich. Die Leute von anspruch. gegenwirklichkeit wollen das auch. S. 8 - Im Ring bist Du allein Arthur Abraham lässt sich im Ring den Kiefer doppelt zertrümmern und siegt. Er ist einer von vielen Boxern mit Migrationshintergrund. Wie Afroamerikaner am beliebtesten sind, wenn sie ihr Heimatland prestigeträch- tig zu Medaillenspiegelanführern machen, genießen Migranten dann Respekt, wenn sie für deutsche Boxställe ausländische Weltklasseboxer auf die Bretter schicken. Sie kämpfen um Respekt. S. 9 - Fast wie bei Sacco und Vanzetti Täglich öffnet das Bundesinnenministerium seine Scheu- nentore und entlässt eine neue Sau ins Dorf. Wir sind mittlerweile nicht nur Export-, sondern auch Abhörwelt- meister. Und wir sind Weltklasse, wenn es darum geht, missliebig Engagierte einzuschüchtern. S. 10 & 11 - In Berlin spielt die Musik Paul van Dyk spricht von der Musik als Zukunftsbranche. Besser er spricht von ihr, als dass er sie macht. Obwohl uns auch das auf der diesjährigen Popkomm nicht erspart bleiben wird – so wie Rammstein oder die ewig Fantas- tischen Vier. dem Bus. Der Busfahrer will mich ohne Ticket nicht mit- renten: »Iran should be free«... Nicht weit davon entfernt: S. 12 & 13 - Organisiertes Gebrechen nehmen, verständlich, würde wohl niemand. Glücklicher- Kriegsdenkmäler und das britische Verteidigungsministe- Kann ein Einbeiniger länger? Eine berechtigte Frage, weise ist ein Mann bereit, Euro gegen Pfund zu tauschen. rium, bewacht von Soldaten in roter Uniform, mit Säbeln, schließlich gibt es ein Bein weniger, das Blut in Anspruch Dankbar zücke ich meinen Geldbeutel. überhohen Kniestiefeln und schwarzen Plüschhelmen. nimmt. Das Behindertenmagazin Mondkalb gibt die Um sie herum wuseln Touristen, lassen sich fotografi eren, Antwort – behauptet zumindest ein Mondkalb-Redakteur Mein fünfter Eindruck: Nett, die Londoner. Wirklich ausge- machen Scherze, staunen oder laufen einfach vorbei. Einer in unserem Interview. sprochen nett und gastfreundlich! der Soldaten zittert schon am ganzen Körper, aber er hält durch, wofür auch immer... S. 14 - Die Würde des Menschen ist an- Ich lerne: London erlebt der nicht ganz so zahlungskräftige, dafür aber abenteuerlustige Tourist am besten nach dem X-ter (märchenhafter) Eindruck von der Weltstadt mit greifbar. Greifen Sie zu! Kauf einer ÖPNV-Tagesfahrkarte in einem der bekannten, Etwas weiter in Richtung Campden Town schlägt Herz: Wolf Hunger treibt sich auf den grauen Gängen der roten Busse. Mit denen einfach ins Blaue hineinfahren und uns ein riesiger Trödelmarkt in seinen Bann. Ja, wir sind bundesdeutschen Arbeitsagenturen herum und sehnt aussteigen, wo auch immer die innere Stimme oder das die richtige Zielgruppe. Alternatives Leben, Batiktücher, sich als Transferleistungsbeantragender nach einem Aufmerksamkeitsbarometer »HIER!« ruft. Musikläden, Räucherstäbchen, Steine, Möbel, Klamotten... Bolzenschussgerät. Mein erster Stopp ist die Oxford Street, ein überdimensio- wir kommen! Und ich fi nde meine Schamanentrommel. Ich nales Einkaufszentrum mit Massen von Schäppchenjägern will den Kauf durch die Botschaft des Windes bekräftigen und dem dazugehörigen Massenangebot an Waren, Son- lassen. Wie auch sonst? »Ich zähle bis zehn. Legt sich der S. 15 - Von wegen Spiesser derangeboten, Wühltischen voll mit Billigwaren minderer Wind, gehört die Trommel mir.« Der Wind bestätigt. Die Underdog-Erfolgsgeschichten sind besonders herzer- Qualität. Mehr kaufen, als brauchen... Fahne hängt bei sieben für einen kurzen Augenblick wie wärmend – wie die vom ostdeutschen Schülerblättchen Hier gibt es nichts zu holen, außer vier zum Preis von drei leblos am Mast. Die Trommel tritt mit mir die Rückreise Spiesser, das demnächst mit einer Aufl age von 1000000 – also weiter mit dem Bus zum Trafalgar Square. Von hier nach Berlin an. London – eine zauberhafte Stadt... Exemplaren bundesweit zu haben ist. aus entdecke ich London Eye, das Parliament House, in- klusive demonstrativ aufgestelltem Zeltlager und Transpa- 4 Im Fokus: Junge Behinderte von Ruth Steinhof Vor Behinderungen jeglicher Art kann niemand sicher sein. Weder jung noch alt, egal, ob kerngesund oder hypochondrisch. Aber ebenso kann auch jeder seinen Beitrag dazu leisten in die oft isolierte Welt von Behinderten ein Stück Normalität zu bringen. Ich bin gesund. Meine Beine tragen mich, wohin ich möchte. Doch was wäre, wenn ich Schützlingen den Weg wieder zurück in die Gesellschaft, in ein eigenständiges Leben morgen beim Abbiegen mit dem Fahrrad von einem Auto erfasst werde? Was dann? zu ermöglichen und Lebensfreude zu schaffen. Es werden Feste veranstaltet, Tiershows Von einem
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