Für Freiheit Und Recht Der „20

Für Freiheit Und Recht Der „20

B L Ä T T E R Nr. 79 ZUM LAND Für Freiheit und Recht Der „20. Juli 1944“ und seine Verbindungen in unserer Region Der Umsturzversuch des 20. Juli 1944 wird zu stürzen. Bis zum Sommer 1944 wurden in der Bundesrepublik Deutschland traditio- sogar mehrere Attentats- und Umsturzpläne nell als das zentrale Ereignis des deutschen entwickelt, wieder verworfen oder schlugen Wider standes gegen das NS-Regime gewür- fehl. digt. Auch 75 Jahre danach ist jedoch in der breiten Öffentlichkeit noch immer kaum bekannt, dass es innerhalb der militärischen und der zivilen Opposition schon recht bald Überlegungen gegeben hatte, Adolf Hitler Ludwig Schwamb wurde am 23. Juli 1944 in Frankfurt festgenommen und später nach Berlin überstellt. Am 13. Januar 1945 verurteilte ihn der „Volksgerichtshof“ zum Tode. Zehn Tage später wurde er zusammen mit neun weiteren Verschwörern in der Strafanstalt Berlin-Plötzensee hingerichtet. Gedenkstätte Deutscher Widerstand Sämtliche dieser Vorhaben scheiterten an technischen und anderen Unwägbarkeiten, wegen der scharfen Sicherheitsvorkehrungen des NS-Regimes oder am Zaudern der be- teiligten Militärs. Die absolute Mehrheit der Wehrmacht und ihrer Führung stand loyal hinter dem Diktator und Oberbefehlshaber und folgte bis zuletzt willig seiner barbari- schen Kriegs- und Eroberungsstrategie. Der „20. Juli“ war keineswegs nur eine ge- meinsame Aktion von wenigen oppositionel- len Militärs und Vertretern des konservativ- liberalen Bürgertums, sondern konnte sich gleichermaßen auf eine weit verzweigte zivile Widerstandsstruktur stützen. Diese war besonders vom früheren Innenminister des Volksstaates Hessen und Gewerkschaftsfüh- rer Wilhelm Leuschner, seinen Parteifreun- den, den ehemaligen SPD-Reichstagsabge- ordneten Dr. Carlo Mierendorff und Dr. Julius Leber sowie von etlichen weiteren Mitstrei- tern in jahrelanger konspirativer Kleinarbeit im ganzen Reichsgebiet geschaffen worden. Für dieses somit im Kern sozialdemokratisch- gewerkschaftliche Vertrauensleutenetz waren außerdem diverse weitere Regimegegner aus bürgerlichen Kreisen gewonnen worden. Eines seiner wichtigsten Zentren erstreckte sich auf die heutigen Bundesländer Hessen und Rheinland-Pfalz mit deutlichem Schwer- punkt im Rhein-Main-Gebiet und in Rhein- hessen Oberst Stauffenberg (links im Bild) im Führerhaupt- quartier „Wolfsschanze“ am 15. Juli 1944 Bundesarchiv, Bild 146-1984-079-02 Der 20. Juli 1944 Im Anschluss an die verheerende Niederlage von Stalingrad Anfang 1943 verstärkte sich in den zivilen wie auch den militärischen Kreisen der Opposition die Überzeugung, dass der Krieg für Deutschland früher oder später verloren sein würde. Fortan gewannen die Überlegungen oppositioneller Offiziere hinsichtlich einer möglichst raschen Besei- tigung Hitlers durch ein Attentat wieder an Kontur, um so die Verbrechen des Regimes 2 Zerstörte Lagebaracke nach dem Attentat im Führerhauptquartier „Wolfschanze“ bei Rasten- burg in Ostpreußen am 20. Juli 1944 Gedenkstätte Deutscher Widerstand 3 endlich zu beenden und um den Weg freizu- Die Bombenexplosion hatte unter den 24 machen zunächst für einen von vielen erhoff- in der Lagebaracke Versammelten vier To- ten Separatfrieden mit den Westalliierten. desopfer gefordert, Hitler selbst war aber Auch Claus Graf Schenk von Stauffenberg nur leicht verletzt worden. Auch das erst äußerte verschiedentlich im vertraulichen am Nachmittag ausgelöste eigentliche Gespräch, nicht zuletzt die massenhaften Er- Umsturzunternehmen brach schon nach schießungen der Juden müssten unverzüglich wenigen Stunden in sich zusammen. In etli- gestoppt werden, was aber die Liquidierung chen Stellvertretenden Generalkommandos Hitlers voraussetze. Genauso sahen sich waren die Befehle der Verschwörer erst nach etliche andere Verschwörer, zumal wenn sie Dienstschluss, in München und Danzig über- als Offiziere selbst in solche systematischen haupt nicht eingetroffen. Mit der Durchfüh- Mordaktionen verstrickt waren, gerade rung der Alarmmaßnahmen der Operation wegen ihres Wissens um diese Gräueltaten „Walküre“ war lediglich – außer in Berlin – in schließlich ebenfalls zum Handeln gedrängt. Kassel, Dresden, Hamburg, Frankfurt am Nachdem der Attentatsplan immer wieder Main und Münster in Westfalen begonnen verschoben worden war, zündete Oberst worden. Aber auch dort war alles im Ansatz Stauffenberg mit Unterstützung seines Ad- stecken geblieben. jutanten Oberleutnant Werner von Haeften am 20. Juli 1944 in der Lagebaracke des Füh- Nur in Prag, Paris und Wien waren die Alar- rerhauptquartiers „Wolfschanze“ bei Rasten- mierung und sogar die Verhaftungen regi- burg in Ostpreußen eine Bombe, die er – in metreuer Kräfte angelaufen bzw. zum Teil einer Aktentasche verborgen – in der Nähe bereits durchgeführt worden. In Paris hatten Hitlers platziert hatte. Die anschließend von immerhin 1.200 Mann SS, SD und Polizei fest- Berlin aus ausgelöste Operation „Walküre“ hätte eigentlich zur Initialzündung für einen Generaloberst a. D. Ludwig Beck kombinierten Aufstand militärischer und Gedenkstätte Deutscher Widerstand ziviler Widerstandskräfte werden sollen. Die geheimen „Walküre“-Befehle, ursprünglich entwickelt z. B. zur Bekämpfung innerer Unruhen, etwa von Aufstandsversuchen der Zwangsarbeitskräfte und Kriegsgefangenen, waren von General Friedrich Olbricht und einigen anderen seit 1942 für die Zwecke der Verschwörer umgearbeitet worden. Nach einem erfolgreichen Anschlag auf Hitler hät- ten umgehend alle regimetreuen Entschei- dungsträger verhaftet, die Nachrichten- und Presseeinrichtungen unter die Kontrolle der Verschwörer gebracht und ähnliche Maß- nahmen durchgeführt werden sollen, um dadurch die Voraussetzungen für das Ge- lingen des Umsturzes im Reich und an der Front zu schaffen. In den einzelnen Wehr- kreisen sollten militärische Verbindungsleu- te, unterstützt von politischen Beratern, für die Durchsetzung der Befehle der Verschwö- rer sorgen. Die Aktion, auf die seit Langem hingearbeitet worden war, scheiterte indes binnen nur eines halben Tages. 4 gesetzt werden können, die jedoch nach dem Am Tag der Aktion hätte Hauptmann Her- Erkennen des Scheiterns der Aktion wieder mann Kaiser vom Stab des Chefs der Heeres- auf freien Fuß gesetzt wurden. rüstung und Befehlshabers des Ersatzheeres in seiner Heimatstadt Wiesbaden, wo er vordem Verbindungen in unsere Region im Zivilberuf als Studienrat gewirkt hatte, in die Funktion des Verbindungsoffiziers zwischen den Auch in Mainz waren Maßnahmen zur Fest- militärischen und den zivilen Widerstandskräf- nahme bzw. Liquidierung Hitler treu ergebe- ten im Wehrkreis XII rücken sollen. Seit 1941 ner Militärs geplant gewesen, die sich indes hatte er in Berlin eng mit der Führungsebene nicht hatten durchführen lassen. Zuständig des militärischen und bürgerlich-konservativen u. a. für das westliche Rhein-Main-Gebiet, Widerstandes kooperiert, so mit Generaloberst die Regierungsbezirke Koblenz und Trier, den a. D. Ludwig Beck und dem früheren Leipziger Westerwald, Rheinhessen, die Pfalz und das Oberbürgermeister Dr. Carl Goerdeler, dann Saarland war das Stellvertretende General- auch mit Generalmajor Henning von Tresckow, kommando des XII. Armeekorps in Wiesba- Oberleutnant Dr. Fabian von Schlabrendorff, den. Dort hatten die Verschwörer auf den General Friedrich Olbricht und Oberst Claus Chef des Generalstabes Generalmajor Erwin Graf Schenk von Stauffenberg, ebenso mit Gerlach gezählt. Als aber die Fernschreiben Funktionären des Arbeiterwiderstandes und entschlüsselt worden waren und Rückfragen vielen anderen Regimegegnern. in anderen Wehrkreisen erbracht hatten, dass eine Beteiligung am Staatsstreichversuch zu Auch die Mehrheit der deutschen Bevölke- riskant sei, war dieser in Berlin bereits ge- rung stand Mitte 1944 trotz der Invasion der scheitert. Westalliierten in der Normandie sowie der Dr. Carl Friedrich Goerdeler Fabian von Schlabrendorff Gedenkstätte Deutscher Widerstand Stadtarchiv Wiesbaden 5 wuchtigen Sommeroffensiven der Sowjets gehörte er im Zuge der Umsturzvorbreitungen gegen die Ostfront und der sich damit deut- zu den Vertrauten von Oberst Stauffenberg lich abzeichnenden Niederlage Deutschlands und General Olbricht. Seine Aufgabe bestand loyal zu Hitler und zum NS-Regime. Dem in der Abschirmung von Gefährdeten sowie hatten die Verschwörer dadurch zu begegnen der Warnung der Verschwörer vor den jeder- gesucht, dass sie nach dem Gelingen des zeit möglichen Observationen und Zugriffen Militärschlages unverzüglich ein verlässli- durch die Gestapo. So hat er beispielsweise die ches Netz ziviler Widerstandsgruppen auf Einstellung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Plan rufen wollten. Ansonsten hätte Hauptmann Hermann Kaiser erreicht, der der befreiende Umsturz ohnehin nur durch 1943 von einem Kameraden aus dem Ersten Gruppen und Personen erfolgen können, die Weltkrieg wegen seiner scharfen Kritik an Hit- sich unmittelbar an den Schaltstellen der ler denunziert worden war. Macht befanden. Dies galt primär für Teile der militärischen und zivilen Funktionseliten. Nach der bereits am 12. Juni 1944 erfolgten Für die angestrebte unverzügliche Verbreite- Verhaftung von Oberst Wilhelm Staehle, der rung der Basis des Unternehmens hätte ein u. a. mit Carl Goerdeler und niederländischen Bündnis bürgerlich-konservativer, liberaler, Widerstandskreisen in Verbindung gestanden gewerkschaftlich-sozialdemokratischer und hatte, war Sack sogar selbst ins Wehrmachts- linkssozialistisch-pazifistischer Widerstands- gefängnis geeilt, um vom dort Inhaftierten gruppen sorgen sollen. den aktuellen Stand der Ermittlungen in Erfahrung

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