Koch Und Kanzler CDU-Ministerpräsident Roland Koch Will Die Hessen-Wahl Zur Abstimmung Gegen Rot-Grün Stilisieren

Koch Und Kanzler CDU-Ministerpräsident Roland Koch Will Die Hessen-Wahl Zur Abstimmung Gegen Rot-Grün Stilisieren

Deutschland „Steuererhöhungen sind in der jetzigen konjunkturellen Situation „Ich erwarte bei den gesetzlichen ökonomisch unsinnig, und deshalb ziehen Krankenkassen keine wir sie auch nicht in Betracht.“ Beitragserhöhung auf breiter Front.“ Bundeskanzler Gerhard Schröder am 26. Juli 2002 Gesundheitsministerin Ulla Schmidt am 8. August 2002 WAHLKAMPF Koch und Kanzler CDU-Ministerpräsident Roland Koch will die Hessen-Wahl zur Abstimmung gegen Rot-Grün stilisieren. Der von dem skandalerprobten Hardliner erfundene Lügen-Ausschuss verunsichert die Koalition. Offenbar war Finanzminister Hans Eichel über die düstere Kassenlage gut informiert. ie Rede des hessischen Ministerprä- Kochs Gesicht leuchtete – sofort änder- kompromissloser als beim Duell ums Kanz- sidenten plätscherte vor sich hin. te er den Redetext: Nun gebe es endlich ei- leramt will Koch vor den Landtagswahlen DErst klagte Roland Koch über rot- nen Beleg dafür, dass die Regierung ihre in Hessen und Niedersachsen Anfang Fe- grüne Fortschrittsverhinderer, dann empör- Wähler über den Zustand des Landes be- bruar auftreten und den Fehlstart von Rot- te er sich über den „missionarisch-ideolo- trogen habe, triumphierte er. Gleich nach Grün zur nationalen Katastrophe stilisie- gischen Eifer“ der Berliner Regenten. Eher seiner Wiener Rede rief er die CDU-Vor- ren. Das heimliche Motto: Rache für den routiniert referierte der Christdemokrat am sitzende Angela Merkel an, um sie von sei- 22. September. Das strategische Ziel: Der vorvergangenen Mittwoch auf Einladung nem Plan zu überzeugen, dass nun ein Un- Hessen-Chef will sich selbst in Pose setzen der Österreichischen Volkspartei in Wien. tersuchungsausschuss im Bundestag her und – nach der eher betulichen Stoiber- Und dann das: Ein Mitarbeiter reichte müsse, um die mutmaßlichen Lügen von Kampagne – beweisen, dass ein konserva- dem Redner eine Agenturmeldung über Rot-Grün aufzudecken und anzuprangern. tiver Wahlkampf anders geführt werden Äußerungen des früheren Grünen-Finanz- Merkel zögerte – doch Koch organisier- kann: polarisierend und ohne Scheu vor politikers Oswald Metzger ans Pult. Der te sich mächtige Verbündete. CSU-Chef der Benennung von Alternativen. hatte im ZDF eingeräumt, das Finanzloch Edmund Stoiber sicherte ihm in einem Te- Denn Koch ist kein Freund der sanften im Bundeshaushalt sei vor der Wahl be- lefonat seine Unterstützung zu. Auch Frak- Ansprache. „Solange ich politische Verant- wusst verschwiegen worden: „In einem tionsvize Friedrich Merz, ein eingefleisch- wortung trage, werden die Menschen von Abwägungsprozess, wollen wir weiter re- ter Gegenspieler Merkels, erklärte sich zum mir eine klare Position bekommen“, tönt er gieren, haben sich die SPD und die Bun- Mittun bereit. Die Sache war entschieden. immer wieder. Und so kündigte er mal an, desregierung und auch der Bundesfinanz- Und so ist der Wahlkampf, der mit dem „den härtesten Strafvollzug in Deutsch- minister fürs Weiterregieren entschieden Entscheid vom 22. September eigentlich land“ zu schaffen, mal behauptete er, die Fi- und gegen die Ehrlichkeit.“ beendet war, neu eröffnet. Härter und nanzaffäre der Hessen-CDU „brutalstmög- 22 der spiegel 48/2002 „Wir weichen nicht in Schulden aus.“ „Der Herbst wird ein Konjunkturfrühling.“ Finanzminister Hans Eichel am 1. September 2002 Arbeitsminister Walter Riester am 4. September 2002 lich“ aufzuklären (verstrickte sich dabei Michael Glos. Und Koch schäumte vor al- Umfrage, die einen Erdrutschsieg für Her- aber in eigene Lügen). Oder er spielte im len Mikrofonen: „Ein Jahr halten wir das ausforderer Christian Wulff vorhersagt: 43 Bundesrat, bei der Abstimmung über das vielleicht aus, länger nicht, dann ist unser Prozent für die CDU und nur noch 34 Pro- Zuwanderungsgesetz, lautstark Theater. Wohlstand gefährdet.“ zent für den amtierenden SPD-Minister- Mit einem Lagerwahlkampf will der Das Auftrumpfen des CDU-Hardliners, präsidenten Sigmar Gabriel. Hesse nun seinen Ruf als harter Hund wei- der seine Ambitionen neuerdings unver- Die momentane Stimmung geben derar- ter festigen und sich als Kanzlerkandidat hohlen zur Schau trägt („Ich habe den Hes- tige Umfragen wohl tatsächlich wieder. für das Jahr 2006 empfehlen. Denn anders sen nie angedroht, mein ganzes Leben Mi- Denn landauf, landab machen sich Wut, als die oft zögerliche Merkel und der um nisterpräsident sein zu wollen“), kommt Kritik und Enttäuschung breit über die Flut sein soziales Image besorgte Stoiber könn- Schröder hochgradig ungelegen. Denn die der Steuer- und Abgabenerhöhungen, die te Koch sich als Problemlöser präsentie- Stimmung hat sich in Rekordzeit gegen den vor der Wahl niemand angekündigt hat. ren, der dem Land jene harten Einschnit- Kanzler und die SPD gewendet. „Kanzler, uns reicht’s“, titelt die „Bild“- te verpassen würde, die seit längerem von Fast die Hälfte der Menschen, die bei der Zeitung. Der frühere SPD-Chef Oskar La- einer Mehrheit ohnehin erwartet werden. Bundestagswahl für Schröder votierten, fontaine, offenbar von allen politischen Ins- Unterstützt von den Merkel-Gegnern in würden die SPD derzeit nicht wählen – sie tinkten verlassen, beschwört gar Weimarer Berlin, will der Ministerpräsident aus Wies- sind laut Forsa ins Lager der Nichtwähler Verhältnisse: Schröders Wirtschaftspolitik baden von seinen eigenen Skandalen ab- abgewandert. Aus Niedersachsen erreichte gleiche der von Reichskanzler Heinrich lenken und loskämpfen gegen eine SPD, den Kanzler am Freitag das Ergebnis einer Brüning, einem unfreiwilligen Wegbereiter die sich in ihr Traditionsmilieu verkriecht, von der CDU in Auftrag gegebenen Emnid- Adolf Hitlers (siehe Kasten Seite 24). anstatt Reformsehnsüchte zu be- Weiteres Ungemach droht. dienen. „Seit Mitte der neunziger „Mein Part ist erfüllt“, verkündet Jahre“, sagt Manfred Güllner, Chef ein vom Gezerre mit den Gewerk- des Umfrage-Instituts Forsa, „gibt Vorsätzlicher Wahlbetrug? schaften enttäuschter Peter Hartz, es die klare Erkenntnis bei der Fühlen Sie sich persönlich von der den Schröder stets als Kronzeugen Mehrheit der Wahlberechtigten, Regierung belogen? für seine Reformpolitik bemüht dass es wie bisher nicht weiter- (siehe Gespräch Seite 31). geht.“ Anhänger von CDU/ B’90/ Vor allem die sozialdemokrati- Koch und Co. möchten dieser Gesamt SPD CSU Grüne FDP PDS schen Wahlkämpfer in Wiesbaden Stimmung die Parolen liefern. und Hannover sind verzweifelt. Deutschland befinde sich „finanz- Ja 62 18 84 31 75 54 Über „enormen Gegenwind“ aus politisch im freien Fall“, behauptet Berlin klagt der hessische Koch- Fraktionsvize Merz. „Noch nie Nein 35 79 14 68 23 46 Herausforderer Gerhard Bökel: hat ein Kanzler so skrupellos sei- „Der Eindruck der Ziellosigkeit NFO-Infratest-Umfrage für den SPIEGEL vom 19. bis 21. November; rund 1000 ne Versprechungen gebrochen“, Befragte; Angaben in Prozent; an 100 fehlende Prozent: weiß nicht/keine Angabe muss beendet werden.“ Solch ei- GEORG J. LOPATA / AXENTIS.DE (L.); MARC-STEFFEN UNGER (M. L.); HANS-GÜNTHER OED (M. R.); KARL-BERND KARWASZ (R.) UNGER (M. L.); HANS-GÜNTHER OED (M. R.); KARL-BERND / AXENTIS.DE (L.); KARWASZ MARC-STEFFEN LOPATA GEORG J. dröhnt CSU-Landesgruppenchef nen schwachen Start habe er nicht der spiegel 48/2002 23 Deutschland sagt auch sein Kollege Lothar Gall, Wei- mar-Experte aus Frankfurt am Main. 1930, als der Zentrumspolitiker Brü- „Auf die Barrikaden“ ning Reichskanzler wurde, befand sich die erste deutsche Republik bereits in Doris Schröder-Köpf und Oskar Lafontaine ihrem Todeskampf. Außenpolitisch war der Weltkriegsverlierer Deutschland iso- streiten über die deutsche Geschichte. liert, auf den Straßen lieferten sich Na- tionalsozialisten und Kommunisten bluti- ie zwei wichtigsten Regeln des po- Kanzlergattin, bisher als Historikerin ge Kämpfe, die Weltwirtschaftskrise hielt litischen Überlebens in Deutsch- nicht aufgefallen, meldete sich zu Wort. das Land seit dem Schwarzen Freitag an Dland lauten: Wer mit der Flugbe- Am Dienstagmittag griff sie zum Tele- den Börsen 1929 im Würgegriff. reitschaft der Luftwaffe Freunde oder fon. Erregt diktierte sie dem befreunde- Weil er über keine Mehrheit im Reichs- Verwandte im Ausland besucht, braucht ten Journalisten Hartwig von Sass von tag verfügte, regierte Brüning mit quasi einen guten Reisegrund („dienstlicher der Deutschen Presse-Agentur in Han- diktatorischen „Notverordnungen“ des Charakter“), und vor allem: nover ihre Wut in den Block. Reichspräsidenten Paul von Hindenburg Hände weg von der jüngeren Lafontaine verhalte sich „un- am Parlament vorbei. Mit einer „Politik deutschen Vergangenheit! historisch und unsolidarisch“, der nackten Not“ wollte Brüning dem Verstöße gegen diese beiden schimpfte sie. Er solle endlich Ausland beweisen, dass Deutschland un- Gebote werden unnachsichtig aus der Partei austreten. fähig war, die Reparationen für den Ers- geahndet – mit öffentlicher Die morgendliche „Bild“- ten Weltkrieg weiter aufzubringen. Empörung und Rücktritts- oder Lektüre hatte Schröder-Köpfs Anders als heute fuhr der Staat seine Austrittsforderungen im Stun- Adrenalin-Pegel weiter nach Investitionen fast auf null zurück, Löhne dentakt. Am Montag voriger oben getrieben. Dort hatte sich und Gehälter wurden gekürzt, die Wirt- Woche war es wieder so weit. Zeitgeschichtler Baring – mei- schaft geriet in eine Abwärtsspirale. Die Der Delinquent hieß diesmal nungsstark wie immer – an den Preise sanken, aber die Bürger gaben kein Oskar Lafontaine, der schon historischen Parallelen zu Wei- Geld mehr aus. Das Land litt unter einer vor zwei Jahrzehnten sein his- KEYSTONE mar abgearbeitet. schweren Deflation. torisches

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