5 Bautechnik 91. Jahrgang Mai 2014, S. 333-338 ISSN 0932-8351 A 1556 Zeitschrift für den gesamten Ingenieurbau Sonderdruck Planung und Bau von Liegestellen am Ober- und Mittelrhein Verbesserung der Infrastruktur für den ruhenden Schiffsverkehr 06_333_338_201400027_Melzer_Layout 1 24.04.14 07:56 Seite 333 DOI: 10.1002 / bate.201400027 Judith Melzer, Michael Dormann, Johannes Herbort BERICHT Planung und Bau von Liegestellen am Ober- und Mittelrhein Verbesserung der Infrastruktur für den ruhenden Schiffsverkehr Der Rhein ist die mit Abstand bedeutendste Binnenwasserstra- Planning and construction of berths at the Upper and Middle ße in Deutschland. Zur Gewährleistung der Sicherheit und Rhine Leichtigkeit der Rheinschifffahrt sind entsprechende Rahmen- Infrastructure’s improvement for stationary ship traffic bedingungen für den durchgehenden und ruhenden Verkehr zu The Rhine represents Germany’s most important inland water- schaffen. Aufgrund der Veränderung der Flottenstruktur und way by far. In order to ensure a safe and smooth ship traffic it des Wegfalls von früheren Liegestellen stehen für die Rhein- is essential to create suitable basic conditions for the station- schiffer heute keine ausreichenden Liegemöglichkeiten mehr ary ship traffic as well as for the active ship traffic. Insufficient zur Verfügung. Zur Verbesserung der Situation am Ober- und berths are available nowadays, due to Rhine shipping’s evolu- Mittelrhein plant die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des tion in fleet structure. Furthermore there is a lack of former Bundes den Bau von insgesamt 14 Liegestellen für jeweils zwei berths. The Federal Water and Shipping Administration is plan- bis zwölf Schiffe auf einer Strecke von ca. 290 km zwischen ning new constructions as well as the reconstruction of further Iffezheim und Brohl. Durch die Realisierung der ersten Maß- and existing berths. Thus, 14 berths emerge at the Upper and nahmen in Iffezheim, Sondernheim und Koblenz-Wallersheim Middle Rhine. Each one has a capacity for 2 until 12 ships and konnte bereits eine Verbesserung der Situation erreicht is located on a route of 290 km between Iffezheim and Brohl. werden, die Umsetzung der Planungen an den elf weiteren Initial improvement was already achieved by the construction Standorten wird in den nächsten Jahren folgen. of berths in Iffezheim, Sondernheim and Koblenz-Wallersheim. Further 11 construction projects will follow within the next years. Keywords Rhein; Liegestellen; Schiffsverkehr, ruhender; Dalben; Keywords Rhine; berth; stationary ship traffic; mooring dolphin; footbridge Landgangsteg 1 Einleitung aufzunehmen erforderlich, da diese Betriebsform einen 1.1 Derzeitige Situation schnellen und sicheren Wechsel der Besatzungen voraus- setzt. Der Rhein ist eine der meist befahrenen Binnenwasser- straßen Europas und somit die bedeutendste Bundeswas- Aufgrund der in den vergangenen Jahrzehnten stark ver- serstraße in Deutschland. Hier werden heute bereits bis änderten Rahmenbedingungen für die Rheinschifffahrt zu ca. 172 Mio. Gütertonnen bei ca. 185 000 Schiffsbewe- mit immer größer werden Schiffsabmessungen und verän- gungen pro Jahr transportiert. Aktuelle Prognosen gehen derten Betriebsformen stehen derzeit nicht mehr genug darüber hinaus von Verkehrszuwächsen von bis zu 30 % sichere Liege- und Übernachtungsmöglichkeiten zur Ver- bis zum Jahr 2025 aus. fügung. Viele Anlagen sind heute nicht mehr nutzbar, da sie den Anforderungen der modernen Binnenschiffe nicht Um die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs mehr genügen, insbesondere in Hinblick auf Länge, Was- auch in Zukunft zu gewährleisten, strebt die Wasser- und sertiefe und Festmacheeinrichtungen, und andere sind Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) eine weitestge- aufgrund von fremdbestimmten Umnutzungen ganz weg- hende Trennung zwischen durchgehendem und ruhen- gefallen. dem Verkehr an. Die verbliebenen Liegestellen weisen in der Regel einen Derzeit fahren weit über die Hälfte der Schiffe und Ver- geringen Standard auf. So können keine Wassertiefen ga- bände auf dem Rhein nicht im 24h-Betrieb. Um die ge- rantiert werden, was insbesondere bei Niedrigwasserstän- setzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten einzuhalten, benö- den zu Einschränkungen führt. Vielfach gibt es keine si- tigen die Schiffsführer eine ausreichende Anzahl an Lie- cheren Anlege- und Festmacheeinrichtungen oder die geplätzen. Darüber hinaus sind auch für Schiffe, die im Poller haben eine unbekannte bzw. unzureichende Halte- 24h-Betrieb fahren, Anlagen zum sicheren Wechsel der kraft. Auch sichere Landgangeinrichtungen und Pkw-Ab- Besatzung mit Landzugang und günstigen Verkehrsan- setzplätze sind nur selten vorhanden (Bild 1). Somit fehlt bindungen sowie der Möglichkeit, Pkws abzusetzen und den Schiffsbesatzungen die Möglichkeit zu Landgängen 2 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Bautechnik 91 (2014), Heft 5, S. 324-333 06_333_338_201400027_Melzer_Layout 1 24.04.14 07:56 Seite 334 J. Melzer, M. Dormann, J. Herbort: Planung und Bau von Liegestellen am Ober- und Mittelrhein Im Amtsbereich des Wasser- und Schifffahrtsamtes (WSA) Freiburg von Weil am Rhein an der Schweizer Grenze bis Au am Rhein bei Karlsruhe (Rh-km 170,0 bis 352,1) waren vor Beginn der Maßnahmen zur Verbesse- rung der Liegestellensituation 60 Liegeplätze vorhanden, im Bereich des WSA Mannheim von Au am Rhein bis zur Weisenauer Brücke bei Mainz (Rh-km 352,1 bis 493,5) 126 Liegeplätze und im Bereich des WSA Bingen von Mainz bis Bad Honnef (Rh-km 493,5 bis 639,2 (rechtes Ufer) bzw. Rh-km 642,2 (linkes Ufer)) 266 Liegeplätze. Allerdings wies der überwiegende Anteil der vorhande- nen Liegeplätze die bereits beschriebenen Nachteile hin- sichtlich Festmacheeinrichtungen sowie Landgang- und Autoversetzmöglichkeiten auf. So war auf der gesamten, ca. 470 km langen Strecke nur an fünf frei nutzbaren Lie- (grbr Ingenieure im Bauwesen GmbH & Co. KG) gestellen die Möglichkeit gegeben, einen PKW sicher zu Bild 1 Derzeitige Liegestelle Wiesbaden-Schierstein versetzen, wobei zwei Liegestellen Einschränkungen bei Current berth Wiesbaden-Schierstein den möglichen Schiffslängen aufwiesen und es sich bei zwei weiteren Standorten nicht um Liegestellen der WSV handelte, bei denen die Nutzung lediglich von Dritten ge- für Einkäufe oder für eine medizinische Versorgung in duldet wurde. Notfällen. Das früher übliche Übersetzen mittels Beiboot birgt erhöhte Gefahren und ist nicht mehr zeitgemäß, Neben vier neuen Anlagen am Oberrhein im Bereich der stellt aber vielfach die einzige Möglichkeit für die Besat- Wasser- und Schifffahrtsämter Freiburg und Mannheim zungen dar. wurde der größte Bedarf an neuen Liegestellen bzw. der Verbesserung der Situation an bereits vorhandenen Liege- Viele der vorhandenen Liegestellen erfordern ein Ankern möglichkeiten am Mittelrhein im Amtsbereich des WSA im Strom oder ein Stillliegen an den Uferböschungen. Bingen ermittelt. Hierbei handelt es sich insbesondere um Neben den beschriebenen Problemen hinsichtlich Land- den Rheingau von Mainz bis Bingen (Rh-km 500,0 bis gangmöglichkeiten birgt dies Gefahren sowohl für die ru- 529,0) und die Gebirgsstrecke zwischen Bingen und Ko- hende als auch für die durchgehende Schifffahrt. Insbe- blenz (Rh-km 529,0 bis 593,0). Neben der Gewährleis- sondere bei Niedrigwasserständen müssen die ankernden tung einer ausreichenden Anzahl an sicheren Liegemög- Schiffe immer näher an die Fahrrinne heranrücken, weil lichkeiten und Pkw-Absetzplätzen lag bei diesen unfall- die zur Verfügung stehende Wasserfläche verringert wird. trächtigen Rheinabschnitten auch ein besonderes Hierdurch steigt das Risiko von Havarien. Für tiefer abge- Augenmerk auf der Bereitstellung von zwei Liegestellen ladene Schiffe entfällt diese Möglichkeit des Stillliegens für die Havarieabwicklung ober- und unterhalb der Ge- bei entsprechend niedrigen Wasserständen komplett. birgsstrecke, an denen ein sicheres Liegen havarierter Aber auch höhere Wasserstände stellen bei unzureichen- Schiffe z. B. mit Maschinen- oder Ruderschaden und die den Festmachemöglichkeiten ein Problem dar, insbeson- Eindämmung evtl. Wasserverunreinigungen möglich ist dere am Mittelrhein im Bereich starker Strömung und sowie ein uneingeschränkter Zugang für Rettungs-, Ber- schlechten Ankergrunds. gungs- und Reparaturfahrzeuge besteht. Um die Bedingungen für den durchgehenden und ruhen- den Schiffsverkehr maßgeblich zu verbessern und die Si- 2 Planung und Bau von neuen Liegestellen cherheit und Leichtigkeit für die Schifffahrt auf dem 2.1 Standorte der Liegestellen Rhein auch in Zukunft zu gewährleisten, werden durch die für den Ober- und Mittelrhein zuständige Außenstelle Die Auswahl der Standorte wurde im Entwurf HU Nr. 16 Südwest der Generaldirektion Wasserstraßen und Schiff- [1] durch die Außenstelle Südwest der Generaldirektion fahrt (ehemalige Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd- Wasserstraßen und Schifffahrt und die drei beteiligten west) verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Wasser- und Schifffahrtsämter unter Zugrundelegung der Liegestellensituation durchgeführt. Kriterien nautische Eignung, Verkehrsanbindung, Lage zu Schutzgebieten und Grundeigentumsverhältnisse fest- gelegt. 1.2 Bedarf an neuen Liegemöglichkeiten Bei der Auswahl der Standorte wurden in der Regel Lö- Durch die Wasser- und Schifffahrtsämter Freiburg, Mann- sungen gefunden, die ein Liegen direkt am Strom mit si- heim und Bingen erfolgte eine Analyse des Bestandes an cheren Anlege- und Festmacheinrichtungen, einem Land- vorhandenen Liegeplätzen
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