Materialien & Medien Zum Globalen Lernen

Materialien & Medien Zum Globalen Lernen

JUNI 2006 Materialien & Medien zum Globalen Lernen ENTWICKLUNGSPOLITISCHE Ausgewählt für Unterricht und entwicklungspolitische Bildungsarbeit BILDUNGS- UND SCHULSTELLE WELTBILDER-MEDIENSTELLE Sport & Entwicklung Sport bewegt die Welt und ist fixer Bestandteil vieler Lebens- ■ bereiche. Längst ist er aus der Entwicklungszusammenarbeit nicht mehr weg zu denken: Immer mehr nationale und internationale Entwick- lungsorganisationen setzen heute in ihren lokalen, regionalen und globalen Programmen zusätzlich zu traditionellen Mitteln auf die Karte Sport. Auch die langjährige Partnerschaft von FIFA und SOS-Kinderdorf ■ erreicht dieses Jahre einen neuen Höhepunkt. Im Rahmen der gemeinsamen Benefizkampagne „6 Dörfer für 2006“ sollen bis zum Endspiel der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland Spenden gesammelt werden, um den Bau von sechs neuen SOS-Kinderdörfern in Brasilien, Mexiko, Nigeria, Südafrika, Vietnam und der Ukraine zu ermöglichen. In Vorbereitung auf die Fußballweltmeisterschaft 2006, sind im ■ letzten Jahr eine Reihe von Bildungsmaterialien zum Globalen Lernen erschienen, die wir Ihnen in diesem Heft vorstellen. Die große Auswahl zeigt, dass Sport für die Bildungsarbeit mehr Anknüpfungspunkte bietet, als nur die ihm üblicherweise zugeschriebene völkerverbindende oder friedens- stiftende Wirkung. Niedrige Sozialstandards in einer boomenden Sportarti- kelindustrie, Rassismus im Fußball, das Abwerben von SpitzensportlerInnen aus Ländern des Südens sind Varianten umstrittener Spielzüge in der Arena des globalisierten Sports, die man in der Bildungsarbeit kritisch beleuchten kann. Sport im Alltagsleben von Menschen aus verschiedenen Kulturen bietet aber auch Möglichkeiten sich über dieses Thema mit anderen Lebens- formen und -perspektiven auseinander zu setzen. Dass Sport auch eine wichtige Rolle in der Sozialarbeit mit benachteiligten Kindern und Jugend- lichen in Afrika, Asien und Lateinamerika spielt, zeigt sich in den verschie- denen Materialien dieses Heftes. Dieses breite Spektrum an Anknüpfungspunkten finden Sie auch beim Angebot von Links und Kampagnen. Dieses Heft ist in Kooperation mit FOTOS: PAUL HAHN, BEATRICE HEYDIRI, AB SABETHA, PATRICK WITTMANN HEYDIRI, AB SABETHA, PATRICK HAHN, BEATRICE FOTOS: PAUL SOS Kinderdorf entstanden. Entwicklung durch Sport Das neue Wundermittel für eine bessere Welt? Wie kein anderes mediales Ereignis verbindet die Fußball-Weltmeisterschaft über vier Wochen hindurch hunderte Millionen von Menschen zu einer globalen, virtuellen Community. Das Endspiel der WM 2006 (im Nachbarland) in Deutschland werden weltweit 1,4 Milliarden vorwiegend männliche TV- Zuschauer, davon über 2 Millionen ÖsterreicherInnen, live miterleben. VON KURT WACHTER m Jahr des globalen Megaevents Sport für Entwicklung zung und der hohen Kriminalität. Die Mehr- Ischeint sich (fast) alles um den Sport Nachdem die Rolle des Sports in der Ent- heit der Haushalte setzt sich aus allein zu drehen. KünstlerInnen, PolitikerInnen, wicklungspolitik bislang entweder gering erziehenden Mütter zusammen. Bei der ÖkonomInnen und sogar kritische Intellek- geschätzt oder schlichtweg ignoriert wur- Gründung der MYSA 1987 stand die Idee tuelle, die sich im Allgemeinen den de, hat dieser während der letzten Jahre im Vordergrund, den populären Fußball als kickenden Akteuren auf dem grünen Rasen einen beachtlichen Aufstieg erlebt. Die Mittel der sozialen Entwicklung einzuset- kulturell überlegen fühlen, widmen sich Vereinten Nationen haben das Jahr 2005 zen. Inzwischen ist die MYSA mit 14.000 immer öfter dem massenkompatiblen zum „Internationalen Jahr des Sports und Mitgliedern eine der größten Jugend- Phänomen. TheoretikerInnen sprechen der Sporterziehung“ erklärt. Ziel war es, organisationen in Afrika. Über 1.000 Mann- von Sport als der neuen kulturellen Leit- die Kraft des Sports für die Realisierung schaften, davon über 200 Mädchenteams, währung, die u.a. über das Trägermedium elementarer Werte und Zielsetzungen wie spielen in 100 eigenen Ligen für die Alters- Fernsehen maßgeblich Werte und Ein- Gerechtigkeit, soziale Kohäsion, Solidarität, gruppe 9 bis 18 Jahre. Neben dem Sport stellungen von Jugendlichen formt und Förderung von Kindern und Jugendlichen, bietet die MYSA auch ein Stipendien- und beeinflusst. Die Superstars des Sports sowie die Verbesserung von Gesundheit, Berufsbildungsprogramm an. sind weltweit funktionierende Rollenmo- Bildung und der wirtschaftlichen Entwick- Welche positive Mobilisierungskraft delle, sie verkörpern wie kaum eine andere lung zu nutzen. Sport haben kann, zeigt sich am Beispiel Berufsgruppe eine neoliberale Ideologie Im Zuge der weltweiten Mobilisierung für der Sportart Kricket. Bereits im ersten des Erfolgs und der Leistung. Vermarkt- das Aktionsjahr wurde der Sport nicht nur Monat nach der Tsunami-Katastrophe wur- bare Sportarten scheinen heute unweiger- als Träger einer entwicklungspolitischen Bot- den mit einem Benefizspiel in Melbourne lich mit Kommerzialisierung, Korruption, schaft wie dem Kampf gegen AIDS oder der 15 Millionen Dollar aufgebracht, mit denen Menschenrechtsverletzungen und Doping- Erreichung der Millenniumsziele, sondern in Sri Lanka 276.000 Menschen direkt Betrug verbunden zu sein. Aber wie jede auch in Ergänzung zu orthodoxen Metho- unterstützt, 65 Schulen wiederaufgebaut Popularkultur ist auch der Sport ambiva- den der Armutsbekämpfung in der Projekt- und über 100 Sportplätze errichtet werden lent. So bietet er durchaus ein Potential zur arbeit im Süden eingesetzt. konnten. Später gelang es ebenfalls über gesellschaftlichen Transformation und Ein Vorzeigeprojekt ist dabei die Kricket, die Beziehungen zwischen den Emanzipation und ist ein Instrument, um Matahara Youth Sport Association (MYSA) verfeindeten Atommächten Indien und die soziale Integration, Solidarität, in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Pakistan zu entspannen. So weilte etwa im Gesundheit und das friedliche Zusammen- Die über 500.000 EinwohnerInnen des April 2005 die pakistanische Kricket-Mann- leben unterschiedlicher Kulturen zu Armenviertel Matahare leiden besonders schaft auf Besuch in Indien und wurde fördern. an der gravierenden Umweltverschmut- dabei begeistert empfangen. Zum ersten FAIRPLAY-VIDC FOTOS: JUGEND EINE WELT, 2 MATERIALIEN & MEDIEN ZUM GLOBALEN LERNEN Mal nach Jahrzehnten verkehrten zu die- Symbol der Kampagne, ein schwarz-wei- gungen in den Nähzentren Asiens und Ost- sem Anlass auch wieder Busse zwischen ßes Armbändchen, wurde in der Folge europas, in denen vor allem Frauen arbei- den beiden Ländern. Die Atmosphäre in über 5 Millionen Mal verkauft. Die Einnah- ten, sind vielfach sehr schlecht: Niedrige den Stadien war nicht mehr vergiftet und men fließen in einen Fonds zur Unterstüt- Bezahlung steht an der Tagesordnung, Ver- es wurde gemeinsam angefeuert und zung von Projekten im Kampf gegen Ras- träge haben Seltenheitswert, Gewerkschaf- gefeiert. sismus im europäischen Fußball. ten sind oft verboten. In den letzten Jahren Aber auch abseits des Spielfeldes wer- sahen sich zwar viele Firmen aufgrund öf- Ein Blick auf die Schattenseiten den die Schattenseiten des globalen Busi- fentlicher Proteste der VerbraucherInnen Bei aller Begeisterung für das neu ent- ness „Sport“ sichtbar. Firmen wie Nike, Adi- gezwungen, Sozialstandards auch für die deckte Wundermittel Sport im Kampf für das oder Puma sind nicht nur unter Ju- Zulieferbetriebe einzuführen, doch deren eine bessere Welt müssen auch die Gren- gendlichen bekannt und nicht wenige le- Kontrollen bleiben schwierig. zen aufgezeigt werden. Sport per se ist gen Wert darauf, Sportbekleidung dieser nicht gesund, friedlich oder anti-diskrimi- Labels zu tragen. Alleine im Jahr 2002 soll Perspektiven nierend, sondern besitzt lediglich positive mit Sportartikeln ein Umsatz von nahezu Der uruguayische Schriftsteller Eduardo Potenziale, die es zu entwickeln gilt. sechzig Milliarden US-Dollar gemacht wor- Galeano erteilt uns den Rat: „Um zu verste- Eine Studie in Deutschland hat gezeigt, den sein. Und die Sportartikelindustrie hen wie die Welt funktioniert, ist es sicher- dass Jugendliche, die in Sportvereinen or- boomt weiter. Im Kampf um die Gunst der lich nicht schlecht, sich in die Fußballwelt ganisiert sind, mehr Alkohol konsumieren KundInnen statten die Unternehmen die zu vertiefen.“ Sport begreift Galeano nicht als ihre nicht sporttreibenden Altersgenos- sportlichen Idole mit einträglichen Werbe- nur als bloßen Spiegel gesellschaftlicher sen – Sport als Einstiegsdroge sozusagen. verträgen aus. Gleichzeitig zeigen Untersu- Entwicklungen, sondern vielmehr selbst als Auch ist die Einnahme illegaler leistungs- chungen und Berichte von Nichtregie- zentralen gesellschaftlichen Akteur. Eine fördernder Substanzen nicht mehr nur ein rungsorganisationen (NGOs) aber, dass genauere Auseinandersetzung mit Sport im Problem des klassischen Spitzensports, der Weltmarkt der Sportbekleidung durch- Rahmen des Globalen Lernens verspricht Doping hat längst auch den Behinderten- aus problematisch ist. Die Arbeitsbedin- besonders nahe zu liegen. Viele Jugend- sport erfasst, wenn auch die ExpertInnen liche sind selbst sportlich aktiv und fast alle öffentlich darüber schweigen. besitzen aufgrund ihres Medienkonsumver- Im hochbezahlten Ligaalltag in Spanien haltens ein exzessives Trivialwissen über oder Italien ist die Herabwürdigung von das Universum des Sports. Besonders am schwarzen Spielern ein ständiger Begleiter. Beispiel des weltweit verbreiteten Fußballs Und es sind nicht nur die Fans auf den lassen sich im Unterricht oder in der Pro- Rängen die mit „Uh, Uh,

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