I Industriekultur Im Kanton Bern Die Geschichte Der Letzten Zwei Jahrhunderte in Der Schweiz Ist Im Wesentlichen Auch Technik

I Industriekultur Im Kanton Bern Die Geschichte Der Letzten Zwei Jahrhunderte in Der Schweiz Ist Im Wesentlichen Auch Technik

4 I Jahresbericht 2006 Berner Heimatschutz I Rapport annuel 2006 Patrimoine bernois I Industriekultur im Kanton Bern Die Geschichte der letzten zwei Jahrhunderte in der Schweiz ist im Wesentlichen auch Technik- und Industriegeschichte; Industriekul- tur ist ein Teil unserer Identität. Für die Aufarbeitung der industri- ellen Vergangenheit dagegen fehlt die breite Unterstützung; sie wird weitgehend Privaten überlassen, der Schweizerischen Gesellschaft Dampfzentrale in Bern für Technikgeschichte und Indus- Foto: D. Wolf, Bern Centrale à vapeur, Berne triekultur sowie vor allem dem Ar- Photo: D. Wolf, Berne chitekten und Wirtschaftshistoriker Hans-Peter Bärtschi. Sein neuestes Werk ist die Inventarisierung der 19 Prozent der Fläche von Flüssen, I De-Industrialisierung: vom industriellen Kulturgüter im Kan- Seen, Eis, Fels und Geröll bedeckt. Werkplatz zum Finanzplatz ton Bern, wie sie nun in Buchform Dennoch leben im Kanton Bern nur Wenn die Schweiz also längst kein vorliegt und im Internet einsehbar noch rund 8 Prozent der Bevölke- Landwirtschaftsland mehr ist, auch ist. Der Schweizer Heimatschutz rung von der Alp- und Landwirt- nicht extrem dicht besiedelt und und der Berner Heimatschutz ha- schaft. Die Schweiz gehört zu den sogar reich an Rohstoffen – was ben sich mit namhaften Beiträgen wenigen Ländern, in denen die prägt dieses Land denn sonst daran beteiligt. Landwirtschaft gesamtwirtschaft- ausser das über sie verbreitete lich eine so geringe Rolle spielt. Nur «Image»? Sicher ist die Schweiz I Industriekultur im Kanton Bern 1,3 Prozent der Bevölkerung leben auch keine Industrienation mehr. – ein Pilotprojekt von der Bergwirtschaft, knapp dop- Nach 1945 wuchs die Schweiz, Hat der Kanton Bern, hat über- pelt so viele als hoch mechanisierte die Gunst der Kriegszerstörungen haupt die Schweiz noch etwas mit Talbauern und Waldbewirtschafter. in allen anderen Industrienatio- Industrie zu tun? Pflegt man nicht nen ausser den USA nutzend, zur im Kanton Bern ebenso wie in Die offizielle Schweiz verteidigt das zweitwichtigsten Nation für den anderen Fremdenverkehrsregionen Image, ein dicht besiedeltes Land Export von Industriegütern. Mit fast ausschliesslich das Bild vom ohne nennenswerte Rohstoffquel- 54 Prozent der Beschäftigten im touristisch attraktiven Alpenland? len zu sein. Dicht besiedelt – und sekundären Wirtschaftssektor über- Die Werbung mit Kühen auf satten zersiedelt – ist das Land zwar flügelte sie 1966 sogar Grossbri- Weiden, prächtigen Bauernhäusern inzwischen, aber punkto Einwohner tannien im Industrialisierungsgrad. oder Alphorn blasenden Sennen pro Quadratkilometer kommt die «Schweizerisch» wurde weltweit lassen auf eine bodenständige, Schweiz lange hinter Bangladesh, zum Inbegriff von Qualität, mit der stark landwirtschaftlich geprägte Grossbritannien, den Niederlanden, zielsicheren Armbrust als zertifi- Schweiz schliessen. Tatsächlich wer- Belgien, Indien, sogar nach West- ziertem Qualitätszeichen: Nicht nur den im Kanton Bern 40 Prozent des deutschland und Italien. Und einige Schweizer Käse, Schweizer Schoko- Bodens beackert, beweidet oder der wichtigsten Rohstoffe sind hier lade, Swiss Watches, schweizerisch für Obst- und Rebbau genutzt, reichlich vorhanden: Wasser und nannten sich auch Konzerne mit 6 Prozent mehr als im schweize- Wasserkräfte. Auch ist die Schweiz Zehntausenden von Beschäftigten, rischen Durchschnitt. Der Waldan- «steinreich» und deswegen unter wie die Schweizerische Industrie- teil von 31 Prozent liegt im Mittel, anderem das Land mit dem höch- gesellschaft, die Schweizerische und trotz der Hochalpen sind nur sten Betonverbrauch pro Kopf. Lokomotivfabrik, die Schweize- 5 I Die Farbenfabrik Burgdorf gehörte ab 1835 zu den ersten Farblaboratorien der Schweiz Foto: H.P. Bärtschi 2005 La fabrique de couleurs de Burgdorf devint à partir de 1835 un des premiers laboratoires suisses de couleurs Photo: H.P. Bärtschi 2005 damit auch ihre grossindustrielle I ISIS – SGTI und Heimatschutz Kultur, in deren Tradition Unterneh- als Träger und Partner, Rea- men privat Lehrkräfte und Techni- lisierung durch Arias ker ausbildeten, in deren Tradition Die Informationsplattform für sie Pensionskassen, Krankenkassen, schützenswerte Industriekultur- Kinderkrippen, Kantinen oder güter der Schweiz ISIS entstand Kegelklubs führten. Das alles ist im als Projekt der Schweizerischen Zuge der Deregulierung dem Staat Gesellschaft für Technikgeschichte als Aufgabe überbunden worden, und Industriekultur SGTI. Auslöser der zudem sparen und die Vermö- waren Totalabbruchpläne für das gen milder besteuern soll. Sulzer-Areal im Jahre 1989. Auch der Schweizer Heimatschutz betei- I Beginn der Industriekultur- ligte sich massgeblich am Projekt. güter-Erfassung Dem Büro ARIAS-Industriekultur in rische Waggonfabrik, Alusuisse Die aktuelle Erfassung von Indus- Winterthur wurde die Realisierung oder Swissair. triekulturgütern erfolgte spät, erst übertragen. Als Firmeninhaber war in der Endphase der De-Industria- Hans-Peter Bärtschi für die Mittel- Die Kultur dieser Heimat, oder min- lisierung. Das ist auf den Mangel beschaffung sowie für die techni- destens die Basis davon, war die an öffentlicher Unterstützung für sche Umsetzung verantwortlich. Industrie. In den drei vergangenen dieses Anliegen zurückzuführen. Es gelang ihm, in vierjähriger Jahrzehnten wurden über 60 Pro- Bereits 1991 stellte man mit einer Arbeit 90 Prozent der notwendigen zent der industriellen Arbeitsplätze Umfrage bei allen Kantonen und finanziellen Mittel aus privaten und abgebaut; im sekundären Sektor Gemeinden der Schweiz fest, gemein- sind heute nur noch 23,6 Prozent dass die materiellen Zeugen der nützigen Beiträgen zu sammeln. der Erwerbstätigen beschäftigt. Produktion und des Transports nur Häufig wird die Globalisierung als lückenhaft oder in gewissen Be- I Welche Objekte erfasst ISIS Ursache dieses Wandels gesehen: reichen gar nicht erfasst sind. In der und wie? Weil sich die Werkplätze Richtung Folge begannen einzelne Kantone ISIS ist eine Informationsplattform, Osten verschieben, in Länder mit und Städte diese Kulturgüter zu ein Inventar, das eine systema- sehr schlechten Arbeitsbedin- dokumentieren und Massnahmen tische Übersicht über interessante gungen, lohne sich die Produktion gegen deren Zerstörung zu ergrei- Zeugen der industriellen Vergan- in der Schweiz nicht mehr. Dabei fen. Auf Bundesebene geschah genheit bietet. Erfasst werden: wird der schwerwiegende Wandel nichts dergleichen, wogegen bei- Zeugen der Produktion: vom Werkplatz Schweiz zum Fi- spielsweise in Deutschland bereits - Maschinen (Turbinen, Arbeits- nanzplatz Schweiz übersehen. Wo in den 1980er-Jahren Kriterien maschinen, Kraftübertragungen früher Unternehmer Gewinne er- für die Bestandesaufnahme und usw.) zielten, indem sie langfristig eigene Wertung von industriekulturellen - Bauten und ihre Umgebung Produkte entwickelten, mit ihnen Gütern erarbeitet wurden. Diese (Fabriken, Kanäle, Stauseen usw.) Märkte eroberten und Fabriken schrieb Hans-Peter Bärtschi in den Zeugen des Transportes: aufbauten, erzielen heute Finan- 1990er-Jahren für schweizerische - Verkehrsanlagen (Häfen, ciers, meist anonym, kurzfristig Verhältnisse um und schuf vier Be- Strassen, Bahnlinien usw.) Gewinne. Mit der Entwicklung zu wertungskriterien zum Schutz von - Verkehrsmittel (Dampfschiffe, ungeheuren Dimensionen verwal- industriellem Kulturgut: historischer Lastwagen, Lokomotiven usw.) teter Guthaben hat die Schweiz Wert, Seltenheitswert, Erhaltungs- Sammlungen und Dokumente: ihre industrielle Basis verloren und zustand und Gefährdungswert. - Sammlungen (Fahrzeuge, Geräte 6 I Jahresbericht 2006 Berner Heimatschutz I Rapport annuel 2006 Patrimoine bernois Der alte Bahnhof Frutigen war nur 12 Jahre in Betrieb. Für die Vollendung der Lötschberg- bahn entstand 1913 der neue Bahnhof Foto: H.P. Bärtschi 2005 L’ancienne gare de Frutigen fut exploitée pendant 12 années seulement. La nouvelle gare fut construite en 1913 dans le cadre de la réalisation finale du chemin de fer du Lötschberg Photo: H.P. Bärtschi 2005 usw.) bereits ab dem 18. Jahrhundert mit oder Tramelan zu Orten mit über- - Archive (Maschinenpläne, Bau- Flusskorrektionen entgegentrat: wiegendem Arbeitsplatzanteil in pläne, Schriftdokumente usw.) Die Flüsse Kander (1714), Aare der Metallverarbeitung entwickelt. Möglichst sämtliche industriekul- samt Juragewässern (1841/1891) Andere Kleinstädte mit industrieller turellen Zeugen werden erfasst. und Birs (1875) wurden sehr Dominanz über lange Zeit sind Je mehr historische Substanz von aufwendig in für den Menschen Langenthal (Porzellan- und Maschi- einem Objekt an Ort und Stelle ungefährlichere Bahnen gebracht. nenindustrie), Burgdorf (Maschi- vorhanden ist, desto wertvoller Die reichen Wasserkräfte wurden nen- und Textilindustrie) und Thun ist ein Ensemble und desto eher vor allem in der 1. Hälfte des (Metall- und Rüstungsindustrie). findet es Aufnahme im Inventar. 20. Jahrhunderts für den Bau von Ist jedoch beispielsweise von der Grosskraftwerken an der Aare und Im ganzen Kantonsgebiet finden produktiven Substanz nur noch an der Kander (BKW ab 1909) und sich Industriemühlen. Im Emmental die Gebäudehülle erhalten, so fällt im Oberaargebiet (1925–1990) liegt ein Wirtschaftsschwerpunkt in es aus der Wertung heraus. In die genutzt. der holzverarbeitenden Industrie. Datenbank aufgenommen werden Im Bereiche des Bergbaus und der letztlich nur Objekte von regionaler Im Bahn- und Strassenbau wirkte Industrie der Steine und Erden und nationaler Bedeutung. Objekte die in der Schweiz zentral gelegene wurden nach

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