018-04-2017-Lay-BFB-3.ATK_04-17-BFB 03.11.17 16:41 Seite 265 FORUM BIBLIOTHEKSPORTRÄT Fürst Thurn und Taxis Hofbibliothek Seit 230 Jahren der Öffentlichkeit zugänglich Von Peter Styra Seckendorff charakteri- ren öffentlich zugänglich siert in seinem großen SO DIENET ZU FÜRSTLICHER ist. Träger ist Fürst Albert Werk fürstliches Vorbild- ERGETZUNG, SO WOHL AUCH ZU von Thurn und Taxis, er verhalten, was am Hof der unterhält sie, lässt sie Fürsten von Thurn und Ta- GROSSEM NUTZ, EINE FÜRSTLICHE durch Buchankäufe erwei- xis in Bezug auf die Biblio- BIBLIOTHEC ODER BÜCHER- tern und wissenschaftlich thek wohl auf offene Oh- führen. Besondere Förde- ren gestoßen sein muss. VORRATH IN ALLEN FACULTÄTEN, rung kommt hierbei dem War es im 18. Jahrhundert ALTE SCHRIFTEN, GEMÄHLDE, wissenschaftlichen Nach- im Adel en vogue, Biblio- wuchs unter Historikern theken für den eigenen MÜNTZEN UND DERGLEICHEN... und Kunsthistorikern zu, Hof einzurichten und zu VEIT LUDWIG VON SECKENDORFF IN SEINEM doch dazu später. unterhalten, so war es kei- „TEUTSCHEN FÜRSTENSTAAT“ VON 1656 neswegs gängig, diese auch für die Allgemeinheit öffentlich zugänglich zu ma- Gründung und Ausbau für Reichstag chen. Das Einrichten von Bibliotheken war ein repräsenta- und Öffentlichkeit tives Renommierprojekt des Hochadels, sodass zahlreiche von ihnen über Deutschland verstreut waren – man denke Ein Blick zurück: In Regensburg, am Hof des Fürsten von nur an die bekanntesten – wie die Wolfenbütteler Herzog Thurn und Taxis, entwickelte sich aus der Privatbibliothek August Bibliothek oder die Bibliothek des Fürsten Fürsten- des 1773 verstorbenen Fürsten Alexander Ferdinand die berg. Die meisten davon sind nicht mehr erhalten, wurden Hofbibliothek. Das erste, 1771 vom Hofkavalier Graf Wallis veräußert oder staatlichen Bibliotheken eingegliedert. Die angelegte Bücherverzeichnis weist einen bescheidenen Fürst Thurn und Taxis Hofbibliothek in Regensburg hat Buchbestand von 2.330 Werken auf. Die Notwendigkeit, sich erhalten, weiterentwickelt und ist bis heute für die Öf- eine derartige Einrichtung zu schaffen, ergab sich aus dem fentlichkeit offen. Kann sie auch nicht zu den ältesten ih- Amt des kaiserlichen Prinzipalkommissars, das Fürst Ale- rer Art gezählt werden, so reiht sie sich doch nicht minder xander Ferdinand 1748 vom Kaiser übertragen worden in die Zahl jener Sammlungen, die im Jahrhundert der Auf- war. Dieses ehrenvolle und vor allem kostspielige Amt hat- klärung und Akademiebewegung gegründet und ausge- ten nach Fürst Alexander Ferdinand auch sein Sohn Carl baut wurden. Anselm und sein Enkel Karl Alexander bis zum Ende des Al- ten Reiches 1806 inne. Zu den Aufgaben, die der Fürst als kaiserlicher Repräsentant am Immerwährenden Reichstag Enge Zusammenarbeit mit der BSB wahrzunehmen hatte, gehörten neben den politischen Re- präsentationspflichten auch Geselligkeitsveranstaltungen Fachlich ist sie heute mit der Bayerischen Staatsbiblio- für die Reichstagsgesandten, die aus allen Ländern thek und der Staatlichen Bibliothek Regensburg eng ver- Europas nach Regensburg kamen. Das Haus Thurn und Ta- bunden, und es besteht beste Zusammenarbeit. Die Gene- xis war auf Wunsch des Kaisers zur Ausübung des Prinzi- raldirektion der Bayerischen Staatsbibliothek fungiert seit palkommissariats eigens mit dem gesamten Hof sowie der 1943 fideikommissrechtlich als Fachaufsichtsbehörde. Die Postverwaltung von Frankfurt a.M. nach Regensburg enge Zusammenarbeit mit dem Staat manifestiert sich übersiedelt. Und das, obwohl das neue, von Robert de auch in der steten Unterstützung bei Neuverzeichnung so- Cotte geplante Frankfurter Palais gerade erst zwanzig Jah- wie Verzeichnung der Altbestände durch die Universitäts- re bezogen war. bibliothek Regensburg. Um dem einerseits literarischen Unterhaltungsbedürfnis Doch ist die Fürst Thurn und Taxis Hofbibliothek eine pri- und andererseits dem fachlichen und wissenschaftlichen vate Sammlung geblieben, mit ihren 240.000 Bänden eine Anspruch für die Reichstagsarbeit der zumeist adeligen der größten Privatbibliotheken überhaupt und zwischen- Gesandten des Reichstages gerecht zu werden, wurde die zeitlich wohl die letzte adelige Bibliothek, die seit 230 Jah- Hofbibliothek nun planmäßig ausgebaut. 1782 wurde sie BIBLIOTHEKSFORUM BAYERN 11 | 2017 018-04-2017-Lay-BFB-3.ATK_04-17-BFB 03.11.17 16:41 Seite 266 FORUM BIBLIOTHEKENBIBLIOTHEKSPORTRÄT IN BAYERN erstmals den Gesandten zugänglich gemacht. Sie fanden ten und Bücherkenner zur Seite, die mit viel Sachverstand hier Literatur aus allen für die Reichstagsarbeit notwendi- den Ausbau der fürstlichen Büchersammlung betrieben. gen Fachrichtungen wie Kameralistik, Jurisprudenz, Medi- Zu Bibliotheksdirektoren wurden in diesen wichtigen An- zin und Kartenwerke, aber auch Theologie, Reisebeschrei- fangsjahren mit den Geheimen Räten Franz Ludwig Frei- bungen und Belletristik. herr von Vrints-Berberich und Alexander Graf von Wester- holt nacheinander zwei Schwergewichte der fürstlichen Fünf Jahre später, 1787, wurde die Hofbibliothek Verwaltung bestellt. Ersterer fungierte „hauptberuflich“ als schließlich auf Anordnung des Fürsten Carl Anselm auch Oberpostdirektor in Frankfurt, letzterer als Chef der fürst- für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich gemacht. lichen Gesamtverwaltung. Und doch verweist der um- Ein fürstliches Reskript legte die öffentlichen Besuchszei- fangreiche Schriftwechsel zwischen der Bibliothek und ten auf die Tage Montag, Mittwoch und Freitag von 9.00 den Leitern auf äußerst zielgerichtete und erfolgreiche bis 12.00 Uhr und 14.00 bis 17.00 Uhr fest. Aus diesen Jah- Aufbauarbeit in diesen frühen Jahren. In seinem Werk ren haben sich die Besucherbücher erhalten, in die sich – „Versuch einer Beschreibung sehenswürdiger Bibliotheken übrigens bis heute – jeder Benutzer einträgt. Für die all- Teutschlands“ von 1788 räumt F. K. G. Hirsching der noch täglichen Arbeiten standen in Franz Wilhelm Rothammer jungen Hofbibliothek immerhin 46 Seiten ein. und Albrecht Christoph Kayser hintereinander zwei Litera- Die Bibliothek erhielt anfangs einen jährlichen Bücher- Buchkatalog der etat von 500 Gulden, der sich in den darauffolgenden Jah- Privatbibliothek des Fürsten ren kontinuierlich steigerte. Die Bestandsmehrung erfolg- Alexander Ferdinand von te neben dem Erwerb von Neuerscheinungen aus verschie- Thurn und Taxis von 1771 denen öffentlichen Ausrufen und dem Ankauf von teils vollständigen Privatbibliotheken. So wurde die rechtshis- torische, 4.212 Bände umfassende Bibliothek des Ingol- städter Professors Johann Adam Freiherrn von Ickstatt für 6.000 Gulden erworben. Damit versuchte die fürstliche Bi- bliothek, den Gesandten das nötige juristische Instrumen- tarium zur politischen Betätigung an die Hand zu geben. Aber nicht nur juristische, medizinische und schöngeistige Literatur, sondern auch Spezialwerke wie die Theatralbi- bliothek des Freiherrn von Hartenfels wurden angekauft, diese in erster Linie für das am fürstlichen Hof eingerich- tete Deutsche Theater. Bis zur Verstaatlichung der Post in weiten Teilen Deutschlands nach 1806 nutzten die Biblio- theksdirektoren dieses perfekte Verteilungsnetz, um von 89 politischen und gelehrten Zeitungen, die über die Post- stationen der thurn und taxisschen Reichspost transpor- tiert wurden, je ein Belegexemplar zu erhalten. Einen ebenfalls interessanten Bestand bildet die 1788 um 500 Gulden erworbene sogenannte „Sammlung Häberlin“. Die- se von den Erben des Halberstädter Geschichtsprofessors Franz Dominik Häberlin (1720-1787) zum Verkauf ange- botene Materialsammlung enthält ca. 1.900 zeitgenössi- sche Flugschriften (Abhandlungen, Druckschriften, Flug- blätter, Zeitungen) aus der Zeit des Dreißigjährigen Krie- ges. 266 | 267 018-04-2017-Lay-BFB-3.ATK_04-17-BFB 03.11.17 16:41 Seite 267 auch die Hofbibliothek. Der Umzug und die allgemein ernste wirt- Besucherbuch schaftliche Lage des Hauses am Ende des Alten Reiches der Hofbibliothek von 1789 brachten es mit sich, dass es zu Verlusten in den Buchbe- ständen und zu Unordnung in der Aufstellungssystematik kam. Allerdings erfolgten in diesen Jahren große und be- deutende Bucherwerbungen aus den 1803 durch den Reichsdeputationshauptschluss dem fürstlichen Haus als Säkularisationsgüter überlassenen Stiften Marchtal, Ne- resheim und Buchau sowie den Klöstern Ennetach und Sießen. Mit Erhalt dieser Abteien kamen im Lauf des 19. Jahrhunderts auch deren Archive und Bibliotheken in Tei- len nach Regensburg. In diesen ehemaligen Klosterbestän- den finden sich 1.300 Inkunabeln sowie wertvolle Hand- Zur Vereinfachung der Katalogisierung erstellte der Bi- schriften wie Eninkels Weltchronik, französische Stunden- bliotheksdirektor Alexander Graf Westerholt einen Biblio- bücher des 15. oder arabische Hand- theksplan, der eine gezielte Unterteilung schriften des 16. Jahrhunderts. 1913 der Bestände in die Hauptgrup- gelangte auch die Privatbibliothek der pen Mathematik, Die vier Fakultä- Fürstin Therese († 1839), die auf ten (Theologie, Philosophie, Schloss Taxis, dem schwäbischen Rechtsgelehrsamkeit und Medizin), Sommersitz der Familie, unterge- Buchstempel für Bücher Geschichte, Staatswissenschaften, bracht war, mit ihren 1.840 Titeln aus der fürdtlichen Familie Philologie, schöne Wissenschaften, vorwiegend französischer und italie- (um 1930) Künste und Handwerk, Miszellaneen nischer Literatur in die Hofbiblio- sowie zahlreiche Untergruppen vor- thek. sah. Trotz strenger Einsparungen in den ersten Jahrzehnten Mit einem am Ende des 18. Jahrhunderts bereits auf des 19. Jahrhunderts konnte die Bibliothek mit den ihr zu- über
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