Strauss, Richard Richard Strauss Seine Kindheit und Jugend verlebte Richard Strauss in München, worauf Kapellmeisterengagements ihn 1885 * 11. Juni 1864 in München, Deutschland nach Meiningen, 1886 zurück nach München und 1889 † 8. September 1949 in Garmisch, Deutschland nach Weimar führten. Nach einer abermaligen Anstel- lung an der Münchner Hofoper von 1894 bis 1898 ging Komponist, Dirigent, Opernleiter, Kulturpolitiker er 1898 als Hofkapellmeister nach Berlin und übernahm 1918 zusammen mit Franz Schalk die Leitung der Wiener »Wahre Kunst adelt jeden Saal und anständiger Gelder- Hofoper bis 1924. Seit 1908 besaß er eine Villa in Garmi- werb für Frau und Kinder schändet nicht – einmal einen sch, ab 1925 eine in Wien. Nach dem Ende des Zweiten Künstler.« Weltkriegs lebte Strauss in der Schweiz, bis er kurz vor seinem Tod 1949 nach Garmisch zurückkehrte. Eine um- Richard Strauss 1908 in Entgegnung auf Vorwürfe, dass fangreiche Reisetätigkeit als Dirigent hatte ihn von jun- er 1904 zwei Konzerte in dem New Yorker Wanamaker- gen Jahren an bis ins hohe Alter in zahlreiche Orte des Kaufhaus dirigiert hatte, zitiert nach Walter Werbeck: In- und Auslandes geführt. Einleitung, in: Werbeck 2014, S. 9. Biografie Profil Richard Strauss wurde 1864 in München als Sohn des Richard Strauss war einer der erfolgreichsten und zug- Ersten Hornisten der Münchner Hofoper Franz Strauss leich umstrittensten Musiker seiner Zeit. Als Komponist und seiner Frau Josepha Pschorr, einer Tochter des Brau- arbeitete er hauptsächlich in den Gattungen Oper, Sinfo- ereibesitzers Georg Pschorr d. Ä. geboren. Mit vier Jah- nische Dichtung und Lied. Im Zentrum seiner musikali- ren erhielt er ersten Klavierunterricht bei dem Harfenis- schen Ästhetik stand das Ziel, in Tönen plastisch und ten August Tombo, mit acht Jahren Geigenunterricht bei konkret menschliche Konflikte auszudrücken und indivi- Benno Walter, der Konzertmeister der Münchner Hof- duelle Charaktere zu schildern. Gerade auch in der diffe- oper war. Durch seinen Vater und seine Lehrer eng mit renzierten Darstellung weiblicher und männlicher Sub- dieser Institution verbunden, konnte er von früher Kind- jekte leistete er einen bedeutsamen Beitrag zu einer kom- heit an durch vielfache Opern- und Konzertbesuche in ponierten Geschlechtergeschichte, wobei insbesondere die Welt professioneller Musikinstitutionen hineinwach- das weite Spektrum seiner Frauengestalten die überkom- sen und begann früh – mit sechs Jahren – zu komponie- menen Normen einer verengenden Geschlechterpolarisie- ren. Ab 1875 bekam er Kompositionsunterricht bei dem rung sprengt. So bietet sein Schaffen für die Interpretati- Hofkapellmeister Friedrich Wilhelm Meyer und setzte on von Geschlechterbildern vor allem im Bereich von seine Klavierausbildung bei Carl Niest fort. Enge Jugend- Oper und Programmsinfonik überaus reichen Stoff. freundschaften zu anderen späteren Musikern oder Mu- Bedingt durch sein vielfältiges und jahrzehntelanges Wir- sikschriftstellern (Arthur Seidl, Friedrich Rösch, Max Ste- ken als Komponist, Dirigent und Kulturpolitiker war er initzer, Ludwig Thuille) lassen erahnen, wie intensiv ge- mit einer großen Anzahl von Zeitgenossen in Kontakt teilte musikalische Erfahrungen für die Sozialisation des und korrespondierte intensiv. Die wichtigsten berufli- heranwachsenden Richard Strauss gewirkt haben müs- chen Beziehungen zu Frauen unterhielt er mit Sängerin- sen. 1881 publizierte er erste Kompositionen bei Breit- nen; in den ersten Jahren seiner Karriere war er sehr kopf & Härtel sowie im Verlag Joseph Aibl, nachdem er stark durch den persönlichen und brieflichen Austausch bis dahin schon diverse Stücke verschiedenster Gattun- mit Cosima Wagner geprägt, die seinen geradezu fanati- gen geschrieben hatte: Kammer- und Klaviermusik, Lie- schen Einsatz für das Werk Richard Wagners und eine der und Orchesterstücke, darunter seine erste Sinfonie d- dessen Intentionen entsprechende Aufführungskultur un- Moll. Nach dem Abitur 1882 begann er zunächst ein Stu- terstützte und lenkte. Für einen Mann und Künstler sei- dium der Ästhetik, Philosophie und Kulturgeschichte an ner Generation war Strauss außerordentlich familienbe- der Universität München, das er jedoch nach zwei Semes- wusst, was ihm Unverständnis und Kritik eintrug, weil es tern abbrach. quer zum Rollenbild des einsamen, sich in Schaffenskri- Nachdem Strauss auf Einladung Hans von Bülows 1884 sen quälenden Künstlers stand. in Meiningen erstmals als Dirigent in Erscheinung getre- ten war und ein eigenes Werk leitete, wurde er 1885 als Orte und Länder Herzoglicher Musikdirektor dorthin berufen; 1886 ging – 1 – Strauss, Richard er als dritter Kapellmeister an die Münchner Hofoper. Hofmannsthals Tod 1929 beendete eine rund zwanzigjäh- Ein Jahr darauf lernte er seine spätere Frau Pauline de rige Zeit produktiver, wenn auch nicht immer spannungs- Ahna (1863–1950) kennen, die eine Sängerinnenlauf- freier künstlerischer Zusammenarbeit an einer Gattung, bahn anstrebte, seine Schülerin wurde und mit ihm die für Strauss zur einzigen noch historisch und ästheti- Opernpartien einstudierte, u. a. Agathe („Freischütz“), El- sch relevanten Kunstform avanciert war, der Oper. sa („Lohengrin“) und Gretchen („Faust“). Er unterstützte Strauss war glücklich, mit Stefan Zweig noch einmal ei- sie künstlerisch, strategisch und organisatorisch bei ih- nen Dichter von Rang als Librettisten gewonnen zu ha- rem Weg auf die Bühne und begleitete sie bei Liederaben- ben, doch scheiterte eine dauerhafte Zusammenarbeit an den. Mit seiner Position in München unzufrieden, trat er der Machtergreifung Adolf Hitlers und Strauss᾽ politi- 1889 sein Amt als Großherzoglicher Kapellmeister in scher Haltung, denn er arrangierte sich mit dem national- Weimar an; außerdem wirkte er als musikalischer Assis- sozialistischen Regime. Ohne überzeugter Antisemit zu tent bei den Bayreuther Festspielen mit. Die Aufnahme sein, stellte er sich nicht dagegen, dass (auch ihm nahe- in die „Musikalische Sektion“ und den Gesamtvorstand stehende) jüdische Künstler aus ihren Ämtern gejagt wur- des Allgemeinen Deutschen Musikvereins markierte den und übernahm etwa Dirigate von Kollegen, die unter 1890 den Beginn seiner kulturpolitischen Aktivitäten, den neuen Machthabern nicht mehr auftreten konnten die in verschiedensten Ämtern bis ins hohe Alter seine (Bruno Walter bei den Berliner Philharmonikern) oder künstlerische Tätigkeit begleiteten. In die späten 1880er wollten (Arturo Toscanini in Bayreuth). 1933 gehörte er Jahre fielen auch die ersten Werke in der Reihe der Ton- zu den Unterzeichnern des „Protests der Richard-Wag- dichtungen, die seinen Nimbus als Protagonist der musi- ner-Stadt München“ gegen Thomas Mann. Am 15. No- kalischen Moderne begründen sollten: „Macbeth“, „Tod vember 1933 wurde er zum Präsidenten der Reichsmusik- und Verklärung“ sowie „Don Juan“. 1894 kehrte er als kammer ernannt, da er mit der diktatorischen Herr- Kapellmeister nach München zurück, heiratete Pauline schaft des Wagnerianers Hitler „gute Hoffnung für die de Ahna und übernahm für eine Saison die Philharmoni- Zukunft der deutschen Kunst“ verband und führenden schen Konzerte in Berlin. 1897 wurde das einzige Kind, Nazi-Funktionären seine kulturpolitischen Vorstellun- der Sohn Franz Alexander geboren. gen vermittelt hatte. Zugleich hatte er mit Zweig erste Ar- 1898 wurde er zum Hofkapellmeister an die Berliner beiten an dem Opernprojekt „Friedenstag“ begonnen, Oper berufen und begann in der in Abgrenzung zum doch dieser verweigerte die Zusammenarbeit und emp- ADMV gegründeten Genossenschaft Deutscher Kompo- fahl Strauss stattdessen Joseph Gregor. Die mit Zweig nisten die Reform des Urheberrechtes weiter voranzutrei- vollendete Buffo-Oper „Die schweigsame Frau“ wurde im ben. Eine rege Konzerttätigkeit im In- und Ausland paar- Sommer 1935 insgesamt dreimal aufgeführt; gegen sei- te sich mit einer kompositorischen Produktivität, der u. nen Willen wurde Strauss zum Rücktritt als Reichsmusik- a. die einaktigen Literaturopern „Salome“ und „Elektra“ kammer-Präsident gezwungen. Er komponierte und diri- zu verdanken waren. Mit letzterer begann die langjährige gierte weiter; zunächst mit Gregor, dann hauptsächlich Kooperation mit dem Dichter Hugo von Hofmannsthal, mit dem Dirigenten Clemens Krauss als Textdichter voll- die 1911 mit dem „Rosenkavalier“ einen später nie wie- endete er seine letzte Oper „Capriccio“, die 1942 uraufge- der erreichten Publikumserfolg hervorbrachte. 1918 über- führt wurde. nahm er die künstlerische Oberleitung der Wiener Hof- 1945 verlegte er seinen Wohnsitz in die Schweiz, wo er ei- oper in Kodirektion mit Franz Schalk – einer Konstellati- nige Bläserkonzerte und die „Vier letzten Lieder“ schrieb on, die sich als schwierig erwies. Insgesamt war sowie die Uraufführung seiner „Metamorphosen“ in Zü- Strauss᾽ Amtsführung umstritten, wurde ihm doch rich unter Paul Sacher erleben konnte. Im Juni 1948 wur- nicht zu Unrecht vorgeworfen, seine eigenen Werke zu de er im Entnazifizierungsverfahren durch die Spruch- privilegieren und sich zu wenig für die Produktionen sei- kammer Garmisch entlastet. Kurz nach seiner Rückkehr ner zeitgenössischen Kollegen/Konkurrenten zu engagie- nach Garmisch im Mai 1949 starb er am 8. September ren. 1924 beendet er seine Tätigkeit als Wiener Opernlei- 1949. Es endete ein Männer- und Künstlerleben, das ter; für die Verpflichtung, fünf Jahre je zwanzig Opern- durch Ehrgeiz und Erfolg, ungeheure Arbeitsbelastung aufführungen an der Wiener Staatsoper unentgeltlich zu und Disziplin, ein enges und intensives Ehe-
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