Agenda 2010“ in Der SPD: Ein Beispiel Mangelnder Innerparteilicher Demokratie?

Agenda 2010“ in Der SPD: Ein Beispiel Mangelnder Innerparteilicher Demokratie?

Bamberger Beiträge zur Vergleichenden Politikwissenschaft Heft 2 Simon Preuß Der Willensbildungsprozess zur „Agenda 2010“ in der SPD: Ein Beispiel mangelnder innerparteilicher Demokratie? Überarbeitete und gekürzte Version der Diplomarbeit zum selben Thema Inhaltsverzeichnis I Einleitung .................................................................................................................................................- 1 - II Innerparteiliche Demokratie in der theoretischen Diskussion ............................................................- 9 - 1. Verschiedene Modelle innerparteilicher Demokratie.........................................................................- 10 - 2. Das Grundgesetz und das Parteiengesetz von 1967 ...........................................................................- 11 - 3. Michels „ehernes Gesetz der Oligarchie“..........................................................................................- 13 - 3.1. Ursachen der Oligarchisierung..................................................................................................- 13 - 3.2. Machtressourcen der Parteiführung...........................................................................................- 14 - 4. Neuere Arbeiten zur innerparteilichen Demokratie............................................................................- 15 - 5. Parteien als „lose verkoppelte Anarchien“?......................................................................................- 17 - 6. Neuere empirische Untersuchungen zu Machtressourcen und Methoden in der innerparteilichen Willensbildung..............................................................................................................................................- 18 - 6.1. Parteitage...................................................................................................................................- 18 - 6.2. Parteifinanzen............................................................................................................................- 20 - 6.3. Parteipresse ...............................................................................................................................- 20 - 6.4. Bundestagsfraktion und Regierungsbeteiligung........................................................................- 20 - 7. Zentrale Fragen zum Willensbildungsprozess zur Agenda 2010 in der SPD .....................................- 21 - 8. Organisationsaufbau der SPD und innerparteiliche Willensbildung .................................................- 22 - 9. Sonstige Innerparteiliche Gruppierungen ..........................................................................................- 24 - 9.1. Der Seeheimer Kreis .................................................................................................................- 24 - 9.2. Die Parteilinke...........................................................................................................................- 25 - 9.3. Das Netzwerk Berlin .................................................................................................................- 25 - 10. Das Verfahren eines Mitgliederbegehrens und Mitgliederentscheids ...........................................- 26 - 11. Zwischenfazit .................................................................................................................................- 26 - III Die innerparteiliche Willensbildung zur Agenda 2010.......................................................................- 27 - 1. Konzeption und Verfahren der empirischen Untersuchung................................................................- 28 - 1.1. Datenerhebung ..........................................................................................................................- 28 - 2. Inhalte der Regierungserklärung vom 14. März 2003........................................................................- 32 - 3. Die Agenda 2010: Ein Bruch mit bisheriger sozialdemokratischer Politik?......................................- 34 - 4. Wesentliche Phasen und Akteure des innerparteilichen Willensbildungsprozesses ...........................- 39 - 4.1. Die Initialphase der Regierungserklärung.................................................................................- 39 - 4.2. Reaktionen auf die Regierungserklärung ..................................................................................- 45 - 4.3. Die Regionalkonferenzen..........................................................................................................- 54 - 4.4. Der Sonderparteitag ..................................................................................................................- 56 - 4.5. Parlamentarische Durchsetzung ................................................................................................- 61 - 5. Bewertung des Willensbildungsprozesses...........................................................................................- 64 - IV Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick ...............................................................................- 66 - Literaturverzeichnis .......................................................................................................................................- 72 - ii Abkürzungsverzeichnis AfA Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen AfB Arbeitsgemeinschaft für Bildung in der SPD AG Arbeitsgemeinschaft AG 60plus Arbeitsgemeinschaft der Älteren AGS Arbeitsgemeinschaft Selbständige in der SPD ASF Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen ASG Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Gesundheitswesen ASJ Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen AvS Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter Sozialdemokraten CDU Christlich Demokratische Union DL 21 Forum Demokratische Linke 21 FDP Freie Demokratische Partei FV Gesprächspartner aus dem Fraktionsvorstand GG Grundgesetz Jusos Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD Kampa Wahlkampfzentrale der SPD LB Gesprächspartner aus den Vorständen der Landes- und Bezirksverbände MB Gesprächspartner aus der Gruppe der Initiatoren des Mitgliederbegehrens NRW Nordrhein-Westfalen NW Gesprächspartner aus dem „Netzwerk Berlin“ PartG Parteiengesetz PL Parlamentarische Linke, Gesprächspartner aus der Parlamentarischen Linken PV Gesprächspartner aus dem Parteivorstand R Gesprächspartner aus der Regierung Schwusos Arbeitskreis „Lesben und Schwule in der SPD“ SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SK Gesprächspartner aus dem Seeheimer Kreis iii I Einleitung Nach 16 Jahren konservativ-liberaler Regierung gelang es der SPD am 27. September 1998 erstmals wieder, die Bundestagswahlen zu gewinnen. Darauf folgten sieben rot-grüne Jahre. Wer jedoch 1998 davon ausging, dass der Wahlsieg der Sozialdemokraten auch zu einer Politik alter sozialdemokratischer Tradition führen würde, insbesondere aufgrund ihres einflussreichen Fürsprechers, Oskar Lafontaine, sollte sich getäuscht haben. Die Wirtschafts- und Sozialpolitik, die dem Bundeskanzler Gerhard Schröder vorschwebte, war nicht die klassisch sozialdemokratische Umverteilungspolitik von oben nach unten. Als sich abzeichnete, dass sich die diesbezüglichen Vorstellungen des damalige SPD-Vorsitzenden und Finanzministers mit denen des Bundeskanzlers nicht vereinbaren ließen, trat Lafontaine von beiden Ämtern zurück. Sein Rücktritt fand an dem Tag statt, an dem Gerhard Schröder den britischen Soziologen Anthony Giddens traf, um dessen neues Buch zu besprechen (Dörre 1999: 6). Giddens gilt als der Vordenker der sogenannten „Politik des Dritten Weges“1. Mit seinen Veröffentlichungen (Giddens 1997 und Giddens 1999) hat er eine weltweite Debatte über die Modernisierung der Sozialdemokratie ausgelöst, wenngleich es natürlich auch schon zuvor in diversen Ländern deutliche Koordinatenverschiebungen sozialdemokratischer Politik in der Praxis gegeben hat (Marlière 1999: 13-15; Shaw et al. 2003), insbesondere in Großbritannien, wo Tony Blair seit seiner Übernahme des Parteivorsitzes 1994 bis zum Wahlsieg 1997 aus der alten Labour Party „New Labour“ machte (Meyer 1998: 201-210). Dieser Wandel bestand nicht nur in einem Etikettenwechsel, sondern auch in einer stark veränderten Analyse ökonomischer Probleme und Antworten auf politische Fragestellungen, die mit dem alten Labour-Programm nicht zu vereinbaren waren. In diesem Sinne symbolisiert die Streichung der berühmten „Clause IV“ aus dem Labour-Parteiprogramm, die nach wie vor das Ziel der industriellen Verstaatlichung ausgab, dass die Partei sich inhaltlich stark verändert hat (Wickham-Jones 2003: 29-33; Shaw 1996). Durch die Ideen von Anthony Giddens ließen sich Gerhard Schröder und der britische Premierminister Blair inspirieren und forderten eine Erneuerung der Sozialdemokratie, die sie wechselweise mit Begriffen wie „Neue Sozialdemokratie“, „Dritter Weg“ und vor allem im Falle Schröders „Neue Mitte“ bezeichneten. Giddens sprach von fünf großen Herausforderungen der Sozialdemokratie: Die Globalisierung führe dazu, „daß bestimmte Handlungsspielräume, über die die Nationen verfügten, eingeschränkt worden sind, etwa jene, auf die eine keynesianische Wirtschaftssteuerung zurückgreifen konnte“ (Giddens 1999: 44). Traditionelle Eckpfeiler sozialdemokratischer Politik, wie z. B. Solidarität und kollektive Lösungen, haben Giddens 1 Der Begriff des „Dritten Weges“ stammt allerdings nicht von Giddens, sondern wurde schon bei diversen sozialdemokratischen

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