
Mitt. Mus. Nat.kd. Berl., Geowiss. Reihe 5 (2002) 105-120 10.11.2002 Atractocybeloides, eine kleinwuchsige Trilobitengattung aus baltoskandischen Geschieben und ihrem Anstehenden Hans-Hartmut Krueger * Mit 6 Abbildungen und 3 Tafeln Zusammenfassung Aus mittel- bis oberordovizischen Geschieben werden funf Taxa der kleinwuchsigen Trilobitengattung Atractocybeloides vorge- stellt, davon die beiden neuen Arten Atractocybeloides nebeni n. SP. und Atractocybeloides oepiki n. sp. Die Gattung wurde 1991 an Fragmenten aufgestellt. Sie hat sich in der Aseri-Stufe aus Cybele entwickelt. Neue Funde und das reichhaltige Material aus der Sammlung Rhebergen, in der auch fast vollstandige Panzerhemden von A. berneri enthalten sind, ermoglich- ten eine Rekonstruktion. ,Weiterhin wird die aus Nonvegen beschriebene Art Atractopyge gracilis der Gattung Atractocybel- oides zugeordnet. GroBe Ahnlichkeiten bestehen zur ungefahr gleichaltrigen nordamerikanischen kleinwiichsigen Gattung Cy- beloides. Schliisselworter: Trilobita, Atractocybeloides, Geschiebe, Ordovizium. Abstract Five taxa of the small trilobite genus Atractocybeloides are presented from Middle to Late Ordovician erratic boulders, includ- ing the new species Atractocybeloides nebeni n. sp. and Atractocybeloides oepiki n. sp. The genus was errected in 1991 on the basis of fragmentary material. It evolved from Cybele during Aseri-zone times. A reconstruction is made possible due to new finds and the rich material from the Rhebergen collection, including nearly complete cuticles of A. berneri. Furthermore, Atructopyge gracilis from Norway is assigned to Atractocybeloides. Strong similarities exist to the roughly coeval, small trilo- bite genus Cybeloides, which is known from North America. Key words: Trilobita, Atructocybeloides, erratic boulders, Ordovician. Einleitung tung vereinigt auf ihrem Cranidium Merkmale von Cybele, Atractopyge und Cybeloides. 1991 Durch ihren kleinen Wuchs und die seltenen, wurde die neue Gattung Atructocybeloides mit sparlichen Reste in bestimmten oberordovizi- zwei neuen Arten, A. berneri und A. vonhuchti, schen Geschieben blieb die Gattung Atructocy- beschrieben (Krueger 1991). Nikolaisen be- beloides aus Baltoskandia und seinen Geschie- schrieb 1961 unter anderen einige Atructopyge- ben bis vor zehn Jahren unerkannt. In den Arten aus dem Oslo-Gebiet. Eine neue, von ihm achtziger Jahren fand der Praparator L. Berner, aufgestellte Art, Atractopyge grucilis, zeichnete Berlin, ein kleines Cranidium einer Cybele-Art sich durch grofle, lange Wangenstachel und dem in einem verkieselten Kalk (Backsteinkalk). Fehlen eines Praglabellarfeldes aus. Nikolaisen Dieses Cranidium wich vom typischen Aussehen nahm an, dass bei allen neun ihm zur Verfugung einer Cybele oder Atructopyge ab. Es fehlt ein stehenden Cranidien das Praglabellarfeld schon Praglabellarfeld, der Nackenring tragt einen vor der Einbettung abgebrochen war. Diese Art Stachel und es sind grol3e Wangenstachel vor- aus Norwegen wird jetzt zu Atructocybeloides handen. Erst weitere Funde aus den verkieselten gestellt und ist der jiingste Vertreter dieser Gat- Gerollen aus den Deckschichten des 2. Lausitzer tung. Fiinf Arten werden vorgestellt und be- Braunkohlenflozes sowie von Sylt liel3en eine schrieben, wovon zwei Arten neu sind (Abb. 1). neue Trilobitengattung erkennen. Die neue Gat- Neue Funde und das reichhaltige Material von Museum fir Naturkunde der Humboldt Universitat, Institut fir Palaontologie, Invalidenstr. 43, D-10 115 Berlin, Germany. Erhalten April 2002, angenommen Juni 2002 106 Krueger, H. H., Atractocybeloides aus baltoskandischen Geschieben A. gracilis 3 U C d A. vonhachti .-> DI .c 0 7 A. berneri - aa a, v) 2 + Y 3 A. oepiki n.sp. Y I A tractocybeloides Inebeni n.sp. I Cybele Abb. 1. Stratigraphische Verbreitung von Arten von Atractocybeloides in baltoskandischen Geschieben aus dem Mittleren und Oberen Ordovizium. Mitt. Mus. Nat.kd. Berl., Geowiss. Reihe 5 (2002) 107 A. berneri in der Sammlung Rhebergen, in der D e r i v a t i o n o minis : nach dem Geschiebesammler Walter Cranidien, Freiwangen, Thoraxe sowie Pygidien Neben. vorhanden sind, empfahlen, die 1991 aufgestell- M ater i a 1 : 1 Cranidium in Schalenerhaltung. ten Arten A. berneri und A. vonhachti neu zu Malje (in mm): beschreiben. Glabella, groljte Breite bei L 1 690 Glabella, kleinste Breite Frontallobus 5,5 Material Glabella + Occipitalring, Lange 9,o Occipitalring, Breite 675 Diese relativ kleinwiichsige Trilobitengattung, die nur ca. Cranidium, Breite x30,2 10 mm breit und 30 mm lang ist, kommt in bestimmten balto- skandischen Geschieben sehr selten vor. Kalkgeschiebe aus der Lasnamagi-Stufe, die den bisher altesten Vertreter dieser D i a g n o s e : Frontallobusvorderkante in der Gattung geliefert haben, sind im ehemaligen Vereisungs- Mitte gerade, zu den Seiten abgeschragt, in den gebiet siidlich der Ostsee verbreitet, aber nicht haufig. Afrac- tocybeloides und die nordamerikanische Gattung Cybeloides Fossulagruben endend. Mediangrube vorhanden. sind sich in ihrem kleinen Wuchs und im Panzer sehr ahn- Glabella mit sechs paarig angeordneten Tuber- lich. Cybeloides-Reste sind in den mittelordovizischen keln, Glabellarfurchen leicht nach vorn und nach Schichten Virginias und Kanadas als Verkieselungen erhalten und konnen aus ihrem umhiillenden Gestein herausgelost auljen gerichtet. Occipitalring median mit Sta- werden. Giinstige Bedingungen lieferten die Kiesgruben bei chel. Festwangen breit, Augen gestielt, Wangen- Wilsum im deutsch-niederlandischen Grenzgebiet in den stachel kraftig und lang. siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts, wo ein groBer Anteil der anfallenden Geschiebe als teilweise B e s c h r e i b u n g : Cranidium flach gewolbt, nur venvitterter, ehemaliger verkieselter Kalk, der aus dem obe- zu den Seiten steiler nach unten zu den Wan- ren Teil der Idavere- und Johvi Stufe CIIIb-DI stammt, aufge- sammelt werden konnte. Bei Tausenden von Geschieben die- genstacheln gebogen. Glabella nach vorn und ses Typs konnte Herr Rhebergen neben vielen verschiedenen zu den Seiten gleichmaljig flach gewolbt, am ge- Trilobiten-, Brachiopoden- und Gastropodengattungen auch raden Mittelteil des Frontallobus vorn und an eine Vielzahl von Exemplaren von Atractocybeloides berneri bergen, die es ermoglichen, eine Rekonstruktion dieser Gat- den abgeschragten Seiten steiler gebogen. Occi- tung zu erstellen. Die Praparation ist wegen der Kleinwiich- pitalring von der Glabella durch eine bogen- sigkeit dieser Trilobitengattung und ihrem Vorkommen in formige, nach vorn gerichtete, flache Furche ab- verkieselten bis stark venvitterten Geschieben sehr schwierig. Die Gesteinsbeschaffenheit kann von sehr hart zu pulverfor- gesetzt, an beiden Seiten in verbreiterte, tiefe miger Substanz innerhalb von wenigen Millimetern wechseln. Gruben mundend. Median einen kurzen, dorn- Die Fossilreste sind als Steinkerne erhalten. Nur bei giinsti- artigen, nach oben gerichteten Stachel tragend. ger Erhaltung kann vom Abdruck die Schalenoberflache als Abguss gewonnen werden. L1-Loben kraftig und rundlich entwickelt, von den LZLoben, die leicht nach vorn gerichtet Die Stiicke befinden sich in folgenden Museen: sind, durch tiefe, dreieckig angelegte Lateralfur- - Museum fiir Naturkunde Berlin (MB.T.) chen getrennt. Kraftiger entwickelte L3-Loben - Rijksmuseum van Geologie en Mineralogie Leiden, Nieder- lande (RGM) leicht nach vorn gerichtet, zu L2 durch tiefe, - Palaeontological Museum Oslo, University of Oslo, Nor- aber schmale Furchen abgesetzt. Frontallobus way (P.M.O.) mit relativ groljer, mitteltiefer Mediangrube. - Archiv fur Geschiebekunde Hamburg G 113/1 Glabellaoberflache mit sechs paarig angelegten Tuberkeln bedeckt, die groljten oberhalb der Mediangrube und in den Ecken zwischen ge- Systematische Beschreibungen radem Vorderrand und abgeschragtem Seiten- rand. Hinter dem Vorderrand und der Median- Familie Encrinuridae Angelin, 1854 grube Gruppe von zehn kleinen, dicht Subfamilie Cybelinae Holliday, 1942 liegenden Tuberkeln besetzt. Glabella und Fest- Gattung Atractocybeloides Krueger, 1991 wangen durch gerade nach vorn verlaufende, Ty p u s a r t : Atractocybeloides berneri Krueger, sehr flache Dorsalfurchen getrennt, in Hohe der 1991. L3-Furchen von den schrag nach hinten gerich- teten, gut entwickelten Augenleisten begrenzt (Tafell: 1). Festwangen breit, zu den Augen- Atractocybeloides nebeni n. sp. stielen leicht erhoht und nach auBen zur Wan- Tafel 1: 1-4, Abb. 2 genstachelbasis steil abfallend. Festwangen-Vor- derteil zwischen Augenleisten und Gesichtsnaht H o 1o t y p us : 1 Cranidium, MB.T.4492.1. schmal und zum Frontallobus durch gut ausge- Locus typicus: Robel, Mecklenburg. S t r a t u m t y picu m : Lasnamagi-Stufe, CIby, Folkeslunda- bildete Fossulagruben begrenzt. Hinterrand der kalk, tiefes Viru. Festwangen im Innenteil fast gerade, erst in HO- 108 Krueger, H. H., Atructocybeloides aus baltoskandischen Geschieben Mitt. Mus. Nat.kd. Berl., Geowiss. Reihe 5 (2002) 109 he der Augen in leichtem Bogen nach hinten U n t e r s chi e d e : A. nebeni n. sp. unterscheidet schwingend, in der Wangenstachelbasis endend. sich von den jungeren Arten durch die sparliche Hinterrandfurche tief und halb so breit wie der Tuberkulierung auf der Glabella, dem senkrecht Hinterrand in Hohe der Augen. Im AuBenteil stehenden dornartigen Stachel auf dem Occipi- Hinterrand breiter, um in die gut ausgebildete talring und dem abgeflachten, kraftigen Wangen- Wangenstachelbasis uberzugehen. Wangensta- stachel (Tafel 1: 1-4). cheln kraftig und
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