Z B L Ä T T E R L BB LL ÄÄTT TT EE RR EXTRA A ZUM LAND F Für Freiheit und Recht P Der „20. Juli 1944“ und seine - Verbindungen in unsere Region Der Umsturzversuch des „20. Juli 1944“ wird in der D Bundesrepublik Deutschland traditionell als das zentrale Ereignis des deutschen Widerstandes gegen das N NS-Regime gewürdigt. Auch 60 Jahre danach ist jedoch in der breiten Öffentlichkeit noch A immer kaum bekannt, dass es innerhalb der militärischen und der zivilen Opposition bereits L 1938 Überlegungen gab, Adolf Hitler zu stürzen. Bis zum Sommer 1944 wurden sogar mehrere Attentats- und N Umsturzpläne entwickelt, wie- der verworfen oder schlugen fehl. I Fernschreiben Generaloberst Erich E Hoepners zur Heranziehung der Politischen Beauftragten und des Verbindungsoffiziers für den Wehrkreis XII Wiesbaden vom 20. Juli H 1944. In der Hektik entstanden einige Fehler. So heißt der Unterbeauftragte korrekt Koßmann, Hauptmann Kaiser sollte für den Wehrkreis XII und nicht R XIII herangezogen werden. Sämtliche dieser Vorhaben scheiterten Die absolute Mehrheit der Reichswehr an technischen Unwägbarkeiten, wegen und ihrer Führung stand loyal hinter der scharfen Sicherheitsvorkehrungen dem Diktator und Oberbefehlshaber und des NS-Regimes oder am Zaudern der folgte bis zuletzt willig seiner barbari- beteiligten Militärs. schen Kriegs- und Eroberungsstrategie. Oberst Stauffenberg (links im Bild) Der „20. Juli“ war keineswegs nur eine im Führerhauptquartier „Wolfschanze“. gemeinsame Aktion von wenigen oppo- sitionellen Militärs und Vertretern des konservativ-liberalen Bürgertums, son- dern konnte sich gleichermaßen auf eine weit verzweigte zivile Widerstands- ter verloren sein würde. Fortan gewan- struktur stützen. Diese war besonders nen die Überlegungen der oppositionel- vom früheren Innenminister des len Offiziere hinsichtlich einer möglichst Volksstaates Hessen und Gewerkschafts- raschen Beseitigung Hitlers durch ein führer Wilhelm Leuschner sowie von Attentat wieder an Kontur, um so die seinem Parteifreund, dem ehemaligen Verbrechen des Regimes endlich zu SPD-Reichstagsabgeordneten Julius beenden und um den Weg freizumachen Leber und deren Mitstreitern in jahrelan- für einen von vielen erhofften Separat- ger Kleinarbeit im ganzen frieden mit den Westalliierten. Auch Reichsgebiet geschaffen Claus Graf Schenk von Stauffenberg worden. Für dieses somit äußerte 1942 mehrfach im vertraulichen im Kern sozialdemokra- Gespräch, die massenhaften Erschießun- tisch-gewerkschaftliche gen der Juden müssten unverzüglich Vertrauensleutenetz gestoppt werden, was aber die waren außerdem etli- Liquidierung Hitlers voraussetze. che weitere Regime- Nachdem der Attentatsplan immer wie- gegner aus bürgerli- der verschoben worden war, zündete chen Kreisen gewon- Oberst Stauffenberg mit Unterstützung nen worden. Eines seines Adjutanten Oberleutnant Werner seiner wichtigsten von Haeften am 20. Juli 1944 in der Zentren erstreckte Lagebaracke des Führerhauptquartiers sich auf die heuti- „Wolfschanze“ bei Rastenburg in gen Bundesländer Ostpreußen eine Bombe, die er – in Hessen und Rhein- einer Aktentasche verborgen – in der land-Pfalz mit deut- Nähe Hitlers platziert hatte. Die anschl- lichem Schwer- ießend von Berlin aus ausgelöste punkt im Rhein- Operation „Walküre“ hätte eigentlich zur Main-Gebiet und Initialzündung für einen kombinierten in Rheinhessen. Aufstand militärischer und ziviler Wider- standskräfte werden sollen. Die gehei- men „Walküre“-Befehle, ursprünglich Der 20. Juli entwickelt z.B. zur Bekämpfung „innerer 1944 Unruhen“, etwa von Aufstandsversuchen der Zwangsarbeiter und Kriegsgefan- Im Anschluss an die genen, waren von General Friedrich verheerende Olbricht und einigen anderen seit 1942 Niederlage von für die Zwecke der Verschwörer umge- Stalingrad Anfang arbeitet worden. Nach einem erfolgrei- 1943 verstärkte sich chen Anschlag auf Hitler hätten umge- in den zivilen wie hend alle regimetreuen Entscheidungs- auch den militäri- träger verhaftet, die Presseeinrichtungen schen Kreisen der unter die Kontrolle der Verschwörer Opposition die gebracht und ähnliche Maßnahmen Überzeugung, dass durchgeführt werden sollen, um der Krieg für dadurch die Voraussetzungen für das Deutschland Gelingen des Umsturzes im Reich und früher oder spä- an der Front zu schaffen. In den einzel- 3 nen Wehrkreisen sollten militärische sen. Zuständig u.a. für das westliche Verbindungsleute, unterstützt von politi- Rhein-Main-Gebiet, die Regierungs- schen Beratern, für die Durchsetzung bezirke Koblenz und Trier, den Wester- der Befehle der Verschwörer sorgen. Die wald, Rheinhessen, die Pfalz und das Aktion, auf die seit langem hingearbeitet Saarland war das Stellvertretende worden war, scheiterte indes binnen nur Generalkommando des XII. Armeekorps eines halben Tages. in Wiesbaden. Dort hatten die Verschwö- rer auf den Chef des Generalstabes Die Bombenexplosion hatte unter den Generalmajor Erwin Gerlach gezählt. Als 24 in der Lagebaracke Versammelten aber die Fernschreiben entschlüsselt vier Todesopfer gefordert, Hitler selbst worden waren und Rückfragen in ande- war aber nur leicht verletzt worden. ren Wehrkreisen erbracht hatten, dass Auch das erst am Nachmittag ausgelöste eine aktive Beteiligung am Staatsstreich- eigentliche Umsturzunternehmen brach versuch zu riskant sei, war dieser in schon nach wenigen Stunden in sich Berlin bereits gescheitert. zusammen. In etlichen Stellvertretenden Generalkommandos waren die Befehle Am Tag der Aktion hätte Hauptmann der Verschwörer erst nach Dienstschluss, Hermann Kaiser vom Stab des Chefs der in München und Danzig überhaupt nicht Heeresrüstung und Befehlshabers des eingetroffen. Mit der Durchführung der Ersatzheeres in seiner Heimatstadt Alarmmaßnahmen der Operation Wiesbaden, wo er „Walküre“ war lediglich – außer in Berlin – in Kassel, Dresden, Hamburg, Stettin und Münster in Westfalen begon- nen worden. Aber auch dort war alles im Ansatz stecken geblieben. Nur in Prag, Paris und Wien waren die Alarmierung und sogar die Verhaftungen regimetreuer Kräfte angelaufen bzw. zum Teil bereits durchgeführt worden. In Paris hatten immerhin 1.200 Mann SS, SD und Polizei fest- gesetzt werden können, die jedoch nach dem erkennbaren Scheitern der Aktion wieder auf freien Fuß gesetzt wurden. Verbindungen in unsere Region Auch in Mainz waren Maßnahmen zur Festnahme bzw. Liquidierung Hitler treu ergebener Militärs geplant gewesen, die sich indes nicht hatten durchführen las- 4 vordem im Zivilberuf als Studienrat Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung gewirkt hatte, in die Funktion des Ver- stand 1944 trotz der Invasion der West- bindungsoffiziers zwischen den militäri- alliierten in der Normandie sowie der schen und den zivilen Widerstands- wuchtigen Sommeroffensiven der Sowjets kräften im Wehrkreis XII rücken sollen. gegen die Ostfront und der sich damit Seit 1941 hatte er in Berlin eng mit der deutlich abzeichnenden Niederlage Führungsebene des militärischen und Deutschlands loyal zu Hitler und zum bürgerlich-konservativen Widerstandes NS-Regime. Dem hatten die Verschwörer kooperiert, so mit Generaloberst a. D. dadurch zu begegnen gesucht, dass sie Ludwig Beck, mit dem früheren Leip- nach dem Gelingen des Militärschlages ziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler, unverzüglich ein verlässliches Netz ziviler dann auch mit Generalmajor Henning Widerstandsgruppen auf den Plan rufen von Tresckow, Oberleutnant Fabian von wollten. Ansonsten hätte der befreiende Schlabrendorff, General Friedrich Umsturz ohnehin nur durch Gruppen Olbricht und Oberst Claus Graf Schenk und Personen erfolgen können, die sich von Stauffenberg, ebenso mit Funktio- unmittelbar an den Schaltstellen der nären des Arbeiterwiderstandes und vie- Macht befanden. Dies galt primär für len anderen Regimegegnern. Teile der militärischen und zivilen Funktionseliten. Für die angestrebte Dr. Karl Sack (2. von rechts). unverzügliche Verbreiterung der Basis des Unternehmens hätte ein Bündnis bürgerlich-konservativer, liberaler und gewerkschaftlich-sozialdemokratischer Widerstandsgruppen sorgen sollen. Die Errichtung einer Militärdiktatur hat- ten die Verschwörer keineswegs beabsichtigt, jedenfalls nicht auf Dauer. Einigkeit herrschte vor allem darin, nach einem geglück- ten Umsturz umgehend zur Rechtsstaatlichkeit zurückzukeh- ren. Ansonsten blieben die politi- schen und wirtschaftlichen Vorstellungen für einen Neubeginn bei den verschiedenen Gruppen und Personen der Opposition bis zuletzt strittig, wobei ein parlamentarisch- demokratisches Staatswesen heutiger Prägung in ihren Planungen nicht vor- gesehen war. Der Vertraute Stauffenbergs Der 1896 in Bosenheim bei Bad Kreuznach geborene Chefrichter des 5 Heeres Karl Sack gehörte im Zuge der Umsturzvorberei- tungen zu den unmittelbaren Henning von Tresckow Vertrauten von Oberst (links außen) Stauffenberg und General und Fabian von Schlabrendorff Olbricht. Seine Aufgabe (recht außen) bestand in der Abschirmung im Stab der Heeresgruppe Mitte von Gefährdeten sowie der (1943). Warnung der Verschwörer vor den jederzeit möglichen Observationen und Zugriffen durch die Gestapo. So hat er beispielsweise die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens gegen Hauptmann Hermann Kaiser erreicht, der 1943 von einem Kameraden aus dem Ersten Weltkrieg wegen sei- ner scharfen Kritik an Hitler denunziert worden war. Nach der bereits am 12. Juni 1944 erfolgten Verhaftung von Oberst Wilhelm Staehle, der u.a. mit Carl Goerdeler und niederländischen Wider- standskreisen in Verbindung gestanden hatte, war Sack sogar selbst ins Wehrmachts- auf Todesstrafe, die am Morgen des
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