Täter, Opfer, Widerstand Im 3. Reich

Täter, Opfer, Widerstand Im 3. Reich

70 Jahre . 22. April Dokumentarische Aufarbeitung zu den Geschehnissen des 22. April 1945 im Großraum Cottbus. Cottbus war in allen Bereichen Teil Cottbus der Vernichtungsmaschinerie des 3. Reiches. Vorgestellt werden die Kriegsindustrie der Stadt, die Tä- ter und Opfer des 3. Reiches, aber auch der Widerstand. befreit! Täter, Opfer, Widerstand im 3. Reich Täter, Opfer, Widerstand im 3. Reich Seite 1 Cottbus befreit! Täter, Opfer, Widerstand im 3. Reich von Daniel Häfner und Bernd Müller Inhaltsverzeichnis 1 // Einleitung 2 // 15. Februar 1945 – der Bombenkrieg kehrt zurück 3 // April 1945 – die Befreiung der Lausitz Kriegsproduktion 7 // Kettenfahrzeuge für die Front – die Mechanischen Werke Cottbus 8 // Flugplatz und Flugzeugproduktion – die Focke-Wulf-Werke in Cottbus Täter 9 // Die Täter 12 // „Unternehmen Cottbus“ – ein Kriegsverbrechen Opfer 13 // Inhaftiert im Frauenzuchthaus Cottbus: Frauen im Widerstand (Herta Venther) 15 // „Jüdisches“ Leben und Sterben 17 // Gedanken zum Jahrestag der Befreiung aus sorbischer/wendischer Sicht (Peter Schurmann) 19 // Zwangsarbeiter Widerstand 21 // Widerstand in und aus Cottbus 25 // Anmerkungen, Quellen & Impressum Cottbus befreit! Einleitung Die Bombardierung des Bahnhofs am sind auch andere zu finden, wie bspw. 15. Februar 1945 wird häufig als Er- der Gaueiter Michael Kube, der erst eignis dargestellt, das quasi wie eine wegen Korruption abgesetzt wurde, Naturkatastrophe über Cottbus kam als Generalkommissar in Weißrußland – und ohne Grund. Doch Cottbus war ab 1941 dann aber an der Ermordung Teil des Systems des Nationationalso- zehntausender Zivilisten beteiligt war. zialismus und des totalen Krieges. In In diesem Teil wird auch kurz auf die Cottbus wurden Kriegsgüter in großen „Aktion Cottbus“ in Weißrußland ein- Mengen produziert: tausende Panzer- gegangen, bei der im Rahmen angebli- kettenfahrzeuge und tausende Flug- cher Partisanenbekämpfung tausende zeuge, darunter auch Bomber. Und der Zivilisten ermordet wurden. Wie die Bahnhof wurde immer wichtiger als Operation zu diesem Namen kam war Verkehrsknotenpunkt zur herannah- nicht zu recherchieren. Klar ist aber, enden Front. dass die SS-Einheit Dirlewanger, die u.a. dort und beim Warschauer Auf- In der folgenden Broschüre wollen wir stand zahlreiche Kriegsverbrechen ein Schlaglicht auf verschiedene Berei- beging und zehntausende Zivilisten che des Lebens in Cottbus werfen und tötete zuletzt bei Guben eingesetzt deutlich machen, dass es im System war. Befehlshaber der Einheit in War- des 3. Reichs kein „ruhiges Hinterland“ schau war Heinz Reinefarth, der eine gab. Überall finden sich Täter, Opfer Die Befreiung von Häftlingen in einem Außenlager Anwaltskanzlei in Cottbus hatte. und Widerstand. Cottbus ragt dabei des KZ Dachau am 30. April nicht heraus. Es zeigt die Normalität Im Bereich der Opfer stellen wir zu- der Menschenverachtung des Systems, Überblick über die Broschüre nächst das Frauengefängnis in Cottbus gerade auch als Rädchen in einer Ma- vor, hier waren viele politische Wider- schinerie, die ganz Europa überrollen In dieser Broschüre wollen wir zu- standskämpferinnen inhaftiert. Von wollte – militärisch und ideologisch. nächst die Ereignisse des 15. Februars, den wirklichen oder angeblichen jüdi- also des Bombenangriffs auf den Cott- schen Mitbürgern konnten viele in das Die regionale Besonderheit in der Lau- buser Bahnhof, darstellen und dann Ausland fliehen. Wer aber zu arm war sitz stellt der Umgang mit den Sorben/ auf die wichtigsten Tage der Befreiung oder keine Kontakte hatte, oder beides, Wenden dar. Diese sollten entweder der Lausitz bis zum 22. April eingehen. wurde diskriminiert, in sogenannten germanisiert werden oder als führer- Dass in Cottbus nicht nur Textilien Judenhäusern zusammengepfercht loses Arbeitsvolk in den neuen „Ostge- und Schokoladen hergestellt wurden und dann später deportiert und ermor- bieten“ dienen – nach dem gewonne- wollen wir im darauf folgenden Kapi- det. Darüber hinaus berichten wir über nen Krieg. Insofern war das Ende des tel darstellen. In den Mechanischen den Umgang mit den Sorben/Wenden Krieges insbesondere eine Befreiung Werkstätten Cottbus, die fast in Ver- und den Zwangsarbeitern in der Regi- auch der Sorben/Wenden – die bis gessenheit gerieten, wurden tausende on. heute andauert. Fahrzeuge für den Fronteinsatz herge- stellt und in den Focke-Wulf-Werken Die Broschüre schließt mit verschie- Auch am Beispiel von Erna Stahl, die wurden hunderte Flugzeuge endmon- denen Beispielen aus den Widerstand im Frauenzuchthaus in Cottbus inhaf- tiert. Darunter auch die legendäre Fw und mahnt: Nie wieder Krieg, nie wie- tiert wurde, wird der Moment der Be- 200 „Condor“ – eigentlich ein Passa- der Faschismus! freiung deutlich: sie hatte ihre Schüler gierflugzeug, dass aber im Krieg als mit Autoren wie Hugo von Hofmanns- Aufklärungs- und Transportflugzeug Ergänzung thal und Thomas Mann bekannt ge- genutzt wurde. Und gerade dieses macht und gehörte zu weiteren Um- Flugzeug wurde auch zur Bombardie- Für eine vertiefende Lektüre empfehlen wir fol- feld der Weißen Rose in Hamburg. Vor rung von Schiffen im Atlantik einge- gende Literatur, wobei der SPIEGEL-Artikel auch der herannahenden Front wurde sie setzt, weshalb Churchill es als „Geißel online verfügbar ist: nach Bayreuth gebracht und dort am des Atlantik“ bezeichnete. Mettke, Jörg (1985): 1945: Absturz ins Bodenlose. 14. April 1945 befreit. Noch am 17. Ap- SPIEGEL-Redakteur Jörg R. Mettke über Kapitu- ril fand in Hamburg der Prozess gegen Die Industrie war aber auch auf ande- lation und Besatzung (V): Cottbus, DER SPIEGEL sie statt: es drohte die Todesstrafe. ren Ebenen tief in die Kriegsindustrie 19/1985, 05.05.1985, S. 152 - 173. verstrickt – der Cottbuser Textilun- Petzold, Heinz (2005): Als für Cottbus der 2. Welt- Auch wenn die Befreiung zu Freiheit ternehmer und IHK-Präsident Hans krieg endete, Regia-Verlag, Cottbus (6 Euro). und Gleichheit bis heute nicht voll ver- Kehrl war in den letzten Kriegsjahren Pilop, Max (1990): Die Befreiung der Lausitz. Mili- wirklicht ist, machen diese Beispiele in zur rechten Hand Albert Speers aufge- tärhistorischer Abriß der Kämpfe im Jahre 1945, 3. Bezug auf das Kriegsende doch deut- stiegen. Über ihn wird im Teil „Täter“ Auflage, Domowina-Verlag, Bautzen lich: Befreiung – was sonst. dieser Broschüre berichtet. Und dort Täter, Opfer, Widerstand im 3. Reich Seite 1 15. Februar 1945 – Der Bombenkrieg kehrt zurück „Wir werden ihre Städte ausradie- platz aber noch und bombardierten fe gewonnen wurden. Doch das Hy- ren!“ verkündete Hitler am 4. Sep- ein Postlager. Beim zweiten An- drierwerk Ruhland-Schwarzheide tember 1940 nachdem 100 englische griff trafen sie zahlreiche Produk- konnte wegen einer dichten Wolken- Flugzeuge Berlin als Vergeltungs- tionshallen der Focke-Wulf-Werke decke nicht angeflogen werden und schlag für einen Angriff auf London und zerstörten rund 50 Flugzeuge. so drehten die Bomber auf den Cott- bombardierten. „Wir werden ihre buser Bahnhof ab – das Ausweichziel. Städte ausradieren!“ – diese 5 Wor- Der Angriff auf den Cottbuser BBC London warnte bereits am Mor- te beschreiben die Vorgeschichte Bahnhof gen die Stadt zu verlassen – wurde des Luftkrieges und der Bombenan- allerdings kaum gehört, weil das Hö- griffe in Nazideutschland treffend. Der Cottbuser Bahnhof war zunächst ren von Feindsendern unter Strafe Allein von September bis Dezember ein Umsteige-, Güter- und Verla- stand. In der Stadt gab es um 10.00 1940 wurden in London 14.000 Men- debahnhof für Züge von und nach Uhr und 11.05 Uhr Voralarm und um schen durch Bombenangriffe getötet Berlin, Leipzig, Dresden, Frankfurt/ 11.35 Uhr Fliegeralarm. und 250.000 Menschen verloren ihre Oder, Guben und Forst. Darüber hi- Wohnung. naus stellte er aber auch einen Ei- Rund 450 Flugzeuge vom Typ „B-17“ senbahnknotenpunkt für Transporte näherten sich Cottbus von Süden in Die Feindnachrichtenabteilung riet aus den Industriegebieten in Schle- rund 7.000 bis 8.000 Metern Höhe. der Luftwaffe aber auch besonders sien und Sachsen dar. Im südlichen Da die Sicht auch hier behindert war, zur Bombardierung von Coventry, Umfeld des Bahnhofes war zahlrei- gingen die sogenannten Masterflug- denn dort würde „die Wirkung auf che Leichtindustrie angesiedelt. Be- zeuge auf das Radarzielen über, vi- die Industrie noch dadurch beson- sondere Bedeutung hatten auch die sierten das Ziel zu kurz an – und ver- ders gesteigert, weil die unmittel- Reichsbahn-Reparaturwerke (Rail- fehlten den Bahnhof. Ihre Bomben bar in Werksnähe wohnende Arbei- way Repair Shops). detonierten überwiegend südlich des terschaft stark in Mitleidenschaft Bahnhofs und leiteten den kommen- gezogen wird. Infolge der leichten Noch im August 1944 führten die den Angriff somit fehl. Bauweise von Fabrik- und Wohnge- Listen des Bomber-Command den bäuden unter enger Zusammendrän- Bahnhof aber nicht als Ziel, weil die gung des bebauten Raumes ist hier Bedeutung zunächst als vergleichs- eine besonders starke Wirkung bei weise gering angesehen wurde. Dies Brandbombeneinsatz zu erwarten“. änderte sich jedoch mit dem Heran- Zeitungen bezeichneten den verhee- nahen der Front von Osten. Denn die renden Bombenangriff als englisches deutsche Wehrmacht versuchte nun Guernica – eine baskische Stadt, die schnellstmöglich Verteidigungsstel- bereits im April 1937 durch die Deut- lungen entlang der Oder/Neiße zu sche Luftwaffe zerstört wurde, um errichten, was zu verstärkten Trup- General Franko im Spanischen Bür- penbewegungen über den Bahnhof gerkrieg zu unterstützen. Aufgrund führte. des hohen Zerstörungsgrades

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