manus presse Ein Leben für die Kunst Die Kunstsammlung von Roland und Waltraut Hänssel Die Sammlung von Roland und Waltraut Hänssel ist keine gewöhnliche Kunstkollektion. Sie ist keine schlichte kumula- tive Zusammenstellung ver- schiedener mehr oder minder qualitativer Werke zu einem bestimmten Thema oder aus einer gewissen Zeit, sie ist weit mehr als das. Über Jahrzehnte hinweg lebten und arbeiteten Roland und Waltraut Hänssel direkt am Puls der zeitgenössischen Kunstszene, verkehrten mit internationalen Größen wie Salvador Dalí, Max Ernst, Waltraut und Roland Hänssel auf der Art Cologne. Antonio Saura oder Christo, unterstützten und förderten junge wie gestandene Künstler, gaben bildenden Kunstschöpfern Gelegenheit zur Zusammenarbeit mit namhaften Schriftstellern wie Samuel Beckett oder auch dem französischen Lyriker Jacques Prévert. Die hier vorgestellte private Kunstsammlung der Beiden ist ein Spiegel dieser Jahre. Ein Stück lebendige Zeitgeschichte, Schaufenster und Kaleidoskop eines Lebens mit und für die Kunst. Roland Hänssel war in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Sein Vater, ein Friseur, war im Krieg gefallen. Getrieben vom Bedürfnis der geistigen wie räumlichen Enge seiner nationalsozialistisch geprägten Kindheit zu entfliehen, entdeckte Roland Hänssel bereits in jungen Jahren die weite Welt der Kunst für sich. Er begann selbst zu malen, entschied sich jedoch letztlich für eine handwerkliche Ausbildung als Schriftsetzer. Eine überaus glückliche Entscheidung, wie sich herausstellen sollte, legte sie doch zugleich den Grundstein für das Kennenlernen seiner Partnerin und Ehefrau Waltraut sowie für die spätere Gründung der manus presse. 4 Waltraut Hänssel, geborene Kirsch stu- dierte Musik, zunächst mit der Intention, Lehrerin zu werden. Als einer ihrer Professoren allerdings ihr Gesangstalent erkannte und förderte, ließ sie sich bereitwillig darauf ein und stand später sogar für ein kurzzeitiges Engagement an der Stuttgarter Oper auf der Bühne. Ihr Studium finanzierte sie sich als Stenotypistin für mehrere mit- einander verflochtene Stuttgarter Verlage. Beim Vorstellungsgespräch lernte sie ihren dortigen Vorgesetzten und künftigen Ehemann Roland kennen und bald darauf auch lieben. Die beiden entwickelten sich beruflich wie privat zu einem ausgezeichneten, perfekt aufeinander eingespielten Team. Er mit seiner humorvollen, ironisch- direkten, manchmal etwas ruppigen, aber stets freundlichen Art, mehr der bestimmende Part, sie, ausgestattet mit ungeheurer sozialer Kompetenz, das Waltraut Hänssel mit Walter Stöhrer vor dessen Werken. Herz und die Seele gemeinsamer Unternehmungen. Der Wunsch, berufliche Leidenschaft und die Liebe zur Kunst möglicherweise eines Tages zu verbinden, hatte Roland Hänssel stets begleitet. Erste Kommunikationsversuche bezüglich möglicher Vorhaben zur Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Künstlern quittierte die Mehrheit seiner Freunde, Bekannten und Kollegen mit dem gut gemeinten Rat „Nimm Tote“. Doch Hänssel hatte bereits seinen Plan gefasst und sollte damit Recht behalten. Die Idee der manus presse war geboren. Die Namensgebung wurde dabei der Legende nach aus verschiedenen Alternativen durch den Wurf eines Dartpfeiles entschieden. 5 Das 1961 gegründete Verlagshaus in Stuttgart- Möhringen editierte in Büchern und Mappen, Einzelblättern sowie Periodika vornehmlich Originalgrafik, wobei der Fokus zum einen auf Ausprägungen der neuen Figuration lag, zum anderen auf surrealer und abstrakter Bildfindung. Der erste Kunstschöpfer, von dem ein Werk in der manus presse veröffentlicht wurde war kein geringerer als HAP Grieshaber. Zahlreiche weitere Max Ernst mit Roland und Waltraut Hänssel im Garten seines Hauses in folgten. Roland und Waltraut Seillans. Hänssel pflegten ein überaus freundschaftliches, geradezu familiäres Verhältnis zu den Künstlern, mit denen sie zusammenarbeiteten. Gerade Grieshaber, der deutsche Nachkriegs- meister des künstlerischen Holzschnitts, blieb dabei über all die Jahre eine der großen Identifikationsfiguren der Stuttgarter Herausgeber. Einige seiner zentralen Werke, sowohl Mappen wie Einzelblätter wurden hier veröffentlicht. Höhepunkte der Editionstätigkeit der manus presse waren sicherlich die jeweilige Zusammen- arbeit mit Max Ernst, Christo, Richard Lindner und Salvador Dalí, die zu exzellenten Ergebnissen führte. Neben dem kunstschaffenden gehört zweifellos auch ein gewisser kunst- distributierender Aspekt zu den wesenhaften Zügen der manus presse und erklärten Zielen Roland und Waltraut Hänssels. Mit ihrem Bestreben, Kunst einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, lagen sie voll im Trend einer fortschreitenden Demokratisierung der Kunst, welche ihren vorläufigen Höhepunkt hinsichtlich der Grafikfolgen sicherlich in den 1980er Jahren fand. Die umfangreiche Tätigkeit der manus presse wurde ab 1968 um eine eigens gegründete Galerie erweitert, in welcher zudem in steigendem Maße zahlreiche Einzelausstellungen gezeigt wurden. Neben zahlreichen Grafikwerken werden im Rahmen dieser Auktion überdies nun exzellente Gemälde befreundeter und kooperierender Künstler jener Zeit angeboten, darunter einige her- vorragende marktfrische Arbeiten von Max Ernst, Zoran Music, Christo oder Antonio Saura. Schließlich profitiert die private Kunstsammlung von Roland und Waltraut Hänssel - auch hin- sichtlich unabhängig vom Editionsgeschehen erworbener Werke - in hohem Maße von deren über die Jahre erworbenen, ausgezeichneten Auge für qualitativ hochwertige Kunst. Zu den nennenswertesten Beispielen hierfür zählt sicherlich das Titelbild dieses Kataloges, das frühe Gemälde „Deux cimes“ des chinesisch-französischen Ausnahmekünstlers Zao Wou-Ki. 6 Roland Hänssel bei seiner täglichen Arbeit für die manus presse. 7 manus presse A Life For Art The collection of Roland and Waltraut Hänssel The collection of Roland and Waltraut Hänssel is not an art collection in the conventional sense. This collection repre- sents not simply an arbitrary accumulation of art works, rather it embodies much more than that. Over a number of decades, Roland and Waltraut Hänssel lived and worked at the very heart of the contemporary art scene, associating closely with leading international artists such as Salvador Dalí, Max Ernst, Antonio Saura or Christo. They not just suppor- Waltraut and Roland Hänssel at Art Cologne. ted and promoted both young and established artists but also enabled the creation of oppor- tunities for cooperation between creative visual artists and famous writers like Samuel Beckett or the French poet Jacques Prévert. This private collection presented here, undoubtfully reflects not only a lifelong achieve- ment, but depicts a piece of vivid contemporary history, show-casing a multi-faceted lifeti- me spent with and for art. Roland Hänssel grew up in modest circumstances. His father was a hair-stylist and perished in the war. Driven by the urge to flee both the spiritual and physical confinement of a childhood in National-Socialist Germany, Roland Hänssel discovered for himself, alrea- dy at a very young age, the broader horizont of the world of art. At first, he began to paint, but ultimately decided to learn a craft instead, that of typesetter. It was to be a very fortu- nate decision for Roland Hänssel, since, this change of plan led not only to the circum- stances under which he was to meet his future wife Waltraut, but also in the following years, to the establishment of the manus presse. 8 Waltraut Hänssel, née Kirsch, initially studied music with the intention of becoming a teacher. When one of her professors recognized and promoted her talent for singing, she willingly followed this encouragement and for a short time, even enjoyed an engagement at the Stuttgart Opera. She financed her studies herself as a stenotypist, working for several Stuttgart publishers. It was in fact during a job interview that Waltraut Kirsch was to meet the man, Roland Hänssel, who was to become not just her boss but also her future hus- band. As a couple, these two were both profes- sionally and privately a splendid and perfectly well-coordinated team, consti- tuting a really well-balanced match. Roland, being the more authoritative and humorous type, ironical and straightforward in nature, if somewhat a bit rough, was always friendly in charac- Waltraut Hänssel and Walter Stöhrer in front of his ter. Waltraut, on the other hand, equip- works. ped with tremendous social abilities, was the heart and soul of all their shared enterprises. It had long been a wish of Roland Hänssel that his professional passion could, possibly, one day, be combined with his love for art. Although Roland Hänssel had made initial attempts at communicating with contemporary artists to find projects and cooperations, the majority of his friends and colleagues at that time commented only with the following well-intentioned advice “Nimm Tote” (‘Better try with dead artists’). But Hänssel was already committed to his plans and wished to be pro- ven right. The idea of manus presse was born. As legend has it, the choice of name was in fact decided by throwing a dart. 9 In 1961, the publishing compa- ny was founded in Stuttgart- Möhringen and edited original graphic works in books and portfolios, as single sheets or in periodicals. Editing focused firstly on printing expressions of the new figuration and secondly on surreal and abstract pictorial solutions. The first artist to have one of his works published by manus presse was none other than HAP Grieshaber and many more were to follow. Roland und Max Ernst with Roland and Waltraut
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