B 215 75 F zur debatte 6/2010 Themen der Katholischen Akademie in Bayern 6 12 28 41 Botschafter a. D. Dr. Herbert Honso- Erzbischof Piero Marini schildert die Die Freundschaft von Goethe und Prof. Dr. Ludwig Huber schreibt über witz gibt Hintergrundinformationen Aktualität und Bedeutung der Eucharis- Schiller ist das Thema von Prof. Dr. Kognition und Moral bei Tieren und zum iranischen Atomprogramm tischen Bewegung Rüdiger Safranski Menschen 8 26 31 46 Die Verbindung von persischer Litera- Rabbiner Tom Kućera legt dar, wie der Von großen Frauenfreundschaften weiß Das Werk des Malers Arnulf Rainer tur und iranischer Gesellschaft erklärt Beginn des Lebens im Judentum defi- Dr. Sabine Eickenrodt zu berichten analysiert Prof. Dr. Reinhold Baumstark Dr. Roxane Haag-Higuchi niert wird „Länder-Revue“ Iran: 31 Jahre Islamische Revolution – Iran vom Gottesstaat zur „Militärdiktatur“ ? Peter Mezger Zur aktuellen Situation in einem Land im Wandel I. Es war kurz nach 9.00 Uhr am 01. Feb.1979, als die Air-France Sonder- maschine über Teheran auftauchte. An Bord Ajatollah Ruhollah Chomeini, der nach 15-jährigem Exil in seine Heimat zurückkehrte. Als Reporter für die ARD kam ich nach 4 Stunden Fußmarsch ge- rade noch rechtzeitig vom Hotel zum Flughafen in Teheran. Die Stadt war KNA-Bild lahmgelegt. Millionen säumten die Plät- ze und Zufahrtsstraßen zum Flughafen, um einen Blick auf den Revolutionsfüh- rer werfen zu können, der es geschafft hatte, den Schah, den einst mächtigsten Herrscher des Orients, zu entthronen. Nicht nur ich, alle spürten den Hauch eines historischen Moments. Es kamen nicht nur gläubige Untertanen, um ihrem greisen Helden zuzujubeln: Schahgegner, Bürger aller Klassen, Jun- ge und Alte – alle erwarteten von dem Foto: dpa Mann, dem sie bereits den Ehrentitel Weltweit protestierten Menschen gegen Ahmadinedschad brutal niederschlagen „Imam“ gegeben hatten, einen Aufbruch Peter Mezger, langjähriger ARD-Korres - das Verhalten des iranischen Regimes, ließ. Diese Menschen versammelten sich in eine neue, eine bessere Zeit. Auf dem pondent in Teheran, München das Proteste gegen die Manipulation im Juni 2009 in Washington. Weg vom Flughafen zum Friedhof Be- bei der Wiederwahl von Präsident heschte – Sahra, wo er als Erstes die To- ten der bisherigen Kämpfe ehren wollte, riefen ihm alle zu: „Allahu – akbar, Der Iran liefert zurzeit nur negative religiösen und auch kulturellen Situa- Chomeini ist unser Führer” und und vor allem die breite Mittelschicht Schlagzeilen: Scharfe Kritik gibt es am tion des Landes. Landeskundige Ex- „Chomeini, du bist meine Seele“. Der im Iran beruhigen. Zwei Wochen lang Atomprogramm; die Verletzung der perten lieferten bei der Tagung mit Imam eroberte Irans Hauptstadt im Tri- war Teheran Wallfahrtsort. Der Revolu- Menschenrechte und eine aggressive dem Titel „Iran. Zur aktuellen Situa- umphzug. tionsführer sprach nicht viel, mit seinem Anti-Israel-Polemik sind weitere tion in einem Land im Wandel“ wich- Nicht nur ich, auch die meisten ande- langen, weißen Bart wirkte er wie ent- Punkte, die fast überall auf der Welt tige Hintergrundinformationen, die ren Journalisten vor Ort waren überwäl- rückt. Trotzdem oder vielleicht deshalb, scharfe Reaktionen auslösen. In ihrer helfen können, die aktuellen Nach- tigt von der Strahlkraft dieses alten jubelten ihm die Massen unaufhörlich Reihe „Länder-Revue“ befasste sich richten besser einzuordnen. „zur Mannes. Wer ahnte schon, was der Re- zu. Frauen brachen verzückt in Tränen die Akademie am 18. September 2010 debatte“ bringt die überarbeiteten volutionsführer wirklich vorhatte. Im aus, Männer riefen: „Wir sind alle deine mit der politischen, ideologischen, Referate. Exil sprach er viel von Demokratie. Da- Soldaten, Chomeini, nur dir gehorchen mit wollte und konnte er das Ausland wir.“ Ich stand oft mittendrin und wusste nicht, wie ich das einordnen sollte: Ver- III. Endlich einer, der sich traut, das zu rückt, orientalisch oder glücklich. sagen, was er denkt. Die anderen Herr- Mit der Bedrohung von außen innere scher und Konkurrenten Ahmadined- II. Stabilität zu gewinnen, diese über le- schads im Mittleren Osten allerdings Editorial bens notwendige Devise des Regimes wurden immer nervöser, fühlen sich Als der wie ein Heiliger Verehrte kam gerade noch zur rechten Zeit, als von einem immer mächtiger werdenden Liebe Leserinnen und Leser! dann nach Ghom umzog, in die heilige im Sommer 1980 Saddam Hussein, auf- Iran bedroht. Der Machtkampf dreht Stadt, wo er vor seinem Exil als islami- gerüstet von den USA, den Iran angriff. sich um die Vorherrschaft in der Region In der Astrophysik spricht man scher Gelehrter wirkte, wurde Chome ini Es folgte ein 8-jähriger Krieg mit Hun- und da ist der Iran kräftig im Vor- vom „kosmischen Hintergrundrau- deutlicher. Die „Islamische Republik“ derttausenden Toten, darunter zehntau- marsch. Vor allem dank des Fiaskos der schen“, bzw. der „kosmischen Hin - nahm rigorose Formen an. Ihr oberstes sende Kinder, die auf iranischer Seite Amerikaner im Irak und Irans großem tergrundstrahlung“, und meint damit Prinzip: Die „Welajat – e Fakih“, die als Minenauslöser an vorderster Front Einfluss auf die schiitische Mehrheit elektromagnetische Signale, die als „Herrschaft des führenden Rechtsgelehr- eingesetzt worden waren. dieses Nachbarlandes. Ergebnisse des berühmten „Ur- ten“. Eine einmalige Konstruktion, ganz Der Krieg endete mit einem Patt knalls“ den physikalischen Hinweis zugeschnitten auf Chomeini, dessen und hinterließ ein ausgeblutetes Land, IV. darauf geben, wie einmal alles ent- Autorität und Charisma keine Kritik an das keine Kraft mehr hatte, sich mit standen ist. seiner Machtfülle zuließ. Staatsgründer dem Regime auseinander zu setzen. Als Überlagert wird Irans Streben nach Chomeini steht über allem: dem Parla- Chomeini ein Jahr nach Kriegsende der Führungsrolle in der Region von der Mir scheint, nicht die schlechtes- ment, der Justiz, den Streitkräften, den starb, traten zwei Männer sein Erbe an: Nuklearfrage. Irans undurchsichtige ten unserer Akademieveranstaltun- Medien. Er ist außer Gott niemandem Ali Chameni wurde Revolutionsführer, Atompolitik ist nicht nur für seine gen seien jene, die einen „Knall“ Rechenschaft schuldig. Als ich ihn da- also der eigentliche Nachfolger Chomei- Nachbarn besorgniserregend, sie ist von nicht nur direkt reflektieren, so wich - mals in Ghom während eines Interviews nis und Haschemi Rafsandschani Präsi- globaler Bedeutung. Für Ahmadined- tig das bleibt, sondern das „Hinter- fragte, wie das denn mit seinen früheren dent. Beide gingen davon aus, die Num- schad, den Provokateur, war die Atom- grundrauschen“ verdeutlichen, viel- Reden von Demokratie zusammenpasse, mer 1 zu sein. Der eine formal, der an- politik von Anfang an DIE willkommene leicht überhaupt erst spürbar ma- sagt er mir kurz und unbewegt: „Demo- dere faktisch. Der eine ultrakonservativ, Gelegenheit, um international Aufmerk- chen, das verstehen hilft, warum kratie ist westlich, und wir lehnen west- der andere plädierte für größere persön- samkeit erregen zu können. Er be- überhaupt etwas so ist, wie es ist. liche Systeme ab. Das Volk will eine Is- liche Freiheiten, die er jedoch nicht schleunigte die Urananreicherung in be- lamische Republik, keine Demokratie, durchsetzen konnte oder wollte. Dass kannten und geheimen unterirdischen Diesen Eindruck hatte ich z.B. bei wie ihr euch das vorstellt. Wir werden sie das Volk längst nicht mehr hinter Anlagen. Die Kontrolleure der Interna- unserer Tagung über den Iran. Des- uns nicht darum kümmern, ob das dem sich hatten, zeigte sich bei der Präsi- tionalen Atomenergiebehörde in Wien sen umstrittenes Nuklearprogramm Westen passt oder nicht. Hier im Iran, dentschaftswahl 1997. wurden immer vor vollendete Tatsachen oder die Situation der religiösen muss sich alles am Islam orientieren.“ Nicht ihr Kandidat, sondern der Re- gestellt, wurden getäuscht. Zugegeben Minderheiten sind wohl nur richtig So kam es dann auch. Aus der „Isla- former Mohammed Chatami siegte hat der Iran nur das, was nicht mehr zu zu verstehen, wenn man eine Ah- mischen Republik“ wurde ein „Gottes- haushoch. Doch dem sensationellen Er- verheimlichen war. nung bekommt vom „Hintergrund- staat“. Bewaffnete Hezbollahis, Partei- gebnis folgte nicht das, was die Wähler Das iranische Regime hat sich nach rauschen“ der islamischen Revolu- gänger Gottes, wurden auf alle losgelas- erhofft hatten: Weder eine politische Li- diesem Verwirrspiel dem Verdacht aus- tion während der vergangenen 31 sen, die sich nicht den moralischen Vor- beralisierung, noch eine wirkliche Öff- gesetzt, dass es letztlich die Atombombe Jahre. stellungen der Islamisten fügten. Nicht nung des Landes nach Westen. Von bauen möchte. Irans Argument, dass es korrekt islamisch gekleidete Frauen, konservativen Hardlinern beherrschte nur um die friedliche Nutzung der Ein ganz anderes „Hintergrund- Journalisten, Verleger – alle Oppositio- Institutionen, wie Sicherheitsapparat, Kernenergie gehe und schon Revolu- rauschen“ wurde hörbar, als es um nelle oder Andersdenkende wurden Justiz, der allmächtige sog. Wächterrat tionsführer Chomeini die Nuklearwaffe den Eucharistischen Weltkongress verfolgt, verhaftet, gefoltert, viele zum oder der Revolutionsführer selbst, für unislamisch erklärt habe, dies wirkte in München vor 50 Jahren ging. Vie- Tode verurteilt. stoppten alle Reformprojekte, die ihre und wirkt immer noch unglaubwürdig, le (ich auch, junger Ministrant, der Widerstand formierte sich. Die erste Macht hätten begrenzen können. wenn man bedenkt, mit welcher Inten-
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