Carus Franz Schubert Ausgewählte Lieder Dunkel oder Licht Cornelius Hauptmann Eric Schneider Franz Schubert (1797–1828) Dunkel oder Licht Ausgewählte Lieder Cornelius Hauptmann, Bass Eric Schneider, Klavier 1 Der Strom D 565 1:42 11 An den Tod D 518 1:20 2 Auf der Donau D 553 3:25 12 Der Tod und das Mädchen D 531 2:29 3 Fahrt zum Hades D 526 4:30 13 Totengräberweise D 869 4:56 4 Grenzen der Menschheit D 716 7:08 14 Totengräberlied D 44 2:28 5 Der Pilgrim D 794 4:33 15 Das Grab D 569 3:24 6 Grablied für die Mutter D 616 2:32 16 Totengräbers Heimweh D 842 6:19 7 Hoffnung D 637 2:54 17 Litanei auf das Fest Allerseelen 2:08 8 Wandrers Nachtlied D 768 2:19 D 343 9 Die Mutter Erde D 788 3:32 Total time: 59:34 10 Der Jüngling und der Tod D 545b 3:52 Recorded at the Reitstadel in Neumarkt (Oberpfalz), Photos: Cornelius Hauptmann (Cover, p. 7, 9: Nina Lézard; Spring 1996, editing and mastering June 2010 Inlay: Monika Paulick), Recording producer: Andreas Neubronner, Tritonus Eric Schneider (p. 10 and Inlay: Bodo Vitus) Flügel: Steinway & Sons Hera Lind (p. 3: PR); © 2010 by Carus-Verlag, Stuttgart p. 5: Wilhelm A. Rieder, Franz Schubert (Aquarell, 1824) Dunkel oder Licht auch schon mal auf die Nerven geht, ein Vorwort „Farben des Todes“ schreiben? Warum sucht er sich nicht jemanden, von Hera Lind der weise ist und klug und belesen, besinnlich und ernsthaft, philosophisch und religiös, fundiert und Als mir Cornelius Haupt- gebildet? Ich bin genau die Falsche: Ich habe he- mann von seinem Projekt ranwachsende Kinder, mich frisst der Alltag, meine „Dunkel oder Licht“ er- Termine, ich habe keine Zeit, über den Tod nachzu- zählte, war ich überrascht. denken. Gott sei Dank. Tod ist was für alte Leute. Einerseits über die Tatsa- Oder für Betroffene. Aber nicht für den „Jeder- che, dass er eine ganze CD mann“. mit Liedern zum Thema Vergänglichkeit und Tod besingen wollte – der Andererseits war ich neugierig geworden. Auf mei- Mann steht doch mitten im Leben! Der strotzt doch nen langen Fahrten von Termin zu Termin hörte ich nur so von Lebensenergie! Was gibt der sich mit mir die Lieder an. Immer wieder. Nicht mehr das dem Thema ab, warum kniet er sich so tief da hi- ewig gleiche Radioprogramm, das einem ständig nein, wenn er nicht einen persönlichen aktuellen die Zeit und das Wetter sagt, sondern nur dieses: Anlass hat, sich mit dem Knochenmann auseinan- Lieder zum Thema Tod von Franz Schubert. Wäh- derzusetzen? rend ich im Hochsommer durch die Mitte des Le- bens reiste. Diese Lieder über die Farben des Todes Und andererseits: Wer will das hören? Wer ver- machten mich süchtig. Was war es, welcher Stoff, schenkt so etwas? Eine ganze CD nur mit Liedern welches Hormon, welche Opioide hatten mir denn „An den Tod“? O nein, dachte ich (und sagte ich zu bis dahin gefehlt, ohne dass ich sie vermisst hatte? ihm!), mein Lieber, die Rechnung geht nicht auf. Du kannst Walzer singen, fröhliche Weisen, Irgendwann war ich soweit, dass mir klar wurde: Schnulzen, du kannst Lebensfreude verkaufen, die Gerade weil ich mitten im Leben stehe, besser ge- wird immer gern genommen, ich spreche da aus Er- sagt durchs Leben tanze, schlingere, taumle, falle, fahrung. Millionenfach wird Lebensfreude gekauft, brauche ich diese Lieder. Welche Ruhe zwischen aber Lieder über den Tod? den Stürmen! Er wolle seine CD ja nicht millionenfach verkaufen, Sollte ich meinen Eindruck der akustischen Farben, antwortete der Sänger, sondern nur an diejenigen, die das neugierige und anfänglich auch wider- die etwas ganz Besonderes hören wollten, das läge spenstige Ohr erreichten, mit einem Wort zusam- ihm am Herzen. menfassen, so fiele mir nur ein: Trost. Trost und Ru- he. Aber wieso sollte dann ausgerechnet ich, von der Presse gern als „stets fröhliche Powerfrau“ dekla- Einmal durch die Farben Schuberts. Trost und Ruhe riert, deren Lebensfreude dem Einen oder Anderen auch durch die Farben der Texte. Trost und Genuss 3 durch die warmen und ehrlichen Farben der Stim- zu rudern, milde jedem Schmerz zu lächeln und sich me Cornelius Hauptmanns. Und nicht zuletzt Trost dem Sensenmann entgegenzusehnen. Außer für durch Leben und Temperament in der Klavierbe- den ganz Religiösen. Das Leben ist ja zum Glück für gleitung Eric Schneiders. viele zu schön, zu prall, zu aufregend, zu commod, Mir war nicht bewusst, dass ich Trost und Ruhe ver- um sich mit Goethes Worten „Warte nur, balde ru- misst hatte – vorher. hest Du auch“ freiwillig mit dem Gedanken an sein Ende zu befassen. Oder an das, was danach Mir fehlt es doch an nichts! Ich hetze doch durch kommt. Dabei ist unübersehbar, dass alle, die das die Welt und finde Spaß daran! Das Leben rast an Abenteuer „Leben“ durchstehen, eines verbindet, mir vorbei, ich kann es kaum festhalten, es ist ein so sicher wie das Amen in der Kirche: das Ende des Karussell, auf dem mir gerne schwindlig wird! Dass Abenteuers. Der Tod. der Tod dabei automatisch näher kommt, will ich doch gar nicht wissen. Wenn er da ist, ist er da. Im Totengräberlied wird das auf satt makabere Wei- Peng! Hauptsache, es war schön. Das Leben. se deutlich: „Weiland groß und edel nickte dieser Schädel“ und „Jener Kopf mit Haaren war vor we- Wenn der Mensch sich vom „Stress“ erholen und nig Jahren schön, schön wie Engel sind“ und „Reich` sich was Gutes gönnen will, dann spannt er aus, und arme Leute werden meine Beute …“. Wer das lässt laut Prospekt die Beine baumeln, Seele gleich aus Angst verdrängt, bringt sich um was. Der Tod ist mit, alles im Preis inbegriffen. Der Mensch genießt das Einzige, was wir wirklich alle und ausnahmslos dolce far niente, sitzt auf der Sommerwiese, leistet er“leben“ werden. Ganz umsonst, – oder wie der sich den den Luxus, in Wolken oder Sonnenunter- makabere Zeitgeist heute sagt: Umsonst ist der Tod, gänge zu blicken, oder er sucht die Herausforde- und der kostet das Leben. rung und Zerstreuung durch neue Abenteuer, Fal- lenlassen durch Bungee-Springen, Wildwasser-Raf- Den Tod ganz ernsthaft in den Mund zu nehmen, ting, Paragliding oder mit dem Mountain-Bike. oder ins Ohr, auch wenn man nicht akut betroffen Esoterische Wesen reisen nach Indien, meditieren ist, kostet Mut. Diese CD zu kaufen, oder gar zu mit einem Guru, lernen endlich Seele und Bedürf- verschenken, erst recht. Dabei sind die „Farben des nisse kennen, holen Innerstes aus Versenkung, er- Todes“ völlig zeitlos. Und keinem Modetrend un- nähren sich vegetarisch. Unterm Strich: Der terworfen. Sie leuchten immer. Sie sind nie out. Mensch schöpft Kraft fürs Weiterleben. Der eine Auch wenn die Sprache an manchen Stellen veral- so, der andere so. tet scheint. Die Musik ist es nicht. Die Musik wird uns genauso überleben wie die Sprache. Sich den Aber wann und wie schöpft er Kraft für den Tod? „Farben des Todes“ hinzugeben, ist tatsächlich ein Für den deutschen Jedermann um das Jahr 2010 ist ganz besonders kostbares Stückchen Luxus. es nicht mehr angesagt, in „Fluss“ oder „gekräu- selte Wellen“ oder „Baumes Wipfel“ zu starren, „Ruhn in Frieden alle Seelen.“ Blütenschauern zu lauschen, mit traurigem Takte 4 Dark or Light children, the daily grind consumes me, my appoint- “Colors of Death” ments, I don’t have any time to contemplate death, by Hera Lind thank God. Death is something for old people. Or for persons affected. But not for “Everyman.” I was surprised when Cornelius Hauptmann told me about his project “Dunkel oder Licht” (Dark or But then again, my curiosity had been aroused. I lis- Light). On the one hand about the fact that he tened to the songs on my long journeys from wanted to make a CD totally dedicated to the sub- appointment to appointment. Over and over. No ject of mortality and death – a man in his prime! longer did I listen to the same old radio program, Just bursting with the energy of life! Why does he constantly telling one the time and about the concern himself with this subject, why does he im- weath er, but just this: lieder on the subject of death merse himself in it when he has no personal reason by Franz Schubert. While traveling in high summer to concern himself with death at the moment? through the midst of life. These lieder about the colors of death were making me addicted. What On the other hand, who wants to listen to that? was it, which substance, which hormone, which Who is going to give that as a present? A whole CD opiate had I been lacking up until then, yet without with nothing but lieder “dedicated to Death?” Oh missing it? no, I thought (and and told him so!), my dear, this will not succeed. You can sing waltzes, merry airs, Then at some stage I reached the point when it be- tearjerkers. You can sell joie de vivre, it is always came clear to me: for the very reason that I was in gratefully accepted, I speak from experience. Joie the midst of life, or rather because I was dancing de vivre is sold a million times over, but songs about through life, lurching, whirling, falling, do I need death? these lieder. What calm between the storms! The singer answered that he did not want to sell mil- If I could find one word to sum up my impression of lions of CDs, but only to those people who wanted the acoustic colors that reached my curious and ini- to hear something special, that is what lies close to tially stubborn ear, then I could think of only one: his heart.
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