Weitere Literarische Texte Im Kontext Des Lichtenstein

Weitere Literarische Texte Im Kontext Des Lichtenstein

Weitere literarische Texte im Kontext des Lichtenstein Gustav Schwab, Schloß Lichtenstein (1816) In einem tiefen grünen Thal „Auf meiner Burg, Herr Herzog, ja! Steigt auf ein Fels, als wie ein Strahl, Ist Erde fern, doch Himmel nah; Drauf schaut das Schlößlein Lichtenstein Wer schaut hinauf und wohnt nicht gern Vergnüglich in die Welt hinein. Im Himmelreich von Mond und Stern?“ 5 In dieser abgeschiednen Au 45 Da hebt der Herzog seinen Blick Da baut‘ es eine Ritterfrau, Und sieht nicht wieder aufs Land zurück; Sie war der Welt und Menschen satt, Von Nacht zu Nacht wird er nicht satt, Auf den Bergen sucht sie eine Stadt. Bis er es wohl verstanden hat. Den Fels umklammert des Schlosses Grund, Und als nach manchem schweren Jahr 10 Zu jeder Seite gähnt ein Schlund, 50 Er wieder Herr vom Lande war, Die Treppen müssen, die Wände von Stein, Da hat er alles wohl bestellt Die Böden ausgegossen sein. Und hieß ein Freund von Gott und Welt. So kann es trotzen Wetter und Sturm, Wie hat er erworben solche Gunst? Die Frau wohnt sicher auf ihrem Turm. Wo hat er erlernet solche Kunst? 15 Sie schauet tief ins Thal hinab, 55 In des Himmels Buch, auf Lichtenstein, Auf die Dörfer und Felder, wie ins Grab. Da hat er’s gelesen im Sternenschein. * „Die blaue Luft, der Sonnenschein,“ Das Schloß zerfiel, es ward daraus Spricht sie, „der Wälder Klang ist mein, Ein leichtgezimmert Försterhaus; Eine Feindin bin ich aller Welt, Doch schonet sein der Winde Stoß, 20 Zu Gottes Freundin doch bestellt.“ 60 Meint, es sei noch das alte Schloß. Mit diesem Spruch sie lebt‘ und starb, Und einsam ist es jetzt nicht mehr, Davon das Schloß sich Ruhm erwarb, Es kommt der Gäste fröhlich Heer, Seit wohnte drauf manch ein Menschenfeind Aus einer Höhle kommen sie, Und ward in der Höhe Gottes Freund. Doch Menschenfeinde sind es nie. 25 Und als vergangen hundert Jahr, 65 Manch holdes Mädchenangesicht Ein Menschenfeind auch droben war, Läßt leuchten seiner Augen Licht, Lang hatt‘ er an keinen Menschen gedacht, Da führt mit Recht in solchem Schein Da pocht‘ es einsmals an zu Nacht. Das Schloß den Namen Lichtenstein. „Es ist ein einzger vertriebner Mann, Die Männer stolz, die Mägdlein frisch, 30 Der Welt Feind wohl er sich nennen kann, 70 Sie sitzen alle um Einen Tisch; Herr Ulrich ist’s von Württemberg, Die Erde lächelt herauf so hold, Zu Gaste will er auf diesen Berg.“ Es strahlt am Himmel der Sonne Gold. Der andre hat ihm aufgemacht, Sie spenden von des Weines Tau Er nimmt des Fürsten wohl in acht; Dem Herzog und der Edelfrau, 35 Er zeiget ihm das finstre Thal, 75 Sie bitten sie, dies Schlößlein gut Das weit sich dehnt im Mondenstrahl. Zu nehmen in ihre fromme Hut. Der Herzog schaut hinunter lang, Und ziehn sie ab, mit einer Brust Er spricht mit einem Seufzer bang: Voll Gotteslieb‘ und Menschenlust, „Wie fern, ach! von mir abgewandt, Dann steht im späten Sternenschein 40 Wie tief, wie tief liegst du, mein Land!“ 80 Einsam und selig der Lichtenstein. Vorlage: Gustav Schwabs Gedichte. Hrg. von Gotthold Klee. Gütersloh 1882, S. 206 ff. zitiert nach: Inge Nunnenmacher, Wilhelm Hauff und sein Roman Lichtenstein, Folge II. Ein Märchenschloss wird Wirklichkeit, in: http://www.goethezeitportal.de/wissen/illustrationen/wilhelm-hauff/lichtenstein-ii.html (07.08.2017)) Arbeitskreis für Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen www.landeskunde-bw.de Eduard Paulus, Hauff – Lichtenstein In erster Dämmrung, wenn die Finken schlagen, Welch lustig Wandern durch das Buchengrün, Von oben winkt der Lichtenstein so kühn, Als wie von Feenhand emporgetragen. 5 Im tiefen Thal beginnt es kaum zu tagen, Da schon des Felsenschlosses Zinnen glühn, Und weit umher des Himmels Wolken blühn, Die eben noch in finstrer Gräue lagen. Und dort am höchsten Riff steigt einsam auf, 10 Von Epheuzweigen liebevoll umschlungen, Dein schlicht Erinnerungsmal, o Wilhelm Hauff, Der du den Ort unsterblich schön besungen – Schwermütig steigt es auf im Morgenrot, Das dir geleuchtet in den frühen Tod1. Vorlage: Paulus, Eduard: Gesammelte Dichtungen. Verlag Friedrich Frommann (E. Hauff), Stuttgart 1892, S. 111. (zitiert nach: Inge Nunnenmacher, Wilhelm Hauff und sein Roman Lichtenstein, Folge II. Ein Märchenschloss wird Wirklichkeit, in: http://www.goethezeitportal.de/wissen/illustrationen/wilhelm-hauff/lichtenstein-ii.html (07.08.2017))) 1 Zitat aus Hauffs Gedicht Reiters Morgengesang: „Morgenrot, Morgenrot, leuchtest mir zum frühen Tod?“ Arbeitskreis für Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen www.landeskunde-bw.de Justinus Kerner, Lichtenstein - An den Herrn Grafen Wilhelm von Württemberg (1852) Es kam der alte Troubadour, 25 Fata Morgana scheint’s zu sein, Bevor sein Auge decket Nacht, Ein Feenspiel, das wunderbar Zu schauen endlich einmal nur Die Burg auf diesen Felsenstein Auch deines Lichtensteines Pracht. Gestellet, wie sie vormals war. 5 Und mit ihm kam Ottavio2, Doch, Maler! nicht kannst malen du, Der Malerei kunstreicher Sohn, 30 Weckst Claude Lorrain du aus der Gruft, Der blut’gen Tiberstadt entflohn, Hier oben diese Himmelruh‘, Als Volkswut bot den Künsten Hohn. Den Zauber dieser reinen Luft. In die Geschichten eingeweiht, Doch, Maler! malen kannst du nicht 10 Die diesen Felsen wohlbewußt, Vom Tal der Glocken fromm Geläut, In deines Ahns romant’sche Zeit, 35 Das Echo, das aus Felsen spricht, Wie malt ein Maler hier mit Lust Den Frieden der Waldeinsamkeit. Ein Bild – wie auf dem Roß mit Macht Ist krank ein Haupt, ist krank ein Herz, Einst Ulrich in die Fluten sprang Es heilt in dieser Höhe Ruh‘, 15 Und dann in stummer Felsen Nacht Der Himmel schließet hier dem Schmerz Dem irren Wild sein Klaglied sang; 40 Der Tiefe seine Tore zu. Ein Bild von jenem lichten Kind, O, daß ich dürfte singen nur Das manchen Ritter hier entzückt, In dieser Erd- und Himmelspracht Und wenn’s auch Dichterträume sind, Mein letztes Lied noch der Natur 20 Der Dichter hat’s als wahr erblickt; Und sprechen froh: Es ist vollbracht! Ein Bild, wie, wann die Wolke bricht, 45 Doch still von Tod! – der mich gebar, Die Burg erscheint in blauer Luft, Der Tag ist heut! Laß froh uns sein! – Als wie erbaut aus Mondenlicht Verleihet Gott mir noch ein Jahr, Zur Leuchte dieser Felsenkluft. Sing‘ ich noch mehr vom Lichtenstein. Vorlage: Kerner, Justinus: Werke. 6 Teile in 2 Bänden. Hildesheim, New York 1974. Band 1, S. 237 f. (zitiert nach: Inge Nunnenmacher, Wilhelm Hauff und sein Roman Lichtenstein, Folge II. Ein Märchenschloss wird Wirklichkeit, in: http://www.goethezeitportal.de/wissen/illustrationen/wilhelm-hauff/lichtenstein-ii.html (07.08.2017)) 2 Ottavio d‘Albuzzi, ein junger Maler aus Rom. Von ihm stammt ein Porträt von Justinus Kerner mit einer Maultrommel in der Hand Arbeitskreis für Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen www.landeskunde-bw.de Gustav Schwab, Der Hohlenstein in Schwaben (1815) Hoch droben bei dem Dörflein Hart 45 Sie kosen traulich mancherhande, Man noch ein Felsenloch gewahrt, Wie’s gute Sitt im Schwabenlande, Es ist im tiefen Wald gelegen Sie klagen von den harten Tagen, Ab von den Feldern und den Wegen. Und wie das Land sei schwer geschlagen, 5 Es trennt der Stein sich in zwei Falten, Als hätt ihn Sturm und Blitz gespalten. Der Herzog flüchtig und verbannt, - Er scheint für Fuchs und Eul allein 50 Doch der wohl hätt’s verdient ums Land! Ein trüb unheimlich Haus zu sein. Mit Steuern und mit wildem Jagen Thät er es unaufhörlich plagen, Doch ist es bald dreihundert Jahr, Bis endlich Gott der Herr ihn lehrt, 10 Da ward zum Fürstenschloß es gar; Daß ihm’s nicht also ganz gehört. Da stand in ihm, das Haupt gebückt, 55 Der Herzog, schamrot, sah zur Erden, Den Rücken an die Wand gedrückt, Er sprach: Das soll schon anders werden; Die Arme knapp ins Kreuz geschlagen, Schon seit zwei Nächten und zwei Tagen Sie aber sagen drauf mit Lachen: 15 Ulrich der Herr vom ganzen Land, Er wird es doch nicht besser machen, Hatt nichts, als diese Felsenwand. Und wenn er’s in der Not verspricht, 60 Kommt er nur wieder, hält er’s nicht. Die Bündler hatten ihn vertrieben, Derweil sind sie ins Dorf gekommen, Sind auf den Fersen ihm geblieben: Und haben ihn ins Haus genommen. Und hätt ihn nicht der Felsenspalt Er drückt und bückt sich durch die Thür, 20 Und der verwachsne Buchenwald Doch kommt ihm alles köstlich für; In seine dunkle Hut genommen, Er wär ums Leben auch gekommen. 65 Wie schmeckt die harte Bank ihm; hei! So aber zogen mit Geschrei Wie mundet ihm der schwarze Brei! Und wildem Fluchen sie vorbei. Er nimmt vom alten Schranke dort Das neue, deutsche Bibelwort, 25 Und als es nun den müden Fürsten Er liest in Andacht die Propheten Begann zu hungern und zu dürsten, 70 Von Fürstenstraf und Volkesnöten; Fing er zu klagen an und beten, Und wie er drauf sich macht davon, Ob ihn der Herr nicht gnug zertreten; Spricht er: Gott euch für jetzt belohn, Hätt es der schmale Raum erlaubt, 30 Er wär gekniet mit bloßem Haupt. Daß ihr den Ulrich mochtet speisen Da rauscht es in den nahen Zweigen, Und ihm sein Regiment verweisen! Zwei Männer sieht er niedersteigen. 75 Er eilt hinaus, sie glauben’s kaum, Und war es ihnen lang ein Traum; Nicht Feinde sind es, wild erbost, Doch als das Land ward wiederbracht, ´s ist guter Unterthanen Trost; Sind sie gar fröhlich aufgewacht; 35 Sie kommen nicht zu fahn, zu lauern, Mit Kriegsdienst, Steuern, bösen Frohnen Es sind vom alten Schlage Bauern, 80 Hieß er das ganze Dorf verschonen, Von denen Eberhard im Bart Gerühmt die echte Landesart, Doch ward der Türk im Reich erblickt, Daß ihrem Schoß allnacht ohn Grauen Da hat es Einen Mann geschickt, 40 Sein fürstlich Haupt er wollt vertrauen.

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