Steinbruch Piesberg: Ein Sich Seit Über 150 Jahren Ständig Verändernder Blick in Die Erdgeschichte

Steinbruch Piesberg: Ein Sich Seit Über 150 Jahren Ständig Verändernder Blick in Die Erdgeschichte

Osnabrücker Naturwissenschaftliche Mitteilungen Band 44/45, S. 7 – 18, 2019 Steinbruch Piesberg: ein sich seit über 150 Jahren ständig verändernder Blick in die Erdgeschichte Franz-Jürgen Harms Kurzfassung. Seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts wird am nördlich von Osnabrück gelegenen Piesberg in großem Umfang quarzitischer Sandstein aus der Karbon-Zeit gewonnen. Vor 1898 gab es hier noch zeitweilig intensiven Bergbau auf Steinkohle (Anthrazit) und – allerdings nur im geringen Umfang – auch auf Eisenerz. Inzwischen ist der Berg weitgehend ausgehöhlt. Die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten noch gewinn- baren Vorräte werden nach heutigem Stand der Technik und bei gleichbleibendem Absatz nur noch für etwa zwei Jahrzehnte reichen. An Hand von aktuellen und historischen Fotos, alten Karten und Plänen werden sowohl die heutige Aufschlusssituation dargestellt als auch die Veränderungen des Piesbergs in den vergangenen rund 150 Jahren dokumentiert. Abstract: Quartzitic sandstones from the Carboniferous system have been intensely extracted from the Piesberg quarry near Osnabrück (Germany, Lower Saxony) since the mid-19th century. Before 1898, min- ing of black coal (anthracite) and iron ore occurred at the Piesberg on a temporary but intensive basis. The mountain is now largely hollowed out. If demand remains at current levels and with current extrac- tion technology, the recoverable, economical reserves will last for approximately only two more decades. This paper presents the current status of the Piesberg outcrop and documents changes over the past 150 years using historical photos, plans, and maps. Keywords: Piesberg, Osnabrück, quarzitischer Sandstein, Anthrazit, Karbon, Steinbruch, Bergbau, Rekultivierung Autor: Dr. Franz-Jürgen Harms, Erwinstr. 1, D-30175 Hannover; E-Mail: [email protected] 1 Einleitung Vor 305-310 Millionen Jahren lag der Bereich bende Druck- und Temperaturerhöhung Osnabrück in einem großflächigen Sen- schließlich zu quarzitischen Sandsteinen bzw. kungsgebiet, das sich vom Nordrand des Konglomeraten. Die Torflagen wurden zu heutigen Rheinischen Schiefergebirges bis Flözen aus Anthrazitkohle umgewandelt. zur Nordsee erstreckte. Flüsse vom Hinter- Am und im Piesberg wird seit über 150 Jah- land brachten im Süden Abtragungsschutt ren dieser hochwertige Sandstein, als Han- in Form von Sand und Kies mit und lagerten delsbezeichnung auch „Karbon-Quarzit“ ihn auch im Bereich des heutigen Piesbergs genannt, im industriellen Maßstab abgebaut. ab. Zeitweilig konnten sich aber auch Moore Im Steinbruch ist mehrfach der zyklische ausbilden. Torf entstand. Im Laufe der Erdge- Wechsel zwischen Kohleflözen und Sand- schichte verfestigten sich die Sand- und Kies- steinlagen gut aufgeschlossen. Osnabrücks ablagerungen durch Überlagerung jüngerer Hausberg hat durch den Abbau von Sand- Schichten bzw. durch die sich daraus erge- stein und die frühere Steinkohleförderung 7 F. -J. Harms Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 44/45 2019 tiefe Wunden erhalten und ist eigentlich nur Innenhalden, bei denen Abraum innerhalb noch ein hohler Zahn. Einige der zugefügten des Steinbruchs in nicht mehr für den wei- Wunden im Randbereich des Bergs wurden teren Abbau benötigten Bereichen abgela- durch Aufschüttung von Haldenmaterial ver- gert wird, werden sich in den kommenden füllt und durch Wiederbewaldung kaschiert. Jahren die Sichtverhältnisse auf diese beein- Eine besonders große Wunde an seinem Süd- druckenden Steinbruchwände wieder ver- rand – der ehemalige Steinbruchbereich Süd- schlechtern. Auch der Aufwuchs von Bäu- feld – wurde 1976 zur Deponie und mit rund men und Büschen im Bereich der Wände 6 Millionen Kubikmetern Hausmüll zuge- wird im Rahmen der natürlichen Sukzession schüttet. Inzwischen ist die Deponie ein Übriges dazu beitragen, den freien Blick geschlossen. Ihre Oberfläche wurde abge- auf die Schichtenfolge weiter erheblich ein- deckt und wird sukzessiv renaturiert. zuschränken. Besonders im nördlichen und östlichen Randbereich des Piesbergs – außerhalb des 2 Erzgewinnung und Kohlebergbau heutigen Steinbruchbetriebs – lässt sich an am Piesberg vielen Stellen beobachten, wie die Natur die Haarmann (1911: 12) beschrieb vom Westab- vom Menschen geformten Flächen zurück- hang des Piesbergs „zahlreiche alte Pingen“, erobert, die Rohböden allmählich besiedelt in denen zu Brauneisenstein „umgesetzter werden und temporär interessante und zum Zechstein“ abgebaut und in einem Brennofen Teil auch seltene Biotope entstehen. Nach am Schmiedehügel (im heutigen Osnabrü- dem Aufkommen von Pionierwäldern mit cker Ortsteil Pye, nahe der Lechtinger Straße) Birken, Weiden und Zitterpappeln wird sich verhüttet wurde. Der Brennofen soll aus dem hier irgendwann wieder ein für Mitteleuropa 12.-13. Jahrhundert stammen (Hakenberg typischer Laubwald mit Buchen und Eichen 1976: 2). Weitere Details oder schriftliche einstellen, zumindest falls der Mensch nicht Urkunden zu diesem Erzabbau liegen nicht erneut in die natürliche Entwicklung ein- vor. Brauneisenstein als Verwitterungspro- greift. Auch im Bereich der Felswände, in dukt des metasomatisch umgewandelten alten Bergwerksstollen und an anderen Stel- Zechsteinkalks (Perm) trat auch im „Zech- len finden seltene und geschützte Tierarten stein-Graben“ auf, der in den 1950er-Jahren wie z. B. Kreuzkröte, Uhu und viele Fleder- im Westen des Piesberg-Steinbruchs aufge- mausarten Laich- und Brutmöglichkeiten schlossen war (Morawietz 1959, Voigt 1960). oder Winterquartiere, die es ohne den frühe- Während von der Eisenerzgewinnung am ren Bergwerks- und Steinbruchbetrieb hier Piesberg heute nichts mehr zu sehen ist, sind gar nicht geben würde. vom ehemaligen Kohlebergbau noch zahl- Heute geht der Steinbruchbetrieb im zen- reiche Relikte erhalten. Seine Geschichte tralen Teil des Piesberg um. Zwei bis zu 90 m wurde von Müller (1896) und Hakenberg hohe und rund 1 km lange Steinbruchwände (1976) beschrieben. Erste Hinweise auf den – jeweils annähernd in Ost-West-Richtung Steinkohleabbau liegen aus der Mitte des verlaufend – begrenzen das aktuelle Abbau- 15. Jahrhunderts vor. Wahrscheinlich wurde feld sowohl nach Süden („Südwand“) als auch zu dieser Zeit die Kohle nur oberflächennah nach Norden („Nordwand“). Beide Wände im Bereich des Ausstrichs von Flözen gewon- erlaubten in den vergangenen Jahren einzig- nen. Im Jahr 1568 erhielt die Stadt Osnabrück artige Einblicke in die Schichtenfolge, ein- das alleinige Recht auf Kohlegewinnung am schließlich der zwischen den Sandstein- Piesberg. Sie betrieb den Abbau in Eigenregie lagen vorkommenden Kohleflöze. Wegen oder durch Verpachtung. Schächte und Stol- der nicht vermeidbaren Aufschüttung von len wurden angelegt. Mit der Aufnahme des 8 Steinbruch Piesberg: ein sich seit über 150 Jahren ständig verändernder Blick in die Erdgeschichte Abbaus in immer größerer Tiefe stiegen Kos- schließlich der von den Bergleuten stehen- ten und Risiken für den Betrieb. Die Stadt gelassenen Stempel aus Fichtenholz aufge- entschloss sich daher 1889, das Bergwerk an schlossen. Ausführliche Beschreibungen der den Georgs-Marien-Bergwerks- und Hütten- Geschichte und Entwicklung des Steinkohle- verein zu verkaufen. bergbaus am Piesberg finden sich u.a. bei Im September 1893 ereignete sich ein fol- Röhrs (1992) und Eberhard (2008). genschwerer Wassereinbruch, der neun Berg- leuten das Leben kostete. Trotz umfangrei- 3 Steinbruchbetrieb am Piesberg cher Investitionen durch den Georgs-Marien- Die früheste eindeutig nachgewiesene Nut- Bergwerks- und Hüttenverein wurde das zung von Blöcken aus Piesberg-Sandstein Bergwerk nach einem weiteren, besonders fand in der Jungsteinzeit statt. Schon vor starken Wassereinbruch im November 1897 etwa 5.000 Jahren holten Menschen tonnen- und einem im April 1898 begonnenen Streik schwere Steine vom Piesberg. Sie errichteten der Bergleute im Juni 1898 stillgelegt. Über damit östlich des Vorkommens am Abhang 1.000 Bergleute verloren ihre Arbeit. Rund einer kleinen, aus Kalkstein der Trias-Zeit 400 Jahre Kohlebergbau am Piesberg, der in (Muschelkalk) gebildeten Anhöhe ein Groß- vielen Jahren eine bedeutende Einnahme- steingrab, die „Karlsteine“ (Wulf & Schlüter quelle für die Stadt Osnabrück bildete, gin- 2000). Der größte vom Piesberg stammende gen unerwartet schnell zu Ende. Gesteinsblock misst rund 3,70 m x 2,20 m x Haarmann (1911) veröffentlichte den 0,80 m. Hauptgrundriss der Zeche Piesberg, auf dem Ob schon im frühen Mittelalter gelegent- u.a. neben dem Verlauf einiger Störungen lich Piesberg-Sandstein gewonnen wurde, ist auch die Lage der wichtigsten Flözhorizonte fraglich. So sind zwar in der vom 11. bis 15. im Niveau der Hasestollensohle (ca. 68 m Jahrhundert errichteten Alten St. Alexander- üb. NN) sowie der 1. Tiefbausohle (ca. 11 m Kirche in Wallenhorst (Müller 1976) einzelne üb. NN) und der 2. Tiefbausohle (ca. 90 m konglomeratische Sandsteine vom Piesberg unt. NN) abgebildet ist (Anl. 1). Zwei Querpro- verbaut worden1, die aber auch als Lesesteine file (von denen in Anl. 2 nur eines wiederge- interpretiert werden können. Wegen der geben wird) und ein Längsprofil ergänzen die außerordentlichen Härte des Piesberg-Sand- Darstellung (Anl. 2 u. 3). Sie vermitteln einen steins lässt er sich nur schwer formatieren. Er Eindruck der sattelförmigen Struktur des wurde daher zunächst wohl nur relativ selten Piesbergs, die im Osten von einer in Nord- als Werkstein genutzt. Verschiedene Kalk- nordost-Südsüdwest-Richtung verlaufenden und Sandsteine aus den mesozoischen Abla- Störung begrenzt wird. gerungen der Umgebung waren wesentlich Im Ersten Weltkrieg lebte

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