STUDIE Braucht München (K)Einen Zusätzlichen Neuen Konzertsaal

STUDIE Braucht München (K)Einen Zusätzlichen Neuen Konzertsaal

STUDIE Braucht München (k)einen zusätzlichen neuen Konzertsaal? Zum Vorschlag, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und den Münchner Philharmonikern die umgebaute Philharmonie im Gasteig und den renovierten Herkulessaal zur gleichberechtigten Bespielung zur Verfügung zu stellen Berlin, den 20. Februar 2015 1 www.karstenwitt.com INHALT 1. Einleitung 2. Kontext 2.1. Deutsche Konzertsäle nach dem Krieg 2.2. Neue Konzerthäuser in Europa 2.3. Musikstädte mit mehreren Konzerthäusern 3. Situation des BRSO 3.1. Säle der Rundfunkorchester 3.2. Das BRSO im Herkulessaal 4. Konzertsaalsituation in München 4.1. Herkulessaal 4.2. Philharmonie im Gasteig 5. Kapazitätsfragen 5.1. Gasteig 5.2. Herkulessaal 5.3. Kapazität insgesamt 5.4. Gemeinsame Bespielung der Philharmonie durch BRSO und MPhil 5.5. Einbeziehung des Herkulessaals 6. Gasteig-Sanierung 6.1. Akustik 6.2. Schließperiode 7. Konsequenzen – Empfehlungen 2 www.karstenwitt.com 1. Einleitung Im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz am 2.2.2015 haben sich der Oberbürger- meister der Stadt München und der Ministerpräsident des Freistaats Bayern bemüht, eine neue Perspektive zur Lösung der seit ca. 10 Jahren öffentlich diskutierten Konzertsaalprob- lematik in München aufzuzeigen. Danach sollte die Philharmonie im Gasteig, da der gesamte Gasteig ohnehin saniert werden muss, im Rahmen einer zweijährigen Schließperiode ab 2020 zu einem erstklassigen Konzertsaal umgebaut werden. Insbesondere sei eine hervorra- gende Akustik für Symphonieorchester angestrebt. Der Herkulessaal sollte zu einem nicht genannten Zeitpunkt ebenfalls renoviert werden. Beide Säle sollten dann dem Symphonieor- chester des Bayerischen Rundfunks (BRSO) und den Münchner Philharmonikern (MPhil) zur gleichberechtigten Bespielung zur Verfügung stehen. Dazu sollten auch Aufenthaltsräume für das BRSO im Gasteig geschaffen werden, möglicherweise in dem Bereich, der jetzt der Musikhochschule zur Verfügung steht; diese müsste dann anderswo untergebracht werden. Mit diesem Vorschlag soll offenbar u.a. eine Fortsetzung der Standortdebatte vermieden werden. Nachdem der zunächst vorgeschlagene Um- und Ausbau des Marstalls nicht mit dem Denkmalschutz vereinbar erschien und die Nutzung des Kongresssaals im Deutschen Museum am Widerstand des Museums gescheitert ist, erwartet die Politik offenbar für jeden neuen Standort im Zentrum von München, insbesondere den Finanzgarten, der zuletzt als Standort präferiert wurde, große Widerstände. Karsten Witt Musik Management (kwmm) ist vom Bayerischen Rundfunk beauftragt worden, kurzfristig eine unabhängige Studie zu erstellen, in der untersucht werden soll, ob dieser – offenbar für die meisten Beteiligten überraschende – Vorschlag eine Lösung der seit Jahren diskutierten Konzerthausproblematik in München enthält, und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. kwmm lagen folgende Untersuchungen vor: Möglichkeiten und Grenzen einer Parallelbespielung der Philharmonie im Gasteig durch die Münchner Philharmoniker und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Studie der Metrum Management GmbH vom Mai 2010 Gutachten zu dieser Studie von kwmm vom Juni 2010 Auslastungsprognose für einen neuen Konzertsaal in München, Management Sum- mary, Studie der Metrum Management GmbH vom Februar 2014 Diese Studie basiert im Übrigen auf Gesprächen mit Vertretern des Münchner Musiklebens sowie internationalen Fachleuten. Auch die Belegungspläne der Philharmonie im Gasteig und des Herkulessaales in der Saison 2014/15 wurden, soweit sie vorlagen, ausgewertet. Diese Studie ist rein fachlich orientiert und unterliegt keinerlei politischer Einflussnahme. 3 www.karstenwitt.com 2. Kontext 2.1. Deutsche Konzertsäle nach dem Krieg München verfügt über eine Vielzahl guter und beliebter Konzertsäle mit einem außeror- dentlich vielseitigen und hochkarätigen Musikleben. Allerdings fehlt in dieser Stadt bis heute ein erstklassiger Saal für große Symphonieorchester. Die Situation ist nicht untypisch für die im Krieg zerstörten deutschen Großstädte. Danach wurden von den Orchestern vielerorts Provisorien bezogen, die sich bald als akustisch unzu- reichend, zu beengt und auf Grund unzureichender Sichtlinien als zu wenig attraktiv für das Publikum erwiesen. Nach dem Krieg stand in vielen Städten zunächst der Bau multifunktio- naler Stadthallen im Vordergrund, in denen eine Vielzahl von Veranstaltungen von Kongres- sen bis hin zu Symphoniekonzerten stattfinden konnte. Die Stuttgarter Liederhalle, die 1956 eröffnet wurde und auch als Kongresssaal fungiert, gehört zu den wenigen Nachkriegsbau- ten, die bis heute als erfolgreiche Konzertsäle gelten. Mit der 1963 eröffneten Berliner Philharmonie wurde ein neuer architektonischer Anspruch gesetzt, der von keinem der Konzerthäuser, die in der Folgezeit in Deutschland entstanden, mehr erfüllt wurde. Allenfalls das Auditorium des 1981 eröffneten Leipziger Gewandhauses reicht, vor allem auf Grund seiner hervorragenden Akustik, an das der Philharmonie heran. In Berlin herrscht insofern eine Sondersituation, als die Berliner Philharmoniker als Hausher- ren der Philharmonie in ihrem Saal über 100 Konzerte geben und Berlin über weitere sehr gute Orchester (Deutsches Symphonieorchester, Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin) verfügt, die regelmäßig in der Philharmonie konzertieren. In der Berliner Philharmonie finden in der Kernsaison fast täglich Orchesterkonzerte statt, darunter solche mit internationalen Gastor- chestern ebenso wie mit Amateurorchestern. In Sälen wie der Berliner Philharmonie oder dem Leipziger Gewandhaus, wo das Publikum um die Bühne herum angeordnet ist, ist allerdings jede Art von elektronischer Verstärkung ebenso wie jede Projektion auf eine Leinwand oder szenische Aktion, die auf eine bestimmte Richtung hin angelegt ist, problematisch. Insofern ist es verwunderlich, dass derartige Säle neuerdings an Orten wie Los Angeles, Kopenhagen oder Hamburg entstehen, an denen eine solche Dichte an groß besetzten Klassik-Veranstaltungen wie in Berlin nicht besteht und auch nicht zu erwarten ist. Die meisten deutschen Städte entschieden sich aus guten Gründen für neue Konzertsäle, in denen ein breiteres Angebot an musikalischen Veranstaltungen präsentiert werden kann. Sehr gute variable Konzertsäle, die auch für nicht-klassische Musik geeignet sind, entstanden seit den 80er Jahren in Baden-Baden (Festspielhaus, auch als Opernhaus nutzbar), Dort- mund, Essen, Freiburg, Köln (Philharmonie), Lübeck und München (Gasteig). Die Kölner Philharmonie ist dabei der seltene Fall eines Hauses, das auf Grund seiner kurzen Nachhall- zeit für verstärkte Musik ideal geeignet ist, aber auf Grund der Transparenz und des starken Direktschalls auch von Klassikfreunden geschätzt wird. In einigen Städten wurden zerstörte historische Gebäude für die Nutzung als Konzerthaus völlig verändert wieder aufgebaut, so in (Ost-)Berlin (Konzerthaus, früher Schauspielhaus), Düsseldorf (Tonhalle, früher Planetari- um) und Frankfurt am Main (Alte Oper). 4 www.karstenwitt.com Interessant ist der Fall des Dresdner Kulturpalastes, dessen „Festsaal“ 1969 als Multifunkti- onssaal mit rund 2.700 Plätzen eröffnet wurde, die später auf rund 2.400 reduziert wurden. Er war dank seines besonderen „Kippparketts“ nicht nur für alle Arten musikalischer Veran- staltungen, sondern auch für Kongresse und Bankette nutzbar und wurde auch für die Kon- zerte der Dresdner Philharmonie erfolgreich genutzt. Ein Stadtratsbeschluss im Jahre 2004 sah zunächst eine Sanierung und eine akustische Ertüchtigung des Festsaals vor. Dieser wurde jedoch im Jahr 2008 wieder aufgehoben. Seit 2013 wird der Kulturpalast zu einem reinen Konzertsaal im Weinberg-Format mit 1.800 Plätzen umgebaut. Er soll im Jahr 2017 als Konzertsaal der Dresdner Philharmonie eröffnet werden, die dort als Hausherr auch für das gesamte übrige Veranstaltungsprogramm verantwortlich sein wird. Seit der Schließung des Kulturpalastes gibt es in Dresden für nicht-klassische Musik keinen Konzertsaal mit mehr als 1.000 Sitzplätzen. Verstärkte Musik findet somit nur noch in Clubs und kleineren Sälen oder open air und in Messehallen statt. 2.2. Neue Konzerthäuser in Europa Seit der Nachkriegszeit hat sich die Infrastruktur an Veranstaltungsstätten nicht nur im Kon- zertbereich kontinuierlich weiter entwickelt. Mit dem wachsenden Angebot konkurrierender Veranstaltungen im gesamten Bereich des Entertainments ist eine fortschreitende Differen- zierung eingetreten. Es gibt nicht nur Theater und Opernhäuser, sondern auch spezialisierte Musical-Bühnen und Tanztheater unterschiedlicher Formate. Für die historische Auffüh- rungspraxis werden Barocktheater und Paläste wiederbelebt. Neben traditionellen Konzert- häusern, die in erster Linie der klassischen Musik dienen, gibt es ganz auf Funktionalität ausgerichtete Arenen sowie kleinere Veranstaltungssäle, die gleichwohl ein großes stehen- des Publikum aufnehmen können. Für Kongresse und Konferenzen, die früher auch in Multi- funktionssälen Platz fanden, wurden eigene Kongresszentren errichtet. Events finden etwa auch im Gastronomie-Bereich statt. Und private Unternehmen nutzen, ebenso wie Theater-, Tanz- und Musikfestivals auch außergewöhnliche Locations wie z.B. alte Industriehallen. In dieser Konkurrenzsituation bleiben Konzerthäuser auf die Dauer nur attraktiv, wenn auch sie ihren Besuchern eindrucksvolle Erlebnisse ermöglichen, die sich nicht auf den musikali- schen Genuss beschränken. Gute Sichtlinien, Projektionen, Übertitelungen, unterschiedliche Formen von Inszenierungen, variables Bühnenlicht – alles Elemente, die

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