1 57 23. April 1963

1 57 23. April 1963

SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 23. 04. 1963 57 23. April 1963: Fraktionssitzung AdsD, SPD-BT-Fraktion 4. WP, Ord. 8. 1. 63 – 23. 4. 63 (alt 1033, neu 9). Überschrift: »SPD-Fraktion im Bundestag. Protokoll der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion am Dienstag, dem 23. April 1963 in Bonn, Bundeshaus«. Anwesend: 153 Abgeordnete. Prot.: Winkel. Zeit: 15.15 – 18.15 Uhr. Erich Ollenhauer eröffnet die Sitzung um 15.15 Uhr. Tagesordnung: siehe Anlage 11 1. Vorbereitung der Plenarsitzungen vom 24. und 25.௔4. 2. Bericht über Finanz- und Steuerfragen. 3. Deutsch-französisches Parlamentariertreffen vom 28. – 30.௔4. in Würzburg (10 SPD- Vertreter) 4. Nachwahl für den Europarat 5. Die nächsten Termine: Donnerstag, d. 2. Mai Arbeitskreissitzungen Freitag, d. 3. Mai, 11.00 Uhr, Vorstandssitzung Dienstag, d. 7. Mai, 11.00 Uhr, Fraktionssitzung (ganztägig) – Haushaltsberatungen – 6. Verschiedenes. Vor Behandlung der Tagesordnung ging Erich Ollenhauer auf folgende Punkte ein: 1. Den scheidenden Fraktionsmitgliedern Heinz Kühn, der Partei- und Fraktionsvor- sitzender in Nordrhein-Westfalen sein wird, und Kurt Neubauer, der als Senator nach Berlin geht, sprach er den Dank und die Anerkennung der Fraktion aus.2 Er begrüßte als Nachfolger für Kurt Neubauer Dorothea Lösche3 und kündigte Artur Anders4 als Nachfolger von Heinz Kühn an. 2. Zurückkommend auf den großen Wahlerfolg in Rheinland-Pfalz5 dankte er den Genossen für die geleistete Arbeit. 3. Bezüglich der Kanzlernachfolge sagte Erich Ollenhauer, daß es im Interesse der Demokratie liege, endlich zu einer Entscheidung zu kommen, egal welche. Die Ent- scheidung und die Konsequenzen daraus seien zur Zeit nur eine Angelegenheit der 6 CDU, da der Bundespräsident dem Bundestag einen Kanzlerkandidaten vorschlage. 1 »Entwurf einer Tagesordnung für die Fraktionssitzung am Dienstag, d. 23. 4. um 15.00 Uhr«. 2 Vgl. Nr. 55, TOP 1, bes. Anm. 2 und 3. 3 Dorothea Lösche war am 16. 4. 1963 als Abgeordnete für Berlin in den Bundestag eingetreten. In der 5. WP gehörte sie dem Bundestag ab 29. 7. 1966 an. 4 Artur Anders war am 17. 4. 1963 als Abgeordneter in den Bundestag eingetreten, nahm aber noch nicht an der Fraktionssitzung teil. 5 Vgl. Nr. 51, Anm. 1. 6 Am 22. 4. 1963 hatte sich der Vorstand der CDU/CSU-Fraktion für Ludwig Erhard als Kanzlerkan- didaten entschieden. Die CDU/CSU beriet am 23. 4. über die Nachfolgefrage und benannte mit 159 gegen 47 Stimmen bei 19 Enthaltungen Erhard als Nachfolger für Bundeskanzler Adenauer. Zum Copyright © 2017 KGParl Berlin 1 SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 23. 04. 1963 Die SPD werde sich erst nach diesem Vorschlag mit der Kandidatur Erhards beschäfti- gen. 4. Er gab bekannt, daß der Fraktionsvorstand sich noch einmal mit der Frage deutscher Wissenschaftler in Ägypten beschäftigt habe. Er unterstrich noch einmal die Auf- fassung des Fraktionsvorstandes, die Bundesregierung müsse gesetzliche Möglichkeiten finden, Tätigkeiten zu unterbinden, durch die der Frieden in der Welt gefährdet wer- de.7 5. Er wies auf die gefährliche Situation im Nahen Osten, besonders auf Israel hin, und ermahnte alle, alles zu unterlassen, was in dieser Frage irgendwie prekär oder anstößig erscheinen könnte.8 Punkt 1 der TO: Bezüglich der ersten Beratung des deutsch-französischen Vertrages9 sagte Erich Ollen- hauer folgendes: Unsere Grundlinie, die Bejahung und Förderung der deutsch- französischen Verständigung, lag und liegt fest. Sowohl in der Debatte als auch im Vertrag muß jedoch klar herausgestellt werden, daß der Vertrag auf keinen Fall die europäischen bzw. atlantischen Bündnisse beeinträchtigen dürfe, sondern im Gegenteil, Bestandteil der europäischen Zusammenarbeit sein müsse. Hinsichtlich der völkerrechtlichen Wirksamkeit müsse geprüft werden, ob ein dahinge- hender Zusatz in Form einer Präambel, eines zusätzlichen Artikels oder eines Interpre- 10 tationsgesetzes beantragt werde. Rücktritt Adenauers und der Benennung Erhards vgl. SCHWARZ, Ära Adenauer 1957-1963, S. 306- 316; KOERFER, S. 727-747. 7 Im »Protokoll über die Vorstandssitzung am Dienstag, d. 23. 4. 1964«, AdsD, IV BT Protokolle Fraktionsvorstand A, B 1020 wird ein Bericht Jahns über »interfraktionelle Besprechungen mit Prof. Böhm und Dr. Dehler über die Frage eines Gesetzentwurfs betreffend Aufenthaltsgenehmigung deutscher Wissenschaftler in Ägypten« erwähnt. An den weiteren Besprechungen nahm für die SPD noch C. Schmid teil. Sitzung des Präsidiums am 22. April 1963, AdsD, Präsidium vom 8. Januar 1962 bis 8. Juli 1963. Vgl. auch Nr. 56, Anm. 29 sowie »Die SPD-Fraktion teilt mit« Nr. 118/63 vom 23. 4. 1964 über die Besprechungen mit den anderen Fraktionen in dieser Angelegenheit. Es müsse eine ge- setzliche Regelung gefunden werden, die der BReg eine Unterbindung friedensgefährdender Tätig- keiten deutscher Staatsangehöriger im Ausland ermögliche. Zu dem schließlich am 27. 6. 1963 einge- brachten Antrag mit dem Ersuchen an die BReg zur »Vorlage eines zweiten Ausführungsgesetzes zu Art. 26, Abs. 2 Grundgesetz« siehe Nr. 61, TOP 3, bes. Anm. 15. 8 Die Proklamation zur Schaffung einer neuen Vereinigten Arabischen Republik aus der bisherigen VAR (Ägypten), Syrien und Irak am 17. 4. 1963 verschärfte die Spannungen im Nahen Osten. In Jordanien kam es zu gewalttätigen Unruhen, die zum Rücktritt der Regierung führten, und die israe- lische Regierung protestierte bei der UNO gegen die in der Proklamation enthaltene Zielsetzung zur Befreiung Palästinas. Vgl. AdG 1963, S. 10522-10524 und 10546 f. 9 Das Ratifizierungsgesetz zum deutsch-französischen Vertrag wurde vom Bundestag am 25. 4. 1963 in 1. Lesung beraten, vgl. BT Sten. Ber. 53, S. 3417-3445. 10 Für den sozialdemokratischen Beitrag zur Präambel des deutsch-französischen Vertrages siehe Nr. 46, TOP 1 und Nr. 48; vgl. ferner BESSON, Außenpolitik, S. 309-313; GRABBE, S. 414-448; ferner KLOTZBACH, S. 562 f. Zum Vorgehen der SPD in den Ausschußberatungen empfahl Ollenhauer, es »müsse jetzt versucht werden, unsere Vorbehalte in das deutsche Gesetz zu bringen. Die CDU scheine jetzt zur Einfügung einer Präambel bereit zu sein. Es sei aber zu klären, ob eine Präambel das gleiche Gewicht habe wie ein neuer Artikel. Außerdem müsse gesehen werden, ob durch die Vorstel- lungen der CDU für eine Präambel u. U. das verwässert werden solle, was wir wollen. Ferner sei zu prüfen, ob es für den französischen Vertragspartner bindend sei, wenn in der Bundesrepublik eine Ergänzung vorgenommen werde. Carlo Schmid habe deshalb vorgeschlagen, durch einen Zusatz im Vertrag die Bundesregierung zu verpflichten, die vom Bundestag vorgenommenen Ergänzungen aus- drücklich der französischen Regierung zur Kenntnis zu bringen. Die Möglichkeit, für unsere Vor- Copyright © 2017 KGParl Berlin 2 SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 23. 04. 1963 Hannsheinz Bauer war der Ansicht, eine Präambel genüge kaum, da sie keine bindende Verpflichtung im Ratifikationsabkommen bedeute, und [er]bat sowohl eine juristische Klarstellung, wie eine genauere Definierung unserer Haltung. Ähnliche Bedenken äu- ßerten Werner Jacobi und Heinrich Ritzel. In mehreren Diskussionsbeiträgen erklärte Carlo Schmid, daß eine Präambel als ausrei- chende Rechtsgrundlage anzusehen sei, desgleichen ein dem Vertrag angefügtes Inter- pretationsgesetz, wenn diese notifiziert würden, d. h. wenn der Zusatz seitens Frank- reichs offiziell bzw. durch Schweigen bejaht werde. In einem solchen Fall sei die völ- kerrechtliche Verpflichtung ganz eindeutig. Karl Wittrock unterstrich dies, wobei er auf das sich ständig durch die Praxis weiter- entwickelnde Völkerrecht hinwies. Ludwig Metzger äußerte jedoch Bedenken, wobei er besonders auf die offensichtlich anderen Ansichten von Adenauer, Schröder und de Gaulle hinwies.11 Der Zusatz in Form eines Artikels sei auf jeden Fall besser. Fritz Baade lehnte den Vertrag mit der Begründung ab, dieser sei eine Krönung der französischen Europapolitik, die in Wirklichkeit die europäische Einigung sabotiere. Herbert Wehner versicherte, daß alle Einwände vorgebracht würden. Bezüglich des Vorbehaltszusatzes lägen mehrere Entwürfe konkret vor. Die Beziehungen zu den europäischen und atlantischen Gemeinschaften, zur USA und zu den Drittländern dürften nicht gehemmt, müßten im Gegenteil gefördert werden. Eine etwaige, aus dem Vertrag resultierende negative Behandlung der deutschen Frage müsse in jedem Falle vermieden werden. Erich Ollenhauer faßt die Diskussion kurz zusammen. Als Redner wurden Herbert Wehner (allgemeine politische Betrachtung) und Willi Birkelbach (Auswirkungen des Vertrages auf die EWG und ihre Entwicklungsmöglichkeiten) vorgeschlagen.12 Fritz Schäfer gab bekannt, daß der Ältestenrat den Vertrag an den Auswärtigen Aus- schuß, den Verteidigungsausschuß und den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen überwiesen habe.13 Die Begründung des SPD-Antrages betr. Frauenenquete (Anlage 2, Punkt 3)14 werde 15 Käte Strobel vornehmen. stellungen eine Mehrheit aus den Reihen der anderen zu erhalten, sei heute geringer als früher. Wie sich die Fraktion bei der endgültigen Abstimmung verhalten solle, könne erst nach den Ausschußbe- ratungen gesagt werden, wenn feststehe, welche unserer Vorstellungen akzeptiert wurden. U. U. müsse man sich der Stimme enthalten.« Protokoll der Sitzung des Parteivorstandes am 26. April 1963, AdsD, Parteivorstand. Parteirat vom 5. Sept. 1962 bis 28. Juni 1963. 11 Vgl. dazu GRABBE, S. 339; ferner SCHWARZ, Ära Adenauer 1957-1963, S. 295 f.; zu de Gaulle ferner auch den Bericht von Markscheffel über ein Gespräch von Brandt mit de Gaulle in Paris. »Protokoll der Sitzung des Präsidiums am 29. April 1963«, AdsD, Präsidium

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