Das Bernbiet ehemals und heute : wer kennt Zollikofen wirklich? Objekttyp: Group Zeitschrift: Historischer Kalender, oder, Der hinkende Bot Band (Jahr): 286 (2013) PDF erstellt am: 08.10.2021 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. 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DAS BERNBIET EHEMALS UND HEUTE Soll ich wohl dieses Porträt von Zollikofen mit Aber ich muss relativieren. der Schlagzeile beginnen, die ein Journalist Diese Aussage machte ich neulich in einem vierstündigen Interview über mit Blick auf das Jahr 1947, mich als Dorfchronisten in seiner Zeitung zur als ich jeweils übers Wochenende Überschrift gewählt hat? «Ich fand Zollikofen von Bern ins Seeland fuhr und am Sonntag- absolut scheusslich!» Liebe Leserin, lieber abend spät mit dem Velo nach Bern zurück- Leser, es mag sein, dass ihr beim Befahren der kehrte, wo ich als Gymeler im Bürgerlichen Bernstrasse einen ähnlichen Eindruck habt. Waisenhaus wohnte. Nie hätte ich mir damals träumen lassen, später je in diesem Dorf beruf- Flugaufnahme des Autors aus einem Linienflugzeug der lieh tätig zu sein - sozusagen lebenslang, aber Swissair 1985. Bloss fünf Quadratkilometer Fläche umfasst und zufrieden mit meiner die weiss gestrichelte Gemeindegrenze mit ihrem höchsten glücklich zusammen Punkt von 594 m (*) ganz rechts im Meielenwald und dem Familie. Zollikofen ist ein spannender Ort mit tiefsten Punkt (*) von 480 m an der Aare. einer vielfältigen, interessanten Geschichte. 68 Aus der Vorzeit Fund wurde um 1830 bei Drainagearbeiten im Moorgrund des Moosackers nördlich der Rütti Kaum zu glauben, aber wahr! Vor über 15 000 in der Tiefe von sechs Fuss gemacht. Es han- Jahren lag das Siedlungsgebiet unseres Dorfes delte sich um zwei bronzene Rapiere, «Riesen- unter einem Eispanzer mit einer Mächtigkeit nadeln» mit spitz zulaufender Klinge und ge- von über 300 Metern - es war die letzte Eis- rilltem Knauf, die beinahe ein Pfund wiegen zeit, die das ganze Mittelland bedeckte. Im und an die 85 cm lang sind. Waren es Opfer- Raum Zollikofen vereinigten sich der gewaltige niederlegungen oder Grabbeilagen? Wir wissen Eisstrom des Rhonegletschers aus dem Wallis es nicht. Sie befinden sich heute im Histo- und der Aaregletscher aus dem Berner Ober- rischen Museum in Bern. land. - Woher wir das wissen? - Die bis zu Weitere Funde wurden 1905 bei Funda- mehreren Tonnen schweren Felsbrocken, die mentgrabungen für die Kaffeerösterei an der bei Aushubarbeiten in Zollikofen zum Vor- Bernstrasse gemacht. Arbeiter stiessen 80 cm schein kamen, sind die stummen Zeugen, die unter der Erdoberfläche auf Skelette mit sehr es den Geologen möglich machen, die Herkunft schönen Grabbeilagen aus dem 3. Jh. v.Chr. dieser Findlinge - Steine, die auf dem Glet- scherrücken hierher transportiert wurden - zu bestimmen. Bald nach dem Abschmelzen der Die Kelten- und Römerzeit Gletscher vor etwa 10 000 Jahren am Ende der Eiszeit eroberte ganz allmählich die Pflanzen- Etwa hundert Jahre vor Beginn unserer Zeit- weit die Schotterebenen und die Moränen, die rechnung baute ein Keltenstamm der Helvetier die Gletscher als weitere Zeugen zurückgelas- auf der gut geschützten Aareflussschlaufe, der sen hatten. Mit der Vegetation entstand für die Engehalbinsel, ein Oppidum (Festungsanlage) Tierwelt ein neuer Lebensraum. Weite Wälder mit Siedlung. Ums Jahr 15 v.Chr. erfolgte der dehnten sich aus und wurden zum Jagdgebiet Einmarsch der Römer, die hier ein Strassen- der Steinzeitmenschen. dorf, ein Vicus, mit Wohn- und Geschäftshäu- sern, Gewerbebetrieben und einem Bad ein- richteten. Aus dieser Zeit gab es auf unserer Erste Spuren der Besiedlung Seite der Aare nur spärliche Funde. In der Schlossmatte, wo früher die Bezeichnung «am Der älteste archäologische Fund auf unserem Römerweg» gebräuchlich war, stiess man 1810 Gemeindegebiet führt uns zurück in die Über- auf einen Abschnitt eines gepflasterten Weges, gangszeit von der Mittel- zur Spätbronzezeit, der von Bremgarten Richtung Steinibach zur also um fast 3300 Jahre, ins 13. Jh. v.Chr. Der Römerbrücke angelegt war. Gleichzeitig fand man viele sehr gut gearbeitete Hufeisen von kleinen Pferden oder Maultieren. Die mittelal- terliche, später in ein Barockschloss verwan- delte Burg Reichenbach wurde möglicherweise auf dem Fundament eines römischen Flusskas- teils gebaut. Ob auf dem Gemeindegebiet rö- mische Gutshöfe angelegt waren, etwa auf dem Büelikofen oder beim Tannengut, wissen wir nicht. Unmittelbar nördlich der Einmündung des Steinibaches in die Aare wurden im Frühjahr 1966 bei Fundierungsarbeiten für den Zulei- tungskanal zur ARA Worblaufen in der Nähe Grabfund aus dem 3Jh.v.Chr.: Armringe aus Glas dieses gallo-römischen Aareüberganges rö- 69 Die Alemannen Im 7. Jh. erfolgte die friedliche Infiltration (Einwanderung) eines in Süddeutschland behei- mateten Alemannen- Stammes ins schweize- rische Mittelland und damit in unseren Sied- lungsraum. Die Bauten der Kelten und Römer auf der Engehalbinsel waren längst zerfallen und von der Natur zu- rückerobert worden. Die Alemannen rodeten an günstiger Lage auf dem Unten am Steinibachwäldchen, bei der Einmündung des Plateau nördlich der Aareschlaufe den Wald und Steinibachs in die Aare, befand sich eine Brücke, welche legten ihre Felder rings um ihre Höfe an. Da die römische Siedlung auf der Engehalbinsel mit dem rech- ten Aareufer verband. schriftliche Dokumente aus jener Zeit fehlen, Noch im 18.Jh. war am linken Aareufer ein Brückenkopf müssen wir uns auf die Leitnamen der ersten festzustellen, und um 1770 wurden eichene, am untern alemannischen Siedlerwelle abstützen. Die En- Ende angebrannte Brückenpfähle aus der Aare gezogen, düngen -mgen, -iko/en, -igho/en bei den Ortsna- die quer durch den Fluss bis zum gegenüberliegenden Brü- deuten auf durch ckenkopf eingeschlagen waren. Im Engewald ist der Zu- men damalige Hofgründungen fahrtsweg vom Hochplateau herunter heute noch erkenn- diese Alemannen hin. Eine Deutung des Na- bar. Die Brückenköpfe sind verschwunden. Skizze des Au- mens Zollikofen besagt, dass sich hier der Ale- tors manne Zollo mit seiner Sippe niederliess; viel- leicht hiess er auch Chollo, denn alte mische Keramikscherben und ein gut erhaltener Schreibweisen in Urkunden waren: Cholinkove, Tontrinkbecher, 7,5 cm hoch und mit einem Mün- Cholinkova oder gar Hollincoven. Zollikofen dungsdurchmesser von 9 cm, gefunden. wird gedeutet als «Höfe der Ingen (Nachkom- An gleicher Stelle waren im vorletzten Jahr- men) des Zollo». Eines können wir mit Be- hundert Graburnen mit römischen Münzen aufge- stimmtheit sagen: Unsere Mundart, das Bern- funden worden, z.B. ein As des Kaisers Trajan deutsche, ist ein alemannischer Dialekt. aus der Zeit um 100 n. Chr. Unten am Steinibachwäldchen, bei der Ein- mündung des Steinibaches in die Aare, befand Der Landstuhl - das Landgericht sich eine Brücke, welche die römische Siedlung Zollikofen mit dem rechten Aareufer verband. Noch im 18. Jh. war am linken Aareufer ein Brückenkopf Es steht nicht mit Sicherheit fest, ob am höchs- festzustellen, und um 1770 wurden eichene, am ten Punkt der Schützenstrasse, der alten untern Ende angebrannte Brückenpfähle aus der Dorfstrasse von Zollikofen vor dem Bau der Aare gezogen, die quer durch den Fluss bis zum Bernstrasse, in grauer Vorzeit schon eine alte gegenüberliegenden Brückenkopf eingeschlagen Kultstätte bestand; ob unter einer «heiligen waren. Im Engewald ist der Zufahrtsweg vom Eiche» keltische Druiden lehrten und richteten. Hochplateau herunter heute noch erkennbar. Die Gesichert ist dank den Funden aus dem dritten Brückenköpfe sind verschwunden. vorchristlichen Jahrhundert einzig, dass hier 70 Im Jahre 1406 bot sich dem Stadtstaat Bern die günstige Gelegenheit, seine Macht und den Einflussbereich auf Klein-Burgund auszuwei- ten. Die Berner kauften den in Geldnöten ste- ckenden Grafen das Landgrafenamt mit den Rechten des Hohen Gerichtes der Landgerichte Zollikofen und Konolfingen ab. Dazu kamen auf der linken Seite der Aare die beiden Land- gerichte Seftigen und Sternenberg. Die vier In- neren Vogteien, wie sie genannt wurden, im Umkreis von fünf bis sechs Stunden um die Stadt Bern herum, bildeten den Kern des später so viel grösser gewordenen Kantons Bern. In unserem Raum finden wir die vier folgenden Örtlich- keiten: Büelikofen, Rychingen (Landgarben), Zollikofen und Altikofen (Worblaufen) Kelten siedelten. Nach
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