Jenseits Von Tugend Und Empfindsamkeit. Frauenliteratur Um 1800 Als Forum Für Sozialpolitische Erörterungen

Jenseits Von Tugend Und Empfindsamkeit. Frauenliteratur Um 1800 Als Forum Für Sozialpolitische Erörterungen

View metadata, citation and similar papers at core.ac.uk brought to you by CORE provided by Carolina Digital Repository Jenseits von Tugend und Empfindsamkeit. Frauenliteratur um 1800 als Forum für sozialpolitische Erörterungen (“Beyond Virtue and Sensibility: Women’s Literature as a Forum for Social-Political Discourse around 1800”). by Maya Gerig A dissertation submitted to the faculty of the University of North Carolina at Chapel Hill in partial fulfillment of the requirements for the degree of Doctor of Philosophy in the Department of Germanic Languages and Literatures. Chapel Hill 2006 Approved by: Advisor: Professor Jonathan Hess, Ph.D. Reader: Professor Eric Downing, Ph.D. Reader: Professor Alice Kuzniar, Ph.D. Reader: Professor Siegfried Mews, Ph.D. Reader: Professor Kathryn Starkey, Ph.D. ABSTRACT MAYA GERIG: Jenseits von Tugend und Empfindsamkeit. Frauenliteratur um 1800 als Forum für sozialpolitische Erörterungen (Beyond Virtue and Sensibility: Women’s Literature as a Forum for Social-Political Discourse around 1800). (Under the direction of Professor Jonathan M. Hess) This dissertation challenges the notion that domestic novels by women deal first and foremost with sentimentality and feminine virtues. I claim, on the contrary, that women writers around 1800 used literature to articulate a variety of political agendas concerned with the shifting position of women in society. Writing at a moment that witnessed the emergence of distinct public and private spheres and a burgeoning legal discourse about such distinctions, women novelists used their fiction to enter directly into the legal debates of their era. The dissertation reads narrative fiction by women alongside contemporary legal debates, considering how this literature intervenes in public discussions on infanticide, domestic violence and divorce. My study concentrates on twenty-two prose works published between 1771 and 1829 and written by the following authors: Julie Berger, Marianne Ehrmann, Caroline Auguste Fischer, Henriette Frölich, Therese Huber, Sophie von La Roche, Dorothea Margarethe Liebeskind, Sophie Mereau, Benedikte Naubert, Dorothea Schlegel, Johanna Schopenhauer, Helen Friederike Unger and Wilhelmine Karoline von Wobeser. The introductory chapter addresses the shifting boundaries between the public and the private realm. As historians have noted, the development of the private-public dichotomy in ii this era tended to exclude women from public life and confine them to the home. Women novelists, I argue, used their fiction to create an alternative understanding of the public sphere where women’s concerns could be expressed and discussed. The remaining chapters offer case studies of how women’s literature intervened in contemporary legal debates, focusing on infanticide (chapter 2), domestic violence (chapter 3), and divorce and spinsterhood respectively (chapter 4). My analysis organizes these discussions by subject rather than by author. This makes it possible to explore the wide range of women authors engaged in using literature to articulate socio-political agendas. In this way, I unearth not simply "progressive voices" but a broader model of agency. iii Mein Dank gebührt in erster Linie meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Jonathan Hess, ohne dessen wissenschaftliche Führung, stetige Ermutigungen und vielfältigen persönlichen Rat diese Dissertation nicht möglich gewesen wäre. Ich danke meinem Gatten Guido sowohl für seine tatkräftige Hilfe in technischen Belangen als auch für seine Bereitschaft und Geduld, mich während der Zeit des Entstehens dieser Arbeit mit allzeit positivem und ermunterndem Ratschlag zu unterstützen. Diese Dissertation ist dem Angedenken meines Vaters gewidmet. iv INHALT Kapitel Seite 1. DER FRAUENROMAN IM SPIEGEL VON ZEIT UND GESELLSCHAFT............ 1 Der Frauenroman als kulturelle Emanzipation.................................................................. 1 Jenseits von Tugend und Empfindsamkeit ...................................................................... 11 „Privat – kein Zutritt“? - Die Neukonzeption der Vorstellung von Öffentlichkeit ......... 17 „Die Frau das unbekannte Wesen“? – Frauenromane im zeitgenössischen Diskurs....... 22 „Die guten ins Frauenbewegungstöpfchen“ - Der Frauenroman in der Literaturwissenschaft des 20. und 21. Jahrhunderts ........................................................ 29 2. KINDSMORD UND ABTREIBUNG: UNZUCHT UND IHRE FOLGEN.............. 38 Kindsmord in der Literatur: „Männerphantasien über Frauenwirklichkeit“?.................. 38 Kindsmord – ein Schlüsseldelikt ..................................................................................... 47 Die Kindsmörderin: Medea, Hexe oder Wahnsinnige?................................................... 55 Im Falle Seldorf – Frauenrealität in der Fiktion .............................................................. 65 Angst vor Armut, Schande und Strafe – die Motive für das Delikt ................................ 74 Bestrafung: Abschreckung und Vergeltung?................................................................... 87 Abtreibung: Entscheidung der Frau ?.............................................................................. 94 Zusammenfassung ......................................................................................................... 106 3. „DER HERR IM HAUSE“ – GEWALT IM INTIMBEREICH DER FAMILIE .... 108 Gewalt in der Familie .................................................................................................... 108 „Knüppel aus dem Sack“ - Macht, Gewalt und deren Missbrauch .............................. 116 „Sein Zorn ist mir fürchterlich, aber, Gott weiß es, seine Liebe noch mehr!“ (Wagner 94). Die Gewalt der Väter.............................................................................................. 126 Züchtigende Mütter ....................................................................................................... 138 „Wenn du zum Weibe gehst, vergiss die Peitsche nicht“.............................................. 149 Verführung oder Vergewaltigung? - Sexuelle Gewalt .................................................. 160 Schlussbemerkungen ..................................................................................................... 168 v 4. „DRUM PRÜFE, WAS SICH EWIG BINDET”: SCHEIDUNG - TRENNUNG - EHELOSIGKEIT.................................................................................................................. 171 „Von einer langen Sklaverei befreit“ - Einführung ....................................................... 171 Soll der Mensch scheiden, was Gott zusammengefügt hat? – Ehescheidung im zeitgenössischen Diskurs............................................................................................... 175 „Bis dass der Tod euch scheidet?“ - Die Rechtslage..................................................... 184 „Scheiden tut weh“ - Die Scheidung als Bestrafung der Frau....................................... 192 „Millionen Glückwünsche zu deiner Erlösung“ - Ehescheidung als Befreiung............ 203 „Laßt mich doch meinen eigenen Weg gehen“ (Dülmen 310) - Hagestolze und alte Jungfern ......................................................................................................................... 212 Schlussbemerkungen ..................................................................................................... 225 5. AUSBLICK: „DIE BÜRGERLICHE VERBESSERUNG DER WEIBER“............ 227 6. ANHANG ................................................................................................................. 234 Kurzbiographien der Autorinnen................................................................................... 234 Inhaltsangaben der besprochenen Werke ...................................................................... 242 7. BIBLIOGRAPHIE.................................................................................................... 248 Primärliteratur................................................................................................................ 248 Sekundärliteratur............................................................................................................ 253 vi 1. DER FRAUENROMAN IM SPIEGEL VON ZEIT UND GESELLSCHAFT Der Frauenroman als kulturelle Emanzipation „Unsterblich wirkte sie auf Teutschlands Töchter; Unzähl’ge Mütter bildeten Geschlechter, Sophiens Schriften in der Hand, Zum künftigen Beruf und Stand. [...] Die Zeiten fliehn, Jahrhunderte vergehen: Kein Hauch der Zeit wird Ihren Ruhm verwehen“ (Buri, C.K.E. „Totenfeier am Grabe der verewigten Frau Sophie von la Roche, Der Neue Teutsche Merkur. 1807, 1.Bd., S.165 – 169). Mit diesen Worten würdigt der Schriftsteller C.K.E. Buri anlässlich der Totenfeier das Werk von Sophie von La Roche (1730-1807). Die Epoche machende Leistung La Roches ist der erste in deutscher Sprache erschienene Frauenroman, Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Von einer Freundin derselben aus Original-Papieren und anderen zuverläßigen Quellen gezogen. Herausgegeben von C. M. Wieland. Im Mai 1771 erscheint der erste Teil des Briefromans, im September darauf der zweite. Der Erfolg stellt sich umgehend ein: Noch im Erscheinungsjahr erfolgen zwei weitere Auflagen und in den kommenden Jahren wird die Sternheim nicht nur viermal nachgedruckt, sondern zudem ins Englische, Niederländische, Schwedische, Dänische, Russische und dreimal ins Französische übersetzt (Vorderstemann 19- 21). Nicht nur beginnt „nach dem Erscheinen der Sternheim

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