Der Nationalratswahlkampf Wird Vor Allem Ein Duell Sebastian Kurz Gegen Christian Kern. Wo Unterscheiden Sich Die Spitzenkandida

Der Nationalratswahlkampf Wird Vor Allem Ein Duell Sebastian Kurz Gegen Christian Kern. Wo Unterscheiden Sich Die Spitzenkandida

COVER er Parteichef ist nach den Querschüssen der letzten Wochen zermürbt. Ein letztes Mal beschließt er, das Tempo vorzugeben. Er bittet zu ei­ nem persönlichen Statement, wirft alles hin. Die Schreck­ sekunde der Funktionäre dauert nicht lange, denn der Nachfolger Dhatte im Hintergrund schon Position bezo­ gen und wird, als er die Partei übernimmt, so gehypt, dass er ironisch klarstellt: „Ich kann nicht über Wasser gehen.“ Das war auch das Szenario der letzten Tage, doch der Wasser­Sager macht klar, beschrieben ist nicht der neue ÖVP­Ob­ mann Sebastian Kurz. Öffentliche (Selbst­) Ironie gehört zu den wenigen Dingen, die dieser nicht im rhetorischen Repertoire hat. Gerafft beschrieben waren das die Vorgänge in der SPÖ vor rund einem Jahr. Zurückgetreten ist damals Werner Fay­ mann, angetreten Christian Kern. House of Kurz Als „House of Cards für Arme“ bezeichnete und bestritt Kern damals die Darstellung, er habe mit dem Alternativkandidaten Gerhard Zeiler einen Deal gehabt, wonach man bei der Faymann­Ablöse nicht gegen­ einander arbeiten werde (Zeiler hatte das selbst publik gemacht). Der Vergleich mit der TV­Serienfigur Frank Underwood, die auf dem Weg ins US­Präsidentenamt we­ der Intrige noch Mord scheut, ist eigent­ lich nicht schmeichelhaft. Doch blieb bei Kern der Nimbus: ein Checker, ein Stratege zu sein, der weiß, was er will. Im „House of Kurz“, also der perfekt in­ szenierten ÖVP­Übernahme durch Sebas­ tian Kurz, fand er sich dennoch nicht gleich zurecht. Der Versuch, den ÖVP­Chef ins Vizekanzleramt zu zwingen, war von Anfang an mangels echten Drohpotenzials zum Scheitern verurteilt. Kern gab in die­ Im Parallel- sem Fall auf. „Ein schwerer Fehler“, meint man im Kurz­Umfeld. „Jetzt wissen wir: Wenn die beiden aufeinander zurasen, ei­ nen Konflikt haben, wird er immer im letz­ ten Moment ausweichen. Kurz ist stärker.“ Das mag auch daran liegen, dass Kern universum als Ex­Manager gewohnt ist, Entscheidun­ Bundeskanzler Der Nationalratswahlkampf wird vor allem ein Duell Sebastian Kurz gen zu kalkulieren und eher ans Marketing Christian Kern und gegen Christian Kern. Wo unterscheiden sich die Spitzenkandidaten zu denken, während Kurz trotz seiner Ju­ sein „Wunsch- gend Berufspolitiker mit entsprechendem Vize“ Sebastian von ÖVP und SPÖ? Wo finden sich erstaunliche Übereinstimmungen? politisch­taktischem Rüstzeug ist. Kurz. Der pfiff auf „Was Kurz mit der ÖVP gemacht hat, dieses Amt. Und Und wer hat die besseren Chancen? war führungstechnisch wie nach dem gewann das erste Von Renate Kromp und Anna Gasteiger Lehrbuch“, sagt Regina Maria Jankowitsch. Scharmützel Sie trainiert Führungskräfte aus Wirt­ Bader /Heinz-Peter Reuters Fotos: schaft und Politik. In ihren Büchern hat sie 26 20 | 2017 20 | 2017 27 COVER sich mit dem richtigen An­ und Abtreten in nal selbst aussuchen können, sagt die Füh­ der Politik befasst. Der Eindruck der Stär­ rungskräfte­Trainerin. „Kurz lebt das in ke, den Kurz in den letzten Wochen hinter­ So nah und doch so fern: Kern und Kurz sind sehr radikaler Art vor. Christian Kern hat Jung, dyna- lassen hat, resultiert ihrer Meinung nach einander in einigen Dingen ähnlich. Vor allem das diplomatischer gemacht und die Partei misch, gut auch daraus, dass seine Vorgänger in der aber erbitterte Kontrahenten ums Kanzleramt nicht um ihre eigene Entmachtung gebe­ gelaunt: So ÖVP bisher nur Kompromisse zwischen ten.“ Aber auch Kern konnte bei der Wahl inszeniert sich den zentrifugalen Einzelinteressen inner­ seiner Ministerinnen und Minister die die Junge ÖVP, halb der Partei waren. „Bei Kurz wirkt es, Parteibefi ndlichkeiten ignorieren. die laut eige- als könnte er selbstbestimmt in ganz ho­ Mit Sonja Hammerschmid (Bildung) nen Angaben hem Ausmaß die Dinge lenken, wie er sie und Pamela Rendi­Wagner (Gesundheit) 100.000 Mit- gerne hätte.“ hat er Ministerinnen ausgewählt, die zwar glieder hat. in ihrer Haltung zur Partei passen, in ihr Wer lang fragt … aber nicht verankert sind. Andere Positio­ Dazu gehört für Kurz, dass er Inhalte und nen wiederum hat er ganz klar mit Ver­ Richtung seiner Partei bestimmen darf, trauten aus seiner persönlichen Seilschaft Junge ÖVP freie Hand bei Generalsekretariat und Mi­ besetzt. Inhaltlich agiert Kern ebenfalls nisterämtern hat sowie ein Vetorecht, falls abgehoben von Parteigremien. Sein Plan A Landesorganisationen Kandidaten für kann als Wahlprogramm gelten, nicht als Wahlen nominieren, die ihm nicht ins Kon­ Parteiprogramm. Schwarze Symbiose zept passen. Außergewöhnlich ist daran Was hingegen bei Kurz auff ällt, ist sein vor allem, dass das innerhalb der ÖVP pas­ öff entlicher Allmachtsanspruch, der viele ie sind jung, als Bundesobmann der umgekehrt aus? Warum siert. Einer Partei, in der sich bisher noch einen Hang zum Aushebeln demokrati­ motiviert und vor Jungen ÖVP. Und auch hält Sebastian Kurz der jeder Obmann zwischen den Wünschen scher Strukturen befürchten lässt. Aber Sallem treu: Die Nico Marchetti, Obmann JVP die Treue? Einer- und Vorgaben von Landesfürsten und auch gut in seine Inszenierung passt: Se­ Junge ÖVP ist die der JVP Wien, schlägt in seits, weil er natürlich Bünden durchwursteln musste. bastian Kurz wirkt stark in jene FPÖ­Wäh­ politische Heimat von die gleiche Kerbe. „Wir auf sie angewiesen ist. Und dabei niemals gestärkt vom Platz lerschaft hinein, wo man für Signale der Sebastian Kurz. Und waren als Schnöselpartei Denn ohne Netzwerk ging: Jene, die sich durchgesetzt hatten, Stärke oder Kraftmeierei durchaus emp­ nicht nur das. In den verschrien.“ Doch mit geht es nicht. Und Kurz nahmen den Chef nicht für voll. Jene, die fänglich ist. Als JVP­Chef meinte er 2010 in acht Jahren als Chef der Sebastian Kurz habe sich ist im Gegensatz zu beim Postenschacher leer ausgegangen einem News­Interview übrigens: „Manche Jugendorganisation hat das geändert. Die JVP seinen Vorgängern waren, waren die Ersten, die gegen den Minister sind grinsende Reform­Lulus.“ er die JVP zu seinem sei nun salonfähig, man Reinhold Mitterlehner wichtigsten Netzwerk nehme sie ernst. und Michael Spindeleg- Obmann mauschelten. Man darf auf seine Personalwahl heute aufgebaut. Sie sitzen im Geschafft habe Kurz das ger nicht Mitglied des „Wer viele Gremien fragen muss, be­ gespannt sein. Nationalrat, in Landta- mit einer Mischung aus Cartellverbands, eines kommt erstens ein Zeitproblem und zwei­ 95 Prozent Inszenierung gen und stellen 35 Kompetenz und Zusammenschlusses tens am Ende nur den kleinsten gemein­ Bürgermeister. Ihr Sympathie. „Sebastian katholischer Verbindun- samen Nenner“, erklärt Jankowitsch den Christian Kerns Sager „95 Prozent der Po­ Rückhalt ist bedingungs- ist ein politisches gen, die üblicherweise Vorteil des jetzigen Durchgriffsrechts. litik bestehen aus Inszenierung“ wurde los. Und als Dank Naturtalent und das Netzwerk für ÖVPler „Psychologisch bleibt bei allen Beteiligten ihm von der ÖVP vor allem rund um seine gewährt Kurz ihnen nun gleichzeitig die Sorte stellt. letztlich Unbehagen. Die Notwendigkeit „Plan A“­Show und das Pizzaboten­Video den politischen Mensch, mit der man einer klaren Führung schlägt sich oft mit zum Vorwurf gemacht. „Dauerwahlkampf“, Machtaufstieg. Die gerne auf ein Bier geht“, Treue statt Hohn dem politischen Selbstverständnis in de­ hieß es da. Dabei erfolgt Kerns Inszenie­ perfekte Symbiose also. meint Stephan Mlczoch, Aber es hat noch einen mokratischen Institutionen.“ Wer professi­ rung viel konsequenter im alltäglichen Doch wie lässt sich diese Landesobmann-Stellver- anderen Grund. Und der onell agieren wolle, müsse sich sein Perso­ Umgang mit dem Bild des Kanzlers. Sein ungebrochene Geschlos- treter der Jungen ÖVP ist Verlässlichkeit. Denn Instagram­Account wird regelmäßig mit senheit erklären? Wien. Kritik gibt es keine damals, als Sebastian coolen Fotos bestückt, auf Facebook wen­ von der Basis. „Das wäre Kurz Integrationsstaats- det sich Kern an seine Anhängerschaft. Von Schnösel-Ruf unfair, seine Arbeit ist sekretär wurde, hagelte Tag eins an war man sich der Wirkung Fragt man bei der auf höchstem Niveau“, so es Hohn und Spott. Nur dieser Medien bewusst und nutzte sie. Jungen ÖVP nach, dann Marcel Flitter, Bezirksob- die JVP hielt ihm die fällt vor allem ein mann der Jungen ÖVP Treue. „In seiner Sebastian Kurz weiß ebenfalls um die Argument: Sebastian Mariahilf. Da schwärmt schwierigsten Phase Wirkung seiner Bilder. Noch vor seiner Re­ Kurz hat der JVP ihr man lieber von seiner standen wir hinter ihm“, gierungskarriere war er als JVP­Obmann Selbstbewusstsein Bodenständigkeit und sagt Schnöll. Und mit auf einem Foto mit seinem SP­Pendant zurückgegeben. „Früher offenen Art. diesem Rückhalt wird Wolfgang Moitzi in News zu sehen. Der waren wir einfach eine Und auch die fehlenden Kurz nun in die nächste junge Rote hielt ein Plakat mit der Forde­ Jugendorganisation. Wir Inhalte des neuen Schlacht ziehen – die „Was Kurz mit der ÖVP rung nach Reichensteuern in der Hand. Die waren nicht mit den ÖVP-Parteichefs sieht Nationalratswahlen im gemacht hat, war Altvorderen in der ÖVP konnten gar nicht anderen Playern man ihm nach. „Seine Herbst. „Wir haben die führungstechnisch wie aufh ören, zu ätzen, was Kurz für ein dum­ innerhalb der ÖVP Positionierungen werden Manpower und die mer Jungspund sei, weil er sich da dazuge­ gleichgestellt“, sagt sicher noch kommen“, Organisation, um diese aus dem Lehrbuch“ stellt hat. Das war etwa in der Zeit, als der Stefan Schnöll, Nachfol- sagt Marchetti. Wahl zu gewinnen“, sagt Regina Maria Jankowitsch JVP­Chef mit dem Geilomobil in den Wien­ ger von Sebastian Kurz Und wie sieht es Schnöll. Valerie Krb trainiert

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