P94854 US 041Kulturmagazin

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www.null41.ch April 2020 SFr. 9.– KULTUR ZUHAUSE PFLEGEN IDENTITÄT FILM: DER UNWIDERSTEHLICHE IDENTITÄTSMOTOR HEIMISCH WERDEN: LANGER WEG ZUM BÜRGERRECHT QUEERE KULTUR: ENDLICH ALLE SICHTBAR MACHEN AUSSERDEM DAS NEUE ALBUM VON ALOIS TRÄUMEN MIT CHRISTOPH FISCHER NATURLYRIK OHNE KLIMADISKURS Anzeigen SÜDPOL BIS ENDE APRIL GESCHLOSSEN #ShowSomeLove #ShowSomeLove Danke allen Kunst- Ohne Euch gäbe es kein und Kulturschaffenden 3FACH - Danke für 365 Tage Kultur in Luzern! Macht wei- für die unzähligen ter! Wir feiern euer Schaffen schönen Stunden. mit nur CH-Musik im Tages- Eure SP Stadt Luzern programm Wir brauchen einen Artikel zu den Aus- wirkungen des Virus auf Kunst- und Kultur- DURCHATMEN schaffende, waren wir uns Anfang März einig – ohne uns vorstellen zu können, wie heftig die Szene schon bald unter der Notlage Liebe Leserin, lieber Leser leiden würde. Bitte verzeihen Sie mir, wenn jetzt manches hoffnungslos veraltet aussieht. Als Redaktion verfolgen wir mit grosser Unsere Redaktion hatte sich sehr gefreut auf Betroffenheit die Situation zahlloser Kunst- die Umsetzung dieses Hefts, prägt doch jedes und Kulturschaffender, die um ihre Existenz Kulturschaffen die Identität und ist von bangen. Wir verfolgen Ticker, die Kranke dieser geprägt. Doch jetzt stellen wir uns vor und Tote in unserem Kanton, in der Zentral- allem die Frage, was dieses Virus mit uns schweiz, in täglich weiteren Ländern ver- macht. Werden wir zu hortenden Egoisten, melden. Wir wissen wenig, aber wir können entwickeln wir unverhofft Solidaritätsnetz- uns ausrechnen, dass jede und jeder auf die werke, kann man beides unter einen Hut eine oder andere Art schmerzlich von der bringen? Pandemie getroffen wird. Schwer zu sagen, wie die Welt um Sie Ich schreibe diese Zeilen rund eine herum jetzt gerade aussieht. Wir sind es nicht Woche, bevor das Magazin verschickt wird. gewohnt, dass sie sich so schnell dreht. Ich Wir mussten Texte streichen, weil Veranstal- wünsche Ihnen in diesen Zeiten einen tungen abgesagt wurden, wir mussten kühlen Kopf, ein grosses Herz und allem einiges anpassen, manches mehrfach: Weil zum Trotz ein paar vergnügliche Stunden sich die Welt und ihre Geschichten so rasant mit diesem Magazin. verändern, wie wir uns das vor wenigen Wochen in unseren schwärzesten Träumen Anna Chudozilov, nicht hätten ausdenken können. Redaktionsleiterin April 2020 041 – Die unabhängige Stimme für Kultur in der Zentralschweiz 3 INHALTSVERZEICHNIS Wir Holzfäller? Wie Filme von Einheimischen unsere Identität Christoph Fischer fotografiert im Traum; wach zeichnet er. > Seite 36 beeinflussen. > Seite 14 Editorial > Seite 3 GEFÄHRLICHES Guten Tag > Seite 5 Stadt – Land VIRUS Blick durch die Linse aus Luzern und Willisau > Seite 6 Wie Corona die Kultur befällt > Seite 12 Poliamourös Rayk Sprecher über Politikbeutel und Kulturversagen > Seite 8 BEWEGTBILD BEWEGT Kosmopolitur Wie Film unser Wir-Gefühl beeinflusst – und wie das lokale Wir Filme Tatjana Erpen über Horoskope in Tansania > Seite 9 prägt > Seite 14 Nachschlag Michal Niezborala über die Hergiswiler Büezer-Kneipe > Seite 10 HEIMKOMMEN ABGESAGT Fotodok Was die Stanser Musik Tage ihren Macherinnen und Besuchern Simon Meyer über das Dokumentieren von Luzerner Trams > Seite 11 bedeuten > Seite 20 Überdacht Silvan Moosmüller und Mariann Bühler erörtern, was fiktive Figuren MEHR QUEER FÜR HIER glaubwürdig macht > Seite 34 Eine Anleitung für mehrstimmigere Kultur > Seite 26 Ausgefragt Patrik Jauch über das Altdorfer Kellertheater im Vogelsang macht > Seite 43 EINER WIE WIR Käptn Steffis Rätsel > Seite 54 Christof Schwenkel über das langsame und doch nicht sichere Gezeichnet > Seite 55 Schweizerwerden > Seite 29 Titelbild: Sibylle Kathriner, Fabian «Hefe» Christen KULTURKALENDER Film > Seite 42 APRIL 2020 Ausstellungen > Seite 45 Adressen A-Z > Seite 50 IG Kultur Luzern > Seite 32 Ausschreibungen > Seite 51 Kunst > Seite 36 Impressum > Seite 53 Wort > Seite 38 Bühne > Seite 39 Musik > Seite 40 4 041 – Die unabhängige Stimme für Kultur in der Zentralschweiz April 2020 GUTEN TAG GUTEN TAG, CORONA GUTEN TAG, SYSTEMRELEVANZ Du bist keine Magen-Darm-Geschichte In den vergangenen Tagen bist Du zu einem (auch wenn das der um Klopapier bettelnde wichtigen Schlagwort geworden. Wer systemrele- Familienvater der Migros-Verkäuferin nicht vant ist, darf die Kinder weiterhin in die Kita glauben wollte und gefühlt die halbe Schweiz bringen, muss aber dafür nicht selten arbeiten bis zu glauben scheint, dass WC-Papier in rauen zum Umfallen. Du bringst offenbar Privilegien Mengen der entscheidende Vorteil sein wird, und grosse Verpflichtungen mit sich. Kulturschaf- wenn’s dann hart auf hart geht). Du bist auch fende scheinen auf den ersten Blick nicht so Dein nicht die Speerspitze radikal Religiöser (auch Ding zu sein. Haben doch die Behörden ohne eine wenn Du es innert Tagen geschafft hast, dass Träne zu vergiessen Konzerte und Theaterauffüh- der zum Grundwert unserer Kultur erhobene rungen verboten, Museen und Kinos geschlossen, Handschlag heute absolut verpönt ist). Du bist während all die KMU weiterarbeiten dürfen. Als ein Virus. Du bist ein Virus, das die Atemwege sei der Zugang zu Kultur absolut verzichtbar. Aber befällt, und ein Virus muss tun, was ein Virus hey, Systemrelevanz my ass! Innert Stunden tun muss. Aber Du machst auch ganz andere schossen überall da, wo Dinge abgesagt wurden, Dinge mit uns. Und das, Corona, macht Dich grossartige Ideen wie Pilze aus dem Boden, entwi- so gefährlich. ckelten die Menschen Wege, wie sie Kunst und Kultur treiben und teilen können, ohne der Pan- Um Handlungsoptionen ringend, 041 – Das Kulturmagazin demie in die Hände zu spielen. Und die Angebote finden ein Publikum, nicht selten auch eines, das zahlt. Wenn etwas so unverzichtbar ist, dass man es sofort neu erfindet, kaum ist es einen Augen- blick weg – das ist wahre Systemrelevanz. Schulterklopfend, 041 – Das Kulturmagazin Anzeigen #ShowSomeLove GUTEN TAG, RADIO 3FACH Es ist ja nicht so, dass wir neuerdings eine NON plus ultra. Quote hätten, die uns vorgibt, in wie vielen Guten Tags wir unseren Tadelfinger in Eure NON chalant. Richtung schwingen müssen. Und doch wollen NON plus konform. wir was loswerden. Als Ihr um Aufmerksam- keit lechzend die halbe Stadt abgeschleckt habt, NON – du bist toll. war das ein bisschen eklig und vielleicht auch in Sachen Schlauheit nicht gerade an vorderster Front mit dabei. Aber wir geben es zu: Es war auch ein kleines bisschen lustig. Euer Beschluss, eine 100-Prozent-Quote einzuführen und ab #ShowSomeLove 18. März für unbestimmte Zeit nur noch Musik von «Schweizer Künstler*innen» zu spielen (immerhin bekommen nicht nur Eidgenossen Airplay) hat uns allerdings nachdenklich ge- 2008: Bund unterstützt macht. Ihr möchtet damit «Solidarität mit allen Musiker*innen in der Schweiz zeigen» (viel- UBS mit 68 Milliarden leicht muss man also nicht mal eingebürgert 2020: Öppe au sevu für sein). Dieses Abgrenzen, dieses Pochen auf ein Kultur und Kleingewerbe, «Wir», das durch Landesgrenzen bestimmt gell? Merci, Bundesrat! wird und durch diese geschützt werden muss, Mario Stübi das beunruhigt uns ein wenig. Fängt Solidarität nicht gerade da an, wo man Verbundenheit über die eh schon bestehenden Banden hinaus zeigt? Schon wieder altklug seufzend, 041 – Das Kulturmagazin April 2020 041 – Die unabhängige Stimme für Kultur in der Zentralschweiz 5 STADT MÄRZ, NEUBAD-KLUB, LUZERN «In anderem Licht.» Bild & Wort: Mik Matter 6 April 2020 LAND 6. MÄRZ, REETO VON GUNTEN, RATHAUSBÜHNE WILLISAU «Freitag in Willisau: wie Sonntag im Ohr (und Herz)» Bild & Wort: Marco Sieber April 2020 7 POLIAMOURÖS kommen in der Innerschweiz» auf dem Schild. Dann wurde es normativ: «Willkommen in der Zentralschweiz» steht jetzt da. Aus der simplen Beschrei- bung der Lage wurde die selbstbewuss- te Behauptung, das Zentrum zu sein. Aber zurück zum Konflikt, der da einsetzt, wo die beiden Begriffe di- rekt aneinandergeraten, als «Kulturpo- litik» zum Beispiel. Jene mit dem Poli- tikbeutel können gar nicht anders, als normativ auf Kultur loszugehen, denn wenn nicht alles gefördert werden kann, muss ein Kriterium her, was (und wozu) Kultur ist. Jene mit dem Kulturbeutel finden, die Politik solle sich da doch bitte heraushalten, schliesslich sind wir doch die Kulturschaffenden. Kurzum: Die einen brauchen eine Norm für Kultur, welche die anderen gerade mit dem Argument ablehnen, dass es keine gäbe. Oder ganz viele. Die Vermittlung der beiden unvermittelbaren Logiken geschieht mittels Bürokratie, nämlich des Pro- jekts. Einleitung, Hauptteil, gesell- Kulturbeutelpolitik- schaftliche Einordnung, Finanzie- rungsplan und (ganz wichtig) klar definiertes Ende werden zu Datei versagen gebracht, begutachtet, bewilligt oder abgelehnt. Und wer dann das Projekt Vor Übernahme dieser Kolumne be- cher Kontakt ergibt? Und versagt nicht bekommt, macht, was sie will. Kultur kam ich drei Substantive und ein Ad- andererseits auch bisweilen die Kultur halt. Bis zum Abschlussbericht wenigs- jektiv: «Kultur», «Politik» und «Zen- und zieht Kulturverdrossenheit nach tens. Aktuell macht sich die Stadt Zug tralschweiz» lauteten sich? auf die Suche nach einer Kulturstrate- Text: Rayk Sprecher die Hauptwörter, «Politik» und «Kultur» ist als Be- gie, von «Professionalisierung» ist die Illustration: Anja Wicki «provokativ» das Ei- griffen etwas gemeinsam: Sie können Rede. Ich fürchte, das endet in neuen genschaftswort. Und jeweils beschreibend und vorschrei- Formularen. Warum nicht einfach mal damit bin ich dann allein gelassen bend, also deskriptiv und normativ antinormativ entscheiden,

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