65. Jahrgang 2013 BAND 1 MONTFORT Zeitschrift für Geschichte Vorarlbergs Walserspuren – 700 Jahre Walser in Vorarlberg Innsbruck Wien StudienVerlag Bozen Impressum Gefördert vom Land Vorarlberg Schriftleitung: ao. Univ.-Prof. Dr. Alois Niederstätter, Vorarlberger Landesarchiv, Kirchstraße 28, A-6900 Bregenz, Tel.: +43 (0)5574 511 45005, Fax: + 43 (0)5574 511 45095; E-Mail: [email protected] © 2013 by StudienVerlag Layout und Satz: Karin Berner/StudienVerlag Verlag: StudienVerlag, Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck; Tel.: +43 (0)512 395045, Fax: +43 (0)512 395045-15; E-Mail: [email protected]; Internet: http://www.studienverlag.at Bezugsbedingungen: Montfort erscheint zweimal jährlich. Einzelheft € 21.00/sfr 28.90, Jahresabonnement € 36.50/sfr 46.50 (inkl. 10 % MwSt., zuzügl. Versand). Alle Bezugspreise und Versandkosten unterliegen der Preisbindung. Abbestellungen müssen spätestens drei Monate vor Ende des Kalenderjahres schriftlich erfolgen. 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Anmerkungen zur Entwicklung des Walserbildes im Kontext der Vorarlberger Landesgeschichtsschreibung 29 Ulrich Nachbaur Steinbock und Sterne. Walsertum und Gemeindewappen 67 Manfred Tschaikner Die Entstehung des Walsergerichts in der Herrschaft Blumenegg nach den Urkunden von 1397 und 1422 77 Alois Niederstätter Meschach – ein spätmittelalterliches „Investorenmodell“ mit „Walser“ Beteiligung 81 Oliver Schallert Die Walser und ihre sprachlichen Spuren in Vorarlberg 97 Simone Maria Berchtold Schiestl Walsernamen? Eine onomastische Spurensuche 105 Klaus Pfeifer Spätmittelalter-/frühneuzeitliche Profanbauten in walserischen Siedlungsräumen Vorarlbergs 113 Rudolf Berchtel Walser Alpwirtschaft 125 Birgit Ortner Verlassene Walserdörfer: Bürstegg und Nenzingerberg 135 Rezensionen 139 Autoren naCHbaur Steinbock und Sterne. Walsertum und Gemeindewappen 29 Ulrich Nachbaur Was macht Menschen zu Walsern?1 „Ihr Rechtsstatus“, hätten uns die Verwaltungsleute der Herrschaft Blumenegg erklärt, für die es nur noch „ehemalige Walser“ gab, nach­ dem sich diese 1526 freiwillig in die Leibeigenschaft ihres Steinbock und Sterne. Landesherrn begeben hatten.2 Und doch ist ihr und nur ihr Siedlungsgebiet in der ersten Vorarlbergkarte von 1783 als Walsertum und WALLSERTHAL ausgewiesen.3 „Ihre Abstammung“, hätten biologische Anthropolo­ gen entgegnet, die um 1910 begannen, die Schädel der ein­ Gemeindewappen schichtigen Walser zu vermessen4, um ihnen später auch noch das edle „Walserblut“ abzuzapfen.5 (Die Kropfbildung als typisches Walliser Erbgut erwies sich als nicht tragfähige These.)6 „Ihr Mundart“, hätte Paul Zinsli (1906 bis 2001) einge­ wendet: „Wo nicht mehr eine walserdeutsche Mundart gere­ det wird, besteht kein Walserort mehr, ja gibt es im Grunde keine Walser mehr“, nur noch „‚Herkunftswalser‘“, keine „kulturelle ‚Vollwalser‘“ mehr, resümierte der Sprachwissen­ schafter 1968 in seinem Standardwerk „Walser Volkstum“ und führte als Beispiele das Brandner­ und das Silbertal an.7 Selbst im Großen Walsertal hatte Zinsli schon vor Jahren einen Sprachverfall feststellen müssen und dass das Vorarl­ berger Walsertum „in der Gefahr der Auflösung“ steht.8 Nüchtern betrachtet fällt es schwer, in der Kultur oder gar in der Natur eine die Walser zeit­ und grenzenlos verbin­ dende Klammer zu finden oder zu konstruieren. Vielleicht können wir uns auf die schlichte Formel verständigen: Wal­ ser ist, wer sich als Walser sieht und als Walser angesehen wird. Das gilt auch für Vereinigungen bis hin zu politischen Gemeinden. Im Bemühen ein Walser­Bewusstsein zu schaffen oder lebendig zu erhalten, wurde in Vorarlberg auch eine Walser­ Symbolik behauptet und entwickelt, die in Gemeindewappen Ausdruck und Verbreitung fand. 1. Walsergemeinden Der Rückbezug auf die so genannten „Walsergemeinden“ war auch der zentrale Anknüpfungspunkt für die organisierte „Walserrenaissance“ der 1960er Jahre. Als Folge der Lawinenkatastrophe von 1954 bildete sich eine Gemeinschaft abgewanderter Großwalsertaler, die sich 1960 als „Walser­Vereinigung“ mit Sitz in Schlins konstitu­ ierte. Mitglied konnte nur eine nicht mehr im Walsertal wohn- haftePerson werden, die auf Grund der Matriken nachweisen kann, daß sie in einer Walsergemeinde geboren ist.9 1967 for­ mierte sich der Verein als „Walservereinigung Rankweil“ neu. Anspruch auf die Mitgliedschaft hatte nun jede nicht mehr im Walsertal wohnhafte, vordem zur dortigen Heimatgemein- schaft zählende Person und deren Nachkommen.10 Inspiriert durch die internationale „Walserrenaissance“, deren Initiatorin und Organisatorin Tita von Oetinger (1905 bis 1978) 1962 zu einem ersten Walsertreffen nach Saas­Fee ins Wallis eingeladen hatte11, traf sich im Oktober 1966 in 30 montfort Zeitschrift für Geschichte Vorarlbergs Band 1 / 2013 Blons ein Kreis Gleichgesinnter, um die Gründung einer Vor­ „Da die Walser dem Neuen kritisch und zurückhaltend arlberger Organisation vorzubereiten. gegenüberstehen, dauerte es einige Jahre, bis schließlich „Besondere Impulse“ kamen von zwei Heimatforschern12, alle Vorarlberger Walsergemeinden der Vereinigung bei­ vom Blonser Schuldirektor Eugen Dobler (1910 bis 2011)13 traten,“ berichtete 1977 Herbert Sauerwein im Rückblick.27 und vom Kleinwalsertaler Chronisten Alfons Köberle (1893 Aus dem „alle“ wird deutlich, dass auch in der Walserver­ bis 1980).14 Am 8. Juli 1967 beschloss ein Proponenten­ einigung nicht von vornherein so klar gewesen zu sein komitee in Lech offiziell die Gründung einer „Vorarlberger scheint, welche Gemeinden als „Walsergemeinden“ anzuse­ Walservereinigung“.15 „Die Sorge um die Erhaltung und hen waren. Pflege des Walser Volks­ und Brauchtums führten schon seit Blons, Brand, Damüls, Laterns, Lech, Mittelberg, Raggal, Jahren verantwortungsbewußte Männer aus verschiedenen Schröcken, Sonntag, Warth bis 1968 –28 mit dem Beitritt von Walsersiedlungen zusammen. Um nachhaltiger und in die Fontanella, St. Gerold und Thüringerberg galt bereits 1970 Breite wirken zu können, erwies es sich jedoch als unum­ „Kreis der Walsergemeinschaft in Vorarlberg geschlossen“29; gänglich, die lose Interessengemeinschaft auf eine rechtliche spätestens aber 1972 mit Silbertal30, und nochmals 1975 mit Grundlage zu stellen,“ berichtete Lechs Alt­ und Vizebürger­ Dünserberg.31 Ab 1978 galt auch der Dornbirner Ortsteil meister Martin Walch (1922 bis 1980) als Gründungsobmann Ebnit als Mitglied, was jedoch zweifelhaft bleibt.32 1996 wur­ in der ersten Ausgabe der Halbjahresschrift „Walserheimat den die Tiroler Gemeinde Galtür und die Liechtensteiner in Vorarlberg“16, die zehn Jahre später in einer Auflage von Gemeinde Triesenberg geworben und aufgenommen.33 2001 1.600 Exemplaren erschien.17 schließlich ersuchte noch Bürserberg um Aufnahme und darf Die „Vorarlberger Walservereinigung“ wurde als Ge­ seither „das 19. Sternchen im Logo der Walservereinigung meindeverband gegründet. Ordentliche Vereinsmitglieder sein“.34 Dabei zierte der „Walser Steinbock“ bereits seit 1970 konnten nur die Vorarlberger Walsergemeinden, geschlossene das Wappen der Gemeinde Bürserberg. Walsersiedlungen und Vereine der abgewanderten Walser wer­ Die Funktion der „Walsermacher“ teilte sich der Vorstand den18; bis 2000 war nur diese so genannte „Kollektivmitglied­ der Walservereinigung mit der Landesregierung, die den schaft“ möglich.19 Gemeinden Wappen beschied. Diese Konstruktion und der Vorgang sind bemerkens­ wert: Eine Gemeinde erklärt sich durch den Beitritt zum Verein „Vorarlberger Walservereinigung“ im Ergebnis zu einer „Walsergemeinde“.20 Ob ihr dieses Prädikat zukommt, 2. Gemeindewappen entscheidet die Walservereinigung mit der Aufnahme. Die „Walsergemeinschaft Rankweil“ sah sich in diesem Mitglie­ Eine gemeinsame Zeichensymbolik war in der Walser­ derkreis als „‚auswärtige Gemeinde‘“.21 forschung kaum zur Sprache gekommen.35 Eine Ausnahme Wie schon vor 500 Jahren: Ein „gehöriger“ Walser ist, wer bildeten kreative Bemühungen in Vorarlberg, den Steinbock einer Walsergemeinde zugehört – Walser als Rechtskategorie. zu einem „Walser­Label“ aufzubauen; nicht ohne Erfolg, Die Vorarlberger Walservereinigung versteht sich heute wenn wir die Wappen unserer Walsergemeinden Revue pas­ als „die Interessensgemeinschaft der 19 Walsergemeinden sieren lassen. in Vorarlberg, Tirol und Liechtenstein mit insgesamt 17.000 Der Zusammenhang zwischen den Wappenverleihungen Einwohnern“.22 und der organisierten „Walserrenaissance“ der 1960er Jahre Die flächendeckende Bildung von Ortsgemeinden ist evident. erfolgte in Vorarlberg bereits aufgrund der bayerischen Gemeindereform von 1808.23 Potentielle „Walsergemeinden“ wären Hochkrumbach und Ebnit gewesen. Das aussterbende 2.1 Von der Gnade zum Recht Hochkrumbach wurde 1885 mit Warth vereinigt (zu „Warth­ Hochkrumbach“,
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