Analyse Der Bundestagswahl Vom 22. September 2002

Analyse Der Bundestagswahl Vom 22. September 2002

Arbeitspapier herausgegeben von der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. Nr. 91 Jutta Graf/Viola Neu PolitikKompass Analyse der Bundestagswahl vom 22. September 2002 Sankt Augustin, Oktober 2002 Ansprechpartner: Dr. Stephan Eisel Leiter der Hauptabteilung „Innenpolitik und Soziale Marktwirtschaft“ Telefon: 0 22 41/246-630 E-Mail: [email protected] Viola Neu / Jutta Graf Team „Politische Kommunikation, Parteien- und Meinungsforschung Telefon: 0 22 41/246-249 / -259 E-Mail: [email protected] / [email protected] Postanschrift: Konrad-Adenauer-Stiftung, Rathausallee 12, 53757 Sankt Augustin Inhalt 1. Wesentliche Bestimmungsgründe des Wahlergebnisses 2 2. Das Wahlergebnis 5 2.1 Wahlergebnis und Wahlbeteiligung 5 2.2 Die Wählerwanderungsbilanz 18 2.3 Das Wahlverhalten in verschiedenen Bevölkerungsgruppen 19 3. Wahlkreisanalyse 29 3.1 Wahlbeteiligung und Ergebnisse der Parteien in den Wahlkreisen 31 3.2 Direktmandate 36 4. Die politische Meinungslage im Vorfeld der Wahl 57 4.1 Zufriedenheit mit Regierung und Opposition 57 4.2 Die wirtschaftliche Lage 62 4.3 Die wichtigsten politischen Themen und Problemlösungskompetenzen 65 4.4 Die Bewertung der Spitzenkandidaten 75 4.5 Die Sonntagsfrage bei den unterschiedlichen Instituten 78 5. Anhang Bundestagswahlergebnisse 2002 in den Bundestagswahlkreisen – Erststimmen Bundestagswahlergebnisse 2002 in den Bundestagswahlkreisen – Zweitstimmen Das Ergebnis der Bundestagswahl 1998 in den Wahlkreisen und das auf den Neuzuschnitt umgerechnete Ergebnis – Erststimmen Das Ergebnis der Bundestagswahl 1998 in den Wahlkreisen und das auf den Neuzuschnitt umgerechnete Ergebnis – Zweitstimmen 2 1. Wesentliche Bestimmungsgründe des Wahlergebnisses Die rot-grüne Regierung wurde bestätigt, allerdings nur mit einer knappen Mehrheit vor der Opposition. Die Verluste der SPD (-2,4 Punkte = 38,5 Prozent) konnten vom Koalitionspartner Grüne (+1,9 Punkte = 8,6 Prozent) weitgehend kompensiert werden. Die Union konnte den Vorsprung, den sie in Meinungsumfragen bis August hatte, nicht halten. Sie gewann 3,4 Punkte hinzu (38,5 Prozent) blieb aber ebenso wie die FDP, die leicht hinzugewann (+1,2 Punkte = 7,4 Prozent) hinter den Erwartungen zurück. Die Union hatte vor allem in den neuen Ländern Mobilisierungsdefizite. Hier kam die Union auf 28,3 Prozent, die SPD auf 39,7 Prozent. Zudem zeichnet sich ein Nord-Süd-Gefälle ab. Das beste Ergebnis erzielte die CSU in Bayern, wo sie auf 58,6 Prozent der Zweitstimmen kam. Die Wählerwanderungsbilanzen weisen in unterschiedliche Richtungen. Zum einen ist es den bürgerlichen Parteien gelungen, die 1998 erfolgten Verluste an die SPD weitgehend zu kompensieren. Die Union konnte 1.180.000 ehemalige Wähler der SPD für sich gewinnen. Die FDP gewann 350.000 Wähler der SPD. Andererseits zeichnet sich innerhalb des Regierungslagers ein taktisch motiviertes Stimmensplitting ab, von dem die Grünen profitieren. Die SPD verlor 490.000 Wähler an die Grünen. Die SPD profitiert zudem sowohl im Bund als auch in Mecklenburg-Vorpommern vom Niedergang der PDS. Die PDS verlor 310.000 Wähler an die SPD. Durch unvorhersehbare Ereignisse haben sich die Wettbewerbsbedingungen der beiden Volksparteien in der Schlussphase des Wahlkampfes dramatisch verändert. Am Ende siegte der Bauch über den Kopf. Die Union konnte mit den sachpolitischen Themen nicht mehr die Herzen der Wähler erreichen. Der Union ist es gelungen, beim wichtigsten Thema „Arbeitslosigkeit“ die 1998 an die SPD verlorene Kompetenzführerschaft zurück zu erobern. Zudem hatte sie in ihren Kernkompetenzen „Wirtschaft“ und „Kriminalität“ im Vergleich zu 1998 ihren Vorsprung erheblich vergrößert. Am Ende des Wahlkampfes, als neue Themen die Agenda besetzten, konnte die Union mit dem Single-Issue-Wahlkampf der Regierung nichts entgegensetzen. Die Themen Wirtschaft und Arbeitslosigkeit verloren so ihre mobilisierende Wirkung. Die SPD hatte bei der sozialen Sicherung und der Familienpolitik ihre wesentlichen Kompetenzfelder. Aber auch bei dem Thema Hochwasser-Katastrophe wurden ihr große Kompetenzen zugesprochen. Dem Kanzlerkandidaten der Union, Edmund Stoiber, wurden vom Wähler eher die Kompetenzen, dem amtierenden Bundeskanzler eher die Sympathiewerte zugeschrieben. Allerdings konnte Schröder unmittelbar vor der Wahl auch auf gestiegene Kompetenzwerte bauen. Welche Auswirkungen die Fernseh-Duelle auf den Wahlausgang hatten, ist offen. Am 3 Ende des Wahlkampfes klaffte die Bewertung der Kandidaten immer weiter auseinander und Schröder fand über Partei- und Lagergrenzen hinaus Zuspruch. Durch die Flutkatastrophe und die Debatte um die Unterstützung der USA bei ihrer Irak- Politik, konnte die Regierung Handlungsfähigkeit und Entscheidungskraft zeigen. Diese zwei Ereignisse unterscheiden sich wesentlich vom normalen Gesetzgebungsprozess, bei dem die Darstellung als alleiniger Akteur durch den Zwang zur Herstellung des politischen und gesellschaftlichen Konsens erschwert wird. Erst nach diesen Ereignissen ist die Zufriedenheit mit der Regierung angestiegen. Sowohl SPD als auch Grüne konnten sich aus dem Stimmungstief befreien. Bis August zeichnete sich das Meinungsklima duch eine relativ große Stabilität aus. Bis August waren die Chancen für die Union, die Wahl zu gewinnen, ausgesprochen gut. Die wirtschaftliche Stimmung war negativ und die Unzufriedenheit mit der Regierung groß. Gleichermaßen wurde die Union in zentralen Fragen kompetenter als die SPD eingeschätzt. Allerdings hatte sich im Unterschied zu 1998 keine eindeutige Wechselstimmung etabliert. Im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe begannen sich die Erfolgsaussichten der Regierung zu verbessern. Zwar dominierte nach wie vor wirtschaftlicher Pessimismus, die Regierung konnte sich aber plötzlich von ihrer negativen Wahrnehmung befreien und auf allen Gebieten Pluspunkte sammeln. Auch am Ende des Wahlkampfes blieb das Meinungsklima diffus und widersprüchlich, wodurch sich die Pattsituation der beiden Lager erklärt. Entscheidend blieb am Ende der Wahl, dass die Union nicht genügend Wählern einen Grund zum Wechsel lieferte. Während des gesamten Wahlkampfes ist es der Union nicht gelungen, die Wähler davon zu überzeugen, dass sie die bessere Alternative wäre, die die anstehenden Probleme besser lösen könne. Von dem Themenumschwung profitierten vor allem die Grünen, die ihr Ergebnis um 1,9 Punkte auf 8,6 Prozent verbessern konnten. Zum ersten Mal in der Geschichte der Grünen wurde ein Wahlkampf mit einem Spitzenkandidaten bestritten. Die Grünen profitierten von der hohen Popularität, die Bundesaußenminister Joschka Fischer in der Bevölkerung genießt. Den Grünen ist es zudem gelungen, nicht mehr als Single-Issue-Partei wahrgenommen zu werden. Allerdings sind ihre derzeitigen Kompetenzen (z.B. in der Außenpolitik) hochgradig von der Glaubwürdigkeit von Personen abhängig und nicht durch die Partei gestützt. Ob es den Grünen daher auf Dauer gelingen wird, ein Kompetenzprofil jenseits ihrer Stammthemen zu etablieren, bleibt offen. Die populistische Besetzung des Themas Frieden nutzte den Grünen darüber hinaus, da „Pazifismus“ ein Kernimage der Partei ist. Die Positionierung in der Irak-Debatte mobilisierte 4 latent immer vorhandene antiamerikanische Ressentiments, die keineswegs auf die politische Linke beschränkt sind, sondern auch ins bürgerliche Lage hineinreichen. Die PDS wird nur mit zwei Abgeordneten im Bundestag vertreten sein. Sie ist mit 4 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Dies ist der erste Bundestag seit der Wiedervereinigung, in dem die PDS nicht in Gruppen- bzw. Fraktionsstärke vertreten sein wird. Die PDS konnte im Unterschied zu den Grünen das Thema „Frieden“ nicht für sich nutzen. Dies liegt vor allem an der mangelnden Glaubwürdigkeit der PDS in diesem Themenfeld. Zudem konnte die PDS die Wählerschaft nicht auf einer Ost-West-Linie polarisieren. Bei der Stimmabgabe nach Alter und Geschlecht wiederholt sich ein Wahlverhalten, das 1998 für die Niederlage der Union entscheidend war und einen Regierungswechsel der Union 2002 verhinderte. Die Union hatte 1998 bei den über 60jährigen nur 45 Prozent der Wähler erreicht (-7 Punkte). Bei dieser Wahl stagnierte der Anteil der über 60jährigen bei 45 Prozent. Die Union konnte seit 1953 (Einführung der repräsentativen Wahlstatistik) bei den über- 60jährigen etwa die Hälfte der Wähler erreichen. 1998 kam die Union in dieser Altersgruppe unter die 50-Prozent-Marke. In dieser für die Union relevanten Zielgruppe blieb sie somit erneut deutlich unterhalb ihrer Mobilisierungsmöglichkeiten. 5 2. Das Wahlergebnis 2.1 Wahlergebnis und Wahlbeteiligung Am 22. September 2002 wurde die rot-grüne Bundesregierung knapp, in dem nunmehr auf 598 Abgeordnete verkleinerten Parlament, bestätigt. Die rot-grüne Regierung stellt durch 4 Überhangmandate insgesamt 9 Abgeordnete mehr als die Opposition. Die SPD konnte trotz Stimmenverlusten erneut die Regierung bilden. Mit einem Zweitstimmenanteil von 38,5 Prozent (=18,49 Mio. Wählern) lag sie nur mit ca. 9.000 Stimmen vor den Unionsparteien. Im Vergleich zur Bundestagswahl 1998 haben die Sozialdemokraten 2,4 Prozentpunkte eingebüßt (= -1,7 Mio. Wähler). In Ostdeutschland erreichte sie mit 39,7 Prozent einen höheren Stimmenanteil als im Westen (38,3 Prozent). Ursache sind hier zwei gegenläufige Wählerbewegungen: Verluste im Westen (-4 Prozentpunkte) und Gewinne im Osten (+4,6 Prozentpunkte). Wähleranteile von über 45 Prozent erzielte die SPD in Bremen (48,6 Prozent), Niedersachsen (47,8 Prozent), Brandenburg (46,4 Prozent) und im Saarland (46 Prozent). Die SPD wird künftig mit 251 Sitzen (-47) im Bundestag vertreten

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