Bücher Des Konrad Celtis

Bücher Des Konrad Celtis

Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg NIKOLAUS HENKEL Bücher des Konrad Celtis Originalbeitrag erschienen in: Bibliotheken und Bücher im Zeitalter der Renaissance : [Vorträge gehalten anläßlich der 7. Jahrestagung des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Bibliotheksgeschichte in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel vom 1.-3. Juni 1992] / hrsg. von Werner Arnold. Wiesbaden: Harrassowitz, 1997, S. 129-166 NIKOLAUS HENKEL Bücher des Konrad Celtis* Die Gelehrtenbibliotheken des 15. und 16. Jahrhunderts stellen einen Beobachtungsgegenstand dar, an dem sich nicht nur die Vielfältigkeit der Bildungsinteressen, die Gewichtung der Wissensgebiete und die zeittypischen Möglichkeiten der Systematisierung des Wissens erken- nen lassen 1 . Wo solche Bibliotheken noch erhalten oder aufgrund von Bestandsverzeichnissen erkennbar sind, können sie als exemplarisch gelten, so die Büchersammlungen des Amplonius Ratinck de Berka zu Beginn des 15. Jahrhunderts 2, später dann die Bibliotheken etwa Albrechts von Eyb3, Hermann und Hartmann Schedels 4, des Beatus * Für Hilfe und Rat danke ich Dieter Harlfinger, Istvan Monok, Nigel F. Palmer und Franz Josef Worstbrock und den Bibliotheken in Kassel, Oxford und Wien, die die Abbildungen zur Verfügung gestellt haben. 1 Siehe dazu Heinrich Kramm: Deutsche Bibliotheken unter dem Einfluß von Hu- manismus und Reformation. Ein Beitrag zur deutschen Bildungsgeschichte, Leip- zig 1938 (Beih. z. Zentralbl. f. Bibliothekswesen 70) (Nachdr. Wiesbaden 1968); Paul Lehmann: Grundzüge des Humanismus deutscher Lande zumal im Spiegel deutscher Bibliotheken, in: Aevum 31 (1957), S. 253 — 268; Fritz Krafft und Die- ter Wuttke (Hrsg.): Das Verhältnis der Humanisten zum Buch, Boppard 1977 (Kommission für Humanismusforschung. Mitteilung 4). 2 Siehe dazu Wilhelm Schum: Beschreibendes Verzeichnis der Amplonianischen Handschriftensammlung zu Erfurt, Berlin 1887, S. V — LVIII und 785 — 867; vgl. dazu auch den Abdruck des Katalogs und die Ausführungen in: Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Bd. 2. Bearb. von Paul Leh- mann, München 1928, S. 1 — 99. 3 Siehe hierzu Max Herrmann: Albrecht von Eyb und die Frühzeit des deutschen Humanismus, Berlin 1893, S. 142 — 160; dazu S. 84 — 94 zu den Büchererwer- bungen während des Italienaufenthalts. Zum letzten Forschungsstand siehe Hardo Hilg und Michele Feo: Primo elenco dei libri di Albrecht von Eyb, in: Quaderni Petrarcheschi 4 (1987), S. 63 — 65. 4 Siehe hierzu Richard Stauber: Die Schedelsche Bibliothek. Ein Beitrag zur Aus- breitung der italienischen Renaissance, des deutschen Humanismus und der medi- zinischen Literatur, Freiburg i. Br. 1908; Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Bd. 3,3. Bearb. von Paul Ruf. München 1939, S. 798 — 844. — Lehmann (s. Anm. 1), S. 259 — 261; Beatrice Hernad: Die Gra- phiksammlung des Humanisten Hartmann Schedel, München 1990 (Bayer. Staats- bibliothek, Ausstellungskataloge 52). 130 Nikolaus Henkel Rhenanus5, Willibald Pirckheimers 6 oder Jakob Spiegels7. Ihre begü- tert-seßhafte Lebensweise in der zweiten Lebensphase, ein fester Lebensmittelpunkt, akademische Bildung und Bucherwerb über mehre- re Generationen hinweg 8, bei Hartmann Schedel die Übernahme einer reichen Bibliothek von dem Oheim, waren der Entstehung solchen Buchbesitzes günstig. Die Erhaltung solcher Büchersammlungen ist indes an die Aufnah- me in eine die Lebenszeit des Individuums übergreifende Institution gebunden, so etwa an das Collegium Porta coeli für die Sammlung des Amplonius, an die Fuggerbibliothek und die Königliche Bibliothek in München im Falle Schedels. Anders liegt die Sache bei den deutschen Wanderhumanisten der ersten Generation wie Peter Luder oder Samuel Karoch von Lichten- berg. Die Breite und Intensität ihrer Bildung lassen sich aus den Werken annähernd erfassen, von ihrem Buchbesitz wissen wir so gut wie nichts9. Seine eigene Bewandtnis hat es mit Konrad Celtis. Sein Lebensweg läßt sich auf weite Strecken gut verfolge&°. Quellen dafür sind seine 5 A. Horawitz: Die Bibliothek und Correspondenz des Beatus Rhenanus zu Schiett- stadt, Wien 1874. — Gustav C. Knod: Aus der Bibliothek des Beatus Rhenanus. Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus, Straßburg und Leipzig 1889. 6 Siehe hierzu Arnold Reimann: Die älteren Pirckheimer. Geschichte eines Nürn- berger Patriziergeschlechts im Zeitalter des Frühhumanismus (bis 1561). Aus dem Nachlaß hrsg. von Hans Rupprich, Leipzig 1944, hier S. 197 — 230 zur Familien- bibliothek. 7 Karl Heinz Burmeister: Die Bibliothek des Jakob Spiegel, in: Fritz Krafft und Dieter Wuttke (Hrsg.): Das Verhältnis der Humanisten zum Buch, Boppard 1977 (Kommission für Humanismusforschung. Mitteilung 4), S. 163 — 183. 8 So etwa in der Familie Pirckheimer; siehe dazu A. Reimann. Die älteren Pirck- heimer (s. Anm. 6), S. 197 — 230. — Lehmann (s. Anm. 1), S. 261 — 264. 9 Ähnlich steht es übrigens mit der Bibliothek Reuchlins, die 1519 neben griechi- schen und hebräischen Schriften einen Bestand von rd. 250 lateinischen Büchern umfaßt haben muß; siehe Karl Preisendanz: Die Bibliothek Johannes Reuchlins, in: Johannes Reuchlin 1455 — 1522. Festgabe seiner Vaterstadt Pforzheim zur 500. Wiederkehr seines Geburtstages, Pforzheim 1955, S. 35 — 82. 10 Vgl. dazu vor allem die Arbeiten von Dieter Wuttke: Art. Conradus Celtis, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, 1983, Sp. 1608 — 1611; ders.: Dürer und Celtis. Von der Bedeutung des Jahres 1500 für den deutschen Humanismus. 'Jahrhundert- feier als symbolische Form', in: The Journal of Medieval and Renaissance Studies 10 (1980), S. 72 — 129; ders.: Humanismus als integrative Kraft. Die Philosophia des deutschen 'Erzhumanisten' Conrad Celtis. Eine ikonologische Studie zu pro- grammatischer Graphik Dürers und Burgkmairs, Nürnberg 1985; ders.: Conradus Bücher des Konrad Celtis 131 Werke und vor allem sein Briefwechseln. Nach Stationen des Studie- rens, Lebens und Lehrens u. a. in Köln, Heidelberg, Erfurt, Rostock, Leipzig, in mehreren Universitätsstädten Italiens, in Ingolstadt, kurz auch in Regensburg, wiederum in Heidelberg und Nürnberg kann Cel- tis' "irrendes Lebensschiff" 1497 in Wien vor Anker gehen. Es ist das letzte Lebensjahrzehnt, das Celtis hier verbringt. Die ordentliche Professur für Poetik und Rhetorik sichert von nun an seine Existenz. Das von Maximilian I. 1501 gestiftete 'Collegium poetarum et mathe- maticorum' bietet in seiner lockeren Organisationsform für Celtis' weitere Tätigkeit die so sehr gewünschte Freizügigkeit 12. Am 4. Fe- bruar 1508, gerade 49 Jahre alt geworden, stirbt Celtis an den Folgen der Syphilis, die ihn 10 Jahre zuvor befallen hatte. In sein Sterbebild, das er 1507 von Hans Burgkmair d. Ä. schneiden läßt, bringt er seine geistigen Grundlagen, seinen Anspruch als Dichter wie auch das Ziel seiner Existenz zum Ausdruck. Und wesentliches Instrument dieser Selbstdarstellung sind die in Gestalt von vier Büchern erscheinenden eigenen Werke (siehe Abb. 7). Mit ihnen tritt er in ein die endliche Existenz des Körpers überdauerndes Gespräch mit den Gelehrten aller Zeiten 13 : Celtis Protucius (1459 — 1508). Ein Lebensbild aus dem Zeitalter der deutschen Renaissance, in: Philologie als Kulturwissenschaft. Studien zur Literatur und Ge- schichte des Mittelalters. Festschrift für Karl Stackmann zum 65. Geburtstag. Hrsg. von L. Grenzmann, H. Herkommer und D. Wuttke. Göttingen 1987, S. 270 — 286; ders.: Art. Celtis, Conrad(us), in: Literaturlexikon. Hrsg. von Walther Killy. Bd. 2, 1989, S. 395 — 400 und Abb. S. 377 — 384. 11 Hans Rupprich (Hrsg.): Der Briefwechsel des Konrad Celtis. Gesammelt, hrsg. und erläutert, München 1934 (Veröff. d. Kommission zur Erforschung der Ge- schichte der Reformation und Gegenreformation. Humanistenbriefe Bd. 3). 12 Zu Celtis' Wiener Tätigkeit siehe Gustav Bauch: Die Rezeption des Humanismus in Wien. Eine literarische Studie zur deutschen Universitätsgeschichte, Breslau 1903 (Nachdruck Aalen 1986). — Tibor Klaniczay: Celtis und die Sodalitas litte- raria per Germaniam, in: August Buck und Martin Bircher (Hrsg.): Respublica Guelpherbytana. Wolfenbütteler Beiträge zur Renaissance- und Barockforschung. Festschrift für Paul Raabe, Amsterdam 1987 (Chloe 6), S. 79 — 105. 13 Im Zusammenhang mit dem Sterbebild, das mit den Jahreszahlen 1507 und 1508 erhalten ist, entsteht 1507 auch Burgkmairs Holzschnitt-Entwurf einer Celtis-Me- daille, des Nummus aeneus, auf den ich weiter unten eingehe. — Das Sterbebild ist vielfach abgebildet, u. a. bei D. Wuttke: Humanismus als integrative Kraft (s. Anm. 10), S. 44. — Zu Celtis' Tod vgl. auch die übrige o. Anm. 10 genannte Lite- ratur sowie Hans Ankwicz-Kleehoven: Der Wiener Humanist Johannes Cuspinian. Gelehrter und Diplomat zur Zeit Kaiser Maximilians I. Graz und Köln 1959, S. 43 f. 132 Nikolaus Henkel MORTVVS ILLE QUIDEM SED LONGVM VIVVS IN EVVUM COLLOQVITVR DOCTIS PER SVA SCRIPTA VIRIS Soviel zur Erinnerung an die bekannten Daten. I. Daß Celtis eine Büchersammlung besaß, belegt sein Testament vom 24. Januar 1508 14. Er vermacht darin seine Bücher der Universität bzw. der Artistenfakultät zur Aufstellung in der Bibliothek und be- stimmt, daß sie öffentlichem Gebrauch zugänglich sein sollten, jedoch nicht entfernt werden dürften 1S. Welches diese Bücher waren, geht aus dem Testament nicht hervor, weil es keine Bestandsliste enthält und weil auch in der Folgezeit der Bestand offenbar nie verzeichnet wurde. Die Akten der Artistenfakultät erwähnen jedoch im Wintersemester 1509, also rund ein Jahr nach Celtis' Tod, anläßlich einer Kostenauf- stellung, daß

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