Die Spinnenfauna Des Göttinger Waldes (Arachnida: Araneida)

Die Spinnenfauna Des Göttinger Waldes (Arachnida: Araneida)

ZOBODAT - www.zobodat.at Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database Digitale Literatur/Digital Literature Zeitschrift/Journal: Göttinger Naturkundliche Schriften Jahr/Year: 1997 Band/Volume: 4 Autor(en)/Author(s): Sührig Alexander Artikel/Article: Die Spinnenfauna des Göttinger Waldes (Arachnida: Araneida) 117-135 Göttinger Naturkundl iche Schriften 4, 1997: 117-135 © 1997 Biologische Schutzgemeinschaft Göttingen Die Spinnenfauna des Göttinger Waldes (Arachnida: Araneida) The spider fauna (Arachnida: Araneida) of the beech forest "Göttinger Wald" A lexander Sührig Summary In the "Göttinger Wald", a beechwood on limestone in southern Lower Saxony, 156 species (89 genera, 21 families) of spiders have been recorded to date. The distribution patterns of several selected species in a ca. 380 ha section of the study-area are described. Dominant forest-floor spi­ ders are Callobius claustrarius , C.oelotes terrestris, Histopona torpida , Diplocephalus picinus, Coelotes inermis, Pardosa lugubris , Saloca dicer os, Harpactea lepida and Apostenus fuscus. 1. EINLEITUNG Bereits 1980 wurden von einer Arbeitsgrup­ gegeben werden. Den für diese Untersu­ pe in der Abteilung Ökologie des II. Zoolo­ chung notwendigen Einsatz von Bodenfallen gischen Instituts der Universität Göttingen genehmigte die Bezirksregierung Braun­ Untersuchungen zur Bodenfauna eines schweig (503.2220/Gö vom 09.05.1994). Kalkbuchenwaldes begonnen, bei denen die Analyse der Streuzersetzung (Dekom­ position) als ein ökosystemarer Schlüssel­ 2. UNTERSUCHUNGSGEBIET UND prozess im Mittelpunkt des Interesses stand METHODEN bzw. steht (SCHAEFER 1989). Von 1979 bis Das ca. 380 ha große Untersuchungsgebiet 1985 wurde im Rahmen einer Diplomarbeit (SÜHRIG 1996) hegt im südniedersächsischen (St ippic h 1981) sowie einer Dissertation Bergland im südlichen Teil des Göttinger (S t ippic h 1986) auch die Spinnenfauna Waldes etwa 7 km südöstlich des Stadtkerns (Arachnida: Araneida) des Göttinger Waldes von Göttingen und gehört forstbetrieblich untersucht. Gegenstand der Studien waren zur Revierforsterei Wittmarshof Nord (Staat­ insbesondere Fragen zum Artenbestand und liches Forst amt Reinhausen). Die Untersu­ zur Biomasse (S t ip p ic h 1981) wie auch chungsflächen BG 1 und BG 5 mit einer Flä­ Fragen zur Bedeutung von Habitat Struktur chengröße von jeweils ca. 2500 m2 (STIP­ und Nahrung (STIPPICH 1986). Anläßlich PICH 1981) sowie die ca. 12 ha große Unter­ einer neueren Untersuchung über räumliche suchungsfläche des ehemaligen Sonderfor­ Verteilungsmuster von Spinnen der Boden­ schungsbereichs (SFB) 135 der Deutschen zone im Göttinger Wald (SÜHRIG 1996) soll Forschungsgemeinschaft (STIPPICH 1986) nun ein aktueller Überblick über den derzei­ sind Teil des 380 ha großen Ausschnitts des tigen Kenntnisstand des Artenspektrums Göttinger Waldes (Abb. 1). 117 Abb. 1: Geographische Lage des Untersuchimgsgebietes. Schraffiert: Siedlungsgebiete, Gö = Stadtgebiet von Göttingen. Punk­ tiert: Waldflächen des Göttinger Waldes. Untersuchungsflächen: 1 - Revierforsterei Wittmarshof Nord (SÜHRIG 1996), 2 - BG 1 & BG 5 (STIPPICH 1981), 3 - SFB 135 (STIPPICH 1986). Der geologische Untergrund des Untersu­ leitet werden. Die wellige Muschelkalkober­ chungsgebietes wird durch den unteren Mu­ fläche von Löß und Verwitterungsmaterial schelkalk gebildet (N a g e l & W u n d e r l ic h (DlERSCHKE 1989) zeigt ein charakteristi­ 1976). Im Westen wird der Göttinger Wald sches Kleinrelief und ist durch Trockentäler durch den Leinetalgraben begrenzt, im Osten gegliedert (HÖVERMANN 1957). Nur auf den durch das Eichsfelder Becken, wobei von sehr ebenen Hochflächen finden sich dichte Westen die Muschelkalkscholle von ca. 300 Lehmböden, schwache Karsterscheinungen Metern Höhe über NN am Rand des Leine­ sowie Naßstellen bei Abdichtung der Ent­ talgrabens bis auf über 400 Meter über NN wässerungsbahnen (HÖVERMANN 1957). im Osten ansteigt (Mackenröder Spitze 428 m) und hier in einer 100 bis 150 Meter hohen Das Klima des Untersuchungsgebietes ist Schichtstufe zum Eichsfelder Becken (Röt­ subatlantisch bis submontan mit einem Jah­ senke) abfällt (H ö v e r m a n n 1957). Der resniederschlag von ca. 700 mm (D ammann klüftige Muschelkalk bildet nur eine dünne, 1969). Bei einer Jahrestemperaturschwan­ scherbige Verwitterungsdecke, so daß Nie­ kung von 17 °C ist ein leicht kontinentaler derschläge schnell zum Leinetalgraben abge­ Einschlag gegeben (DlERSCHKE 1989). 118 Boden und Vegetation der SFB-Fläche 1989). Demgegenüber setzte SÜHRIG (1996) wurden genauer untersucht. Die Böden sind zur Erfassung von Spinnen der Bodenzone flach- bis mittelgründig (DlERSCHKE 1989). nur Bodenfallen ein, die als Fangflüssigkeit Bei den Bodentypen handelt es sich um unverdünntes Ethylenglykol enthielten. flachgründige Kalkrendzinen, Terra fuscen, Bodenfallenfänge enthalten Repräsentan­ Braunerden, Parabraunerden über Lößlehm ten permanenter und periodischer Bewohner und Ühergangsformen (T h ö l e & M ey e r der Streuschicht wie auch Arten, die zufällig 1979). Die krümehgen Mullböden zeigen in die Streuschicht verdrillet werden schwach saure bis fast neutrale Reaktion (M a e lfa it & B a e r t 1975). Nach (M eiw es et al. 1981). M a e lfa it & B a e r t (1975) und T o ft Bei den untersuchten Buchenflächen han­ (1976) werden Spinnen hauptsächlich wäh­ delt es sich pflanzensoziologisch um ein Me- rend der reproduktiven Phase in höheren lico-Fagetum der Subassoziationsgruppe von Aktivitätsabundanzen erfaßt. Eine gesteiger­ Lathyrus vernus mit submontanem Charakter te lokomotorische Aktivität der Männchen, (artenreicher, bodenfhscher Kalkbuchen­ verursacht durch endogene Stimuli, die durch wald, D ier sc h k e 1989). B ö t tc h er et al. exogene Zeitgeber induziert werden, ist auf (1981) geben für die Gesamtfläche des Göt­ die Suche nach Weibchen während der Ko­ tinger Waldes für das Carici-Fagetum einen pulationszeit zurückzuführen (MAELFAIT & Flächenanteil von ca. 35%, für das Melico- B a ert 1975, T o ft 1976, T o p p in g & Su n ­ Fagetum einen Flächenanteil von ca. 65% an. d e r l a n d 1992). Diesen Autoren zufolge ist Auf der SFB-Fläche wurden folgende faziel- eine gesteigerte lokomotorische Aktivität der len Ausbildungen der Krautschicht unter­ Weibchen auf den erhöhten Nahrungsbedarf schieden: Allium-, Mercurialis- und Anemo­ während der Entwicklungsphase der Eier, ne-AusbMung, Mischtypen und Sonder­ auf die Suche der Weibchen nach geeigneten ausbildungen. Bestandsbildende Baumart Mikrohabitaten für den Kokonbau, auf eine (Hauptbaumart) ist die Buche ( Fagus sylva- postkopulatorische Dispersionsphase und/ tica ), die maßgeblich am Aufbau des typi­ oder auf die Suche der Weibchen nach schen Hallenwaldes beteiligt ist. Neben­ Männchen zurückzuführen (Rollentausch). baumarten sind Fraxinus excelsior, Acer Spinnen verfügen über effiziente Mittel pseudo-platanus , Acer platanoides , Ulmus (Sicherheitsfaden, Tarsen mit Scopula), aus glabra , Quercus petraea , Quercus robur, Bodenfallen wieder zu entkommen (A d is Carpinus betulus , Acer campestre und Pru­ 1974, T o p p in g & Su n d e r l a n d 1992). nus avium. Eine Strauchschicht bzw. zweite Baumschicht ist wenig entwickelt (alle An­ gaben nach D ier sc h k e 1989, D ier sc h k e & 3. ERGEBNISSE UND DISKUSSION Son g 1982; die Nomenklatur der Pflanzen­ 3.1 Artenspektrum namen richtet sich nach Sc h m e il & FiTSCHEN 1988). Im 380 ha großen Untersu­ Im Rahmen einer Dissertation (S tippic h chungsgebiet schwankt das Bestandesalter in 1986) sowie zweier Diplomarbeiten den einzelnen Abteilungen zwischen 19 und (S t ippic h 1981, Sü h r ig 1996) wurden für 169 Jahren (Bezugsjahr 1989). An der Na- den südlichen Teil des Göttinger Waldes 154 turveijüngung, die besonders in aufgelichte­ Spinnenarten aus 89 Gattungen nachgewie­ ten Altbeständen ausgeprägt ist, hat vor al­ sen, die sich aus 21 Familien rekrutieren. lem die Esche höhere Anteile. Eine Übersicht über die nachgewiesenen Ar­ St ippic h (1981 und 1986) verwendete als ten gibt Tab. 1, wobei jeder Art die biologi­ Fangmethoden neben Bodenfallen mit wäss­ schen Kenngrößen ökologischer Typ riger Pikrinsäure als Fangflüssigkeit auch (makroökologische Charakterisierung), Le­ KEMPSON-Proben, Boden-Photoeklektoren, bensweise (freijagend oder netzbauend), Baum- und Stubbeneklektoren, Handfänge Stratenzugehörigkeit, Größenklasse, Typ des sowie Gelbschalen (vgl. MÜHLENBERG Jahreszyklus, Faunenkreis und Höhenstufe 119 zugeordnet werden (vgl.u.). Die Nomenkla­ des Göttinger Waldes (vgl. SÜHRIG 1996), tur richtet sich nach PLATNICK (1993 zit n. die vom Autor noch vor Redaktionsschluß HÄNGGI et al. 1995), die systematische Ab­ ausgewertet wurden, stammen zwei weitere folge der Familien nach H eim er & N e n t w ig Linyphiiden: Oedothorax retusus und (1991). Innerhalb der Familien sind die Arten Walckenaeria atrotibialis (siehe Tab. 1). Die alphabetisch sortiert. Gesamtartenzahl erhöht sich damit von 154 In einem dänischen Mullbuchenwald auf 156 Arten. stellte TOFT (1 9 7 6 ) 146 Arten fest. Ebenfalls arachnologisch intensiv untersucht ist ein Moderbuchenwald im Solling, der allerdings 3.2 Merkmale der Spinnengemeinschaft mit 93 Arten eine viel geringere Artenzahl hat (S c h a e fe r & S c h a u e r m a n n 1990). Die folgenden Ausführungen zur Charakteri­ Auch D u m p e r t & P l a t e n (1 9 8 5 ) stellten in sierung der mit Bodenfallen erfaßten Spin- einem gut untersuchten Moderbuchenwald nenzönose im Göttinger Wald beziehen sich nur 95 Arten fest. auf die Untersuchung von SÜHRIG (1996). Die hohe Anzahl der nur von STIPPICH Während

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