Friedrich300 - Zeremoniell, Raumdisposition und Möblierung Henriette Graf Das Neue Palais König Friedrichs des Großen – Funktion, Nutzung, Raumdisposition und Möblierung, 1763-1784. Abb. 1: Potsdam, Park Sanssouci, Neues Palais, Ansicht der gesamten Gartenfassade, 1993. Foto: Handrick SPSG. Abstract Das Neue Palais war das größte Bauprojekt Friedrichs II. Geplant als Residenz in Potsdam-Sanssouci, wurde es nach dem Siebenjährigen Krieg 1763-1768 als prunkvoller Sommerpalast errichtet (Abb. 1). Die Säle, Galerien und ausgedehnten Raumfluchten mit Gemäldesammlungen, Meißner und Berliner Porzellanen, Schildpattmöbeln und Kristalllüstern stellten das außerordentliche finanzielle wie künstlerische Potenzial Preußens zur Schau. Und die Welt hat dies wahrgenommen: "Ich will nur überhaupt anmerken, daß er mir einer der elegantesten und vollkommensten [Paläste] geschienen, die ich in ganz Europa gesehen habe. Er ist, wie die meisten prächtigen Gebäude in Potsdam, nach des Königs eignem Entwurfe gebauet … Fast jeder Zweig der königlichen Familie hat seine eigne Reihe von Zimmern. Die für den König selbst, für die Prinzessinn Amalia und für den Prinz von Preussen sind die Prächtigsten", schrieb 1773 Charles Burney.1 1 Charles Burney: Carl Burney's der Musik Doctors Tagebuch einer Musikalischen Reise. Durch Böhmen, Sachsen, Brandenburg, Hamburg und Holland, Hamburg 1773, Nachdruck, Kassel 2003, 80-149, 103. Abb. 2: Heinrich Ludwig Manger (zugeschrieben), Neues Palais, Grundriss des Erdgeschosses, um 1755/56, Feder in Schwarz, mehrfarbig laviert, 49,5 x 75 cm, SPSG, GK II (1) 724. <1> Das Neue Palais im Park von Sanssouci steht am Ende einer Reihe von Schlossbauprojekten Friedrichs II., die mit dem ’Forum Friderizianum’ in Berlin an der Allee Unter den Linden – dort sollte zunächst die neue Residenz Preußens entstehen – im Jahr 1740 begann und mit dem Neuen Palais 1769 abschloss.2 Mit den Vorplanungen waren ab etwa 1755 der Baukondukteur Heinrich Ludwig Manger (1728-1790) sowie der Bildhauer und Entwerfer Johann Michael Hoppenhaupt d. Ä. (1709 – um 1780) betraut. Ein erster Grundriss war entstanden (Abb. 2) und Hoppenhaupt hatte Wandabwicklungen skizziert. Es war ein Audienzzimmer mit Podest, Audienzsessel und darüber hängendem Baldachin (Abb. 3) vorgesehen, das das ursprüngliche Projekt, eine Residenz zu errichten, belegt. War vor Beginn des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) also eine Residenz mit Zeremonialcharakter am Havelufer in der Achse von Sanssouci vorgesehen, so entstand ab 1763 am westlichen Rand des Parks Sanssouci ein Sommerpalast für große Feste, Theater und Konzerte. Mit der Verlegung des Standortes für neuen Schlossbau veränderte sich auch dessen Funktion. 2 Ein Überblick über die Schlossbauprojekte und Wohnungen Friedrichs bei Hans Joachim Giersberg: Schloss Sanssouci. Die Sommerresidenz Friedrichs des Großen, Berlin 2005, 7-31. Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de Abb. 3: Johann Michael Hoppenhaupt, Entwurf zu einem Audienzzimmer, Kupferstich um 1755, Kupferstichkabinett PK, OS 3970_7. <2> Baubeginn des Neuen Palais war umgehend nach der Rückkehr Friedrich II. aus dem Siebenjährigen Krieg mit Spatenstich am 16. Mai 1763. Der Baufortgang verlief von Süden nach Norden, danach richtet sich auch die Datierung der sukzessive entstandenen Möbel. Die Einweihung erfolgte im Sommer 1768 unter dem Namen "Friedrichsruh", wie mehrere Gesandtenberichte kolportieren.3 1769 erschien von Friedrich Nicolai die erste Beschreibung des Schlosses im Zusammenhang mit der Beschreibung der beiden Residenzstädte Berlin und Potsdam. Im Jahr 1772 legte Matthias Oesterreich eine Beschreibung der Innenausstattung wie Gemälde, Antiken und Möblierungen vor, die bereits im folgenden Jahr die zweite Auflage sowie eine französische Übersetzung erfuhr.4 Weitere Auflagen folgten. Bau und Ausstattung waren weithin publik gemacht und Besucher offensichtlich erwünscht. <3> Eine Analyse der Grundrissstruktur des Neuen Palais stellt die Frage nach dem Bautypus: "Auf dem Land und in Lust-Häusern [...], an welche gemeiniglich ein Garten stößt, […] die Herrschaft lieber in den 3 Henriette Graf: Das Neue Palais – Funktion und Disposition der Appartements, in: Friederisiko – Friedrich der Große. Die Ausstellung, hrg. v. d. Generaldirektion der Stiftung Preußische und Gärten Berlin-Brandenburg, München 2012, 294-303, Anm. 2. 4 Friedrich Nicolai: Beschreibung der königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam und aller daselbst befindlicher Merkwürdigkeiten: nebst einem Anhange, enthaltend die Leben aller Künstler, die seit Churfürst Friedrich Wilhelms des Großen Zeiten in Berlin gelebt haben, oder deren Kunstwerke daselbst befindlich sind, Berlin 1769, 536 f. Nachdruck Potsdam 1990; im Jahr 1779 erschien die 2. Auflage des Nicolaischen Werks, die dritte ausführlichste Auflage dann 1786. Matthias Oesterreich: Beschreibung aller Gemählde, Antiquitäten, wie auch verschiedenen andern Kostbarkeiten im Neuen Schloss bey SansSouci, Potsdam 1772; ders.: Beschreibung aller Gemählde, Antiquitäten, und anderer kostbarer und merkwürdiger Sachen, so in denen beyden Schlössern von Sans-Souci wie auch in dem Schloße zu Potsdam und Charlottenburg enthalten sind, Berlin 1773, Nachdruck Potsdam 1990. Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de untersten a plein pied erbauten Zimmern [wohnt]"5 - so hatte 1755 Friedrich Carl von Moser die in den deutschen Staaten verbreitete Bautradition formuliert, wofür in Preußen bereits Schloss Charlottenburg zu nennen wäre. Die Lage im Park von Sanssouci und die Ebenerdigkeit der Anlage mit umlaufenden Fenstertüren weisen das Neue Palais als das ’Lustschloss’6, als eine Maison de Plaisance, aus, in dem der König und seine Gäste tatsächlich im Erdgeschoss wohnten. Auch das Fehlen eines Audienzzimmers mit Baldachin für offizielle Besuche, weist auf die Funktion eines Lustschlosses hin. Die immense Größe der Dreiflügelanlage mit angegliederten, niedrigen Quertrakten allerdings verweist mehr auf die eines Palastes. (Abb. 1) Besondere Merkmale sind: die Grotte im Parterre, der Hauptfestsaal im Obergeschoss des Corps de Logis sowie das Übereinanderliegen von jeweils nahezu identischen Raumfluchten. Die kostbaren und vielfältigen Raumausstattungen sind Ergebnis der ehrgeizigen, ja pompösen, wie er sie selbst nannte, Kunstpolitik des Königs. Friedrichs gezielte Ankaufspolitik in Bezug auf die Gemäldesammlung sowie die ikonografischen Bezüge der kunsthandwerklichen Gegenstände geben dem Schloss den Charakter eines persönlichen Vermächtnisses, eines Museums. <4> Die drei Grazien bekrönen die Kuppel des Neuen Palais. Aglaia "die Glänzende", Euphrosyne der "Frohsinn" und Thalia, die "Festfreude", stehen programmatisch für dessen Nutzung als Sommerpalais, in dem glanzvoll gefeiert werden sollte. Die Grazien wiederholen sich als Deckengemälde, als Kameen an einem Kamin und marketiert an einer Kommode im Oberen Konzertsaal. Das Leitmotiv der Regierung des Königs, Apollon Musateges, erscheint hier sowie im Figurenschmuck seines Appartements. Das programmatische "Nec soli cedit" ("Selbst der Sonne weicht er nicht") als Inschrift an den Kartuschen der Mittelrisalite macht trotz allem den barocken Machtgestus evident. "Apoll und Mars in Friedrichen vereint" – das Bild Gotthold Ephraim Lessings ist hier geformt.7 Die Funktion des Neuen Palais <5> Die Frage der Funktion des Neuen Palais beschäftigt die Forschung schon seit längerem.8 Friedrich Carl 5 Friedrich Carl von Moser: Teutsches Hof=Recht, 2 Bde., Frankfurt / Leipzig 1754/55, Bd. 2, 282. 6 Ausführliche Beschreibung der Reise Sr. Kaiserlichen Hoheit des Großfürsten von Rußland Paul Petrowitsch von St. Petersburg an den Königl. Preuß. Hof nach Berlin, Berlin 1776, 108. 7 Frauke Mankartz: Die Marke Friedrich. Der preußische König im zeitgenössischen Bild, in: Friederisiko, Friedrich der Große – Die Ausstellung (Publikation anlässlich der Ausstellung Friederisiko – Friedrich der Große, SPSG im Neuen Palais im Park Sanssouci, 28.4.2012 – 28.10.2012), München 2012, 204-221, 215 und Anm. 56. 8 Stefan Schimmel: Residenz oder "Maison de Plaisance"? Die Räume und Fußböden des Neuen Palais, in: Hans Michaelsen (Hg.): Königliches Parkett in preußischen Schlössern. Geschichte, Erhaltung und Restaurierung begehbarer Kunstwerke, Petersberg 2010, S. 160-191. – Thomas Biskup: Höfisches Retablissement: Der Hof Friedrichs des Großen nach dem Siebenjährigen Krieg, in: http://www.perspectivia.net/content/publikationen/friedrich300-colloquien/friedrich- Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de von Moser definierte 1755 die ständige Wohnung des Regenten als den Ort, "wo der eigentliche Sitz des
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