Ausgabe 3 • Jahrgang 9 Aktuelle News, Tourdaten und Neuerscheinungen jeden Mittwoch neu unter http://www.jazzecho.de Herbst 2006 „Wer kann James Brown mit Gustav Mahler verschmelzen?“ Tomasz Stanko sucht noch Musiker. Weitere Qualifikationen im Porträt auf Seite 9. world’s best-sounding newspaper Hörproben und mehr auf www.jazzecho.de: Einfach die JazzLinks ins kleine Kästchen auf der Homepage eintippen. Keith Jarrett Teddy Thompson Branford Marsalis kann Seite 3 braucht auch anders fällt nicht weit keinen Pop Teddy „In der Kürze liegt die Würze“: Keith Jarrett hat sich auf Thompson seiner neuen CD die Binsenweisheit zu Herzen genommen. vom Stamm ist ironisch. mehr Seite 3 Seite 12 Ladies first Seele, Sinnlichkeit und Stimmkraft sind die drei S der modernen Frau. DIANA KRALL, MADELEINE PEYROUX und REBEKKA BAKKEN zeigen, wie’s geht. as haben Frauen im Jazz zu norwegischen Sängerin und Songwrite- suchen? Einiges, vielleicht rin. Ein leidenschaftliches, intimes Werk alles. Nur, dass sie es dort voll glücklicher, dramatischer, einsamer, jahrzehntelang einfach nicht trauriger, abgeklärter und immer wieder W finden konnten. Allgemeine Ungleich- hoffnungsschimmernder Liebesgeschich- berechtigung und der ganz spezielle ten aus Frauensicht – die sie, bis auf eine Sexismus der Männerwelten von Bebop einsame Ausnahme, selbst komponiert, bis Free Jazz haben ihnen weniger den getextet und produziert hat. Mit dieser Weg verstellt, als dass sie ihnen bereits eindeutig weiblichen Musik wissen auch den Einstieg vermiest haben. „A woman Männer etwas anzufangen. is a woman, but a cigar is a smoke“, wie „Ich bin eine Frau, aber ich definiere es Rudyard Kipling so bezeichnend wie mich nicht über mein Geschlecht oder kryptisch formulierte. Doch seit einigen mein Aussehen, sondern über meine Mu- Jahren tut sich was in Sachen Frauen und sik“, meint Madeleine Peyroux kurz vor Jazz. Mittlerweile, nach einer Fußball- der Veröffentlichung ihres Albums „Half WM, die Frauen nicht nur interessierte, The Perfect World“, auf dem sie neben sondern sogar dazu brachte, Panini-Bilder dem Titelsong von Leonard Cohen und zu sammeln und Wetten abzuschließen Serge Gainsbourgs „La Javanaise“ auch (und, noch schlimmer, zu gewinnen!), „I’m All Right“ singt, ihre Kollaboration rückt eine weibliche Vorherrschaft, die im mit dem Produzenten Larry Klein und Pop spätestens mit Madonna und Shakira Walter Becker von Steely Dan. „Für mich vollzogen wurde, auch im Jazzgeschäft in ist das Singen wie eine Fremdsprache”, immer greifbarere Nähe. meint sie weiter. „Wenn man eine ande- „Sind Frauen mit den Männern in der re Sprache fließend spricht und beginnt, Jazzwelt gleichberechtigt?“, fragte der sogar in dieser Sprache zu denken, kann amerikanische Journalist Tim Pulice Dia- man sich gewisse Freiheiten nehmen und na Krall, die gerade hochschwanger ihr Dinge in dieser Sprache erschaffen, die neues Swingalbum „From This Moment einem aus der Zwickmühle helfen. Sin- On“ promotete. „Ich glaube, dass Frauen gen löst meine Probleme.“ in vielerlei Hinsicht nicht gleichberechtigt So verschieden diese drei Frauen in sind“, kam die Antwort der 41-jährigen Aussehen und Ansichten sein mögen, so Kanadierin. „Meine Freundinnen sind unterschiedlich ist auch ihre Musik. Diana Anwältinnen und Ärztinnen und auch Krall zieht es jetzt wieder zum klassischen das sind in einigen Fachbereichen noch Swing, Rebekka Bakken schreibt und singt extreme Männerdomänen … Ich den- immer eigener über ihre Liebeserfahrun- ke aber schon, dass es eher Frauen sind, gen, Madeleine Peyroux wirkt nach wie die andere Frauen im Jazz unterstützen.“ vor wie eine in schönster Modernität wie- Jetzt kommt’s: „Es ist dabei sehr wichtig, dergeborene Blueslady. Eines haben sie dass Frauen sich nicht dafür entschuldi- mit Sicherheit gemein: Sie haben ihren gen müssen, dass sie gut aussehen.“ Ist Weg gefunden – jenseits von Jazz, Pop das vielleicht der Knackpunkt? Sitzen die oder anderen Kategorien, in ihrer indivi- Vorurteile wirklich so tief? duellen und originellen Musik. „Frauen haben so viel zu sagen“, gibt JazzLinks: bakken, krall, peyroux Natalie Cole zu Protokoll, deren neues Al- bum „Leavin’“ im Januar erscheinen soll. „Ich würde es gerne sehen, dass Frau- en mehr Songs für Männer schreiben. MAdeleINE Schließlich schreiben Männer ständig PEYROUX für Frauen. Aber wie wäre es wohl, wenn Half The Perfect World eine Frau Lieder für einen Mann schrei- Emarcy 06025 170 3279 ben würde? Sie würde ihn alles Mögli- che singen lassen, aber sicher nicht ‚Du Jenseits von Eva. Neue Weiblichkeit mit Rebekka Bakken, Diana Krall und Madeleine Peyroux erinnerst mich an mein Auto’“ (eine An- spielung an R. Kellys „You Remind Me Of 1923 1933 1960 1985 2001 2006 Something“) ReBekkA BAkkeN Mit dem „Downhearted John Hammond entdeckt Abbey Lincolns Schreie Cassandra Wilson, die Zehn Jahre nach Ella Wie lebendig die Welt der „Ich will Gleichberechtigung und I Keep My Cool ES I Blues“ wird Bessie Smith, Billie Holiday und auf der „Freedom Now Stimme des „M-Base Fitzgeralds letztem singenden Jazzladies ist, trotzdem meine Weiblichkeit ausleben“, Emarcy 06024 985 9256 D die „Empress of the Blues“, produziert ihre ersten Suite“ und „The Modern Collective“ um Steve öffentlichen Auftritt und zeigen die so faszinie- erklärt Rebekka Bakken, die oft mehr als A nicht nur die erste große, Aufnahmen mit Benny Sound Of Betty Carter“ Coleman, nimmt ihr Natalie Coles „Unforgett- renden wie unterschied- unterschwellig für ihre ansprechenden auf Platte aufgenommene Goodman. Die Swing-Ära manifestieren eine neue, Debütalbum mit wesent- able“ wird Diana Krall mit lichen Veröffentlichungen Albumcoverfotos angefeindet wird. „Es DIANA KRAll ZZL Jazz- und Bluessängerin, floriert auch mit Ella freiere und wütendere lich mehr Standards als einem Grammy für „The von Diana Krall, Rebekka ist mir wichtig, die Kontrolle zu behal- From This Moment On A sondern bleibt lange Zeit Fitzgerald, Sarah Vaughan Phase im modernen Jazz. Eigenkompositionen auf. Look Of Love“ zur First Bakken und Madeleine ten – über die optische Präsentation ge- Verve 06025 170 5042 Zeitleiste Zeitleiste J auch die erfolgreichste. und Anita O’Day. Lady des Jazz gekrönt. Peyroux. nauso wie über die Musik.“ „I Keep My (limited Edition) Cool“ heißt das neue, dritte Album der Erscheint am 08.09.2006 Soundcheck Meine erste Jazzplatte Mein Vater war – und ist – vom Jazz be- ne Fantasie. Meine Mutter erzählt, dass Als Erwachsene habe ich dem Jazz ab- Erst mit dreißig Jahren, als ich meine len eines großen Schallplattenladens. Bill sessen. Vor allem vom Free Jazz. Als ich ich einmal auf die Bühne geklettert bin, geschworen. Er war die „Musik meiner portugiesischen Wurzeln zu akzeptieren Evans mit Paul Chambers und Philly Joe ungefähr drei war, haben meine Mut- um einen seiner Drumsticks zu klauen. Eltern” geworden. Als Ausdruck des Pro- begann, ist der Jazz zu mir zurückgekom- Jones: On Green Dolphin Street. ter und er mich immer zu Konzerten Ich erinnere mich nicht daran. Für mich tests habe ich es also mit Pop versucht. men wie eine Selbstverständlichkeit. Ich bin nach Hause gegangen, und wäh- mitgenommen. ist der Drumstick zu mir gekommen, Ich habe Diana Ross entdeckt, Blondie, Er hatte sich in den vergangenen zehn rend ich die Platte hörte, kam etwas aus Ich erinnere mich: Es war sehr aufre- durch die Luft, mit Kraft von Han Bennink Françoise Hardy und das Yeah-Yeah. Jahren über Billie Holiday an mich heran- meiner Kindheit zurück, etwas Weiches gend, ich habe mich auf der Erde ge- zu mir geworfen. Ich habe ihn aufgefan- Ich hatte das Gefühl, mit dieser Musik geschlichen und über die Schauspielerin- wie ein alter verlorener Freund. Ein Vater. rollt und auf den Sitzen getanzt. Zum gen und in meinem Zimmer aufbewahrt ein Sakrileg zu begehen. Meinem Vater nen aus Hollywood, über Julie London. Nach diesem Fund habe ich weiterge- großen Erstaunen meiner Schwester, wie einen Schatz. Ich nehme an, dass der missfiel sie, wie mir schien, wegen ihrer Aber ich glaubte mich noch unempfäng- macht. Gut, ich bin keine große Kennerin die diese Musik schwer zugänglich Drumstick immer noch irgendwo ist, auf Ungezwungenheit. Offensichtlich habe lich für den Stil. Und dann entdeckte ich geworden wie mein Vater. Aber ich liebe fand. Ich mochte die Konzertatmos- einem Dachboden oder in einem Keller ich mich geirrt, aber ich glaubte, mich Bill Evans, der auf großer Tour war. Ich Chet Baker, Jimmy Scott, Duke Elling- phäre, die Freiheit. Han Bennink war in Brüssel, zwischen meinen Teddybären zu emanzipieren, mich seinem Einfluss zu habe mich gleich in die Platte verliebt, ton, Thelonious Monk, Herbie Hancock, Helenas neues Album mein Lieblingsmusiker. Ich mochte sei- und den Martine-Büchern. entziehen. wegen ihres Covers, dort in den Rega- Coltrane, Jarrett und die anderen. auf Seite 12. Seite 2 Ausgabe 3 • Jahrgang 9 Intro Eine Nacht mit Zwischen Schönberg und Art Tatum Hübsch, jung, talentiert: ERIN BOHEME zeigt, was sie Frank von Frank, Billie, Peggy und Dean gelernt hat. STEFANO BOllANI lässt sich beeinflussen Arnold Schönberg hat recht behal- williger, impulsiver Virtuose etabliert. Her- hervor. „Solche Vexierspiele sind wichtig ten, als er sagte: „Es gibt noch viel gute vorstechend ist Bollani auf Enrico Ravas für mich”, sagt er dazu. Musik, die in C-Dur geschrieben werden jüngsten Alben „Easy Living” und „Tati”. Dem Feuerwerk von Effekten, Kunst- kann.” Das findet auch der italienische Kollegen verglichen ihn mit Art Tatum. stückchen und Überraschungen, das Pianist Stefano Bollani, der kürzlich sein In Zusammenarbeit
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