Definitely Something Just What Is It That Makes Today’S Painting So Different, So Appealing?1'

Definitely Something Just What Is It That Makes Today’S Painting So Different, So Appealing?1'

Gary Hume LIONEL BOVIER Definitely Something Just what is it that makes today’s painting so different, so appealing?1' Über seine «weichen abstrakten Bilder» sagte Ger­ jener Künstler verstehen, die in der zweiten Hälfte hard Richter 1970 in einem Interview mit Rolf der 80er Jahre begonnen haben, aus der Sprache der Gunther Dienst: Die Bilder unterscheiden sich nicht von Malerei selbst heraus wieder einen Bezug zwischen den anderen [d. h. den Photobildern] oder nur äusser- Werk und Realität herzustellen - jedoch ohne diesen lich, und das ist unwichtig:2' Denn, wie er es einige Jah­ in der Form einer subjektiven Aussage ausdrücklich re später formulierte: Die Voraussetzung meiner neuen zu vermitteln. Bilder ist die gleiche wie bei fast allen anderen Bildern: Benjamin Buchloh hat aufgezeigt, wie stark der dass ich nichts mitteilen kann, dass es nichts mitzuteilen Satz von Richter mit der Entwicklung der Photo­ gibt, dass die Malerei nie die Mitteilung sein kann, dass graphie als Medium der Aufzeichnung des Wirk­ sich weder durch Fleiss, Trotz, Irrsinn noch durch sonstige lichen zusammenhängt.5' Es geht dabei allerdings Tricks die fehlende Botschaft von selbst nur so durch das weniger um eine Frage der Enteignung denn der Malen einstellen wird,3' Der Künstler will zwar durch­ paradoxen Bestätigung, wie Dave Hickey in seinem aus «ein Bild von der Welt» vermitteln, aber seine Essay «Richter in Tahiti» schreibt: (...) dass nämlich Absicht ist: nichts erfinden, keine Idee, keine Komposition, die Malerei sich nach dem Aufkommen der Photographie keinen Gegenstand, keine Form - und alles erhalten: Kom­ nicht wandelte, weil die Photographie deren beschreibende position, Gegenstand, Form, Idee, Bild,4' Funktion übernommen hatte, sondern weil die Photogra­ Diese Aussagen leuchten uns heute zwar unmittel­ phie diese Funktion betonte und damit das Zeichen höher bar ein, sie sind jedoch zentral, will man den Weg *13 bewertete als das Bezeichnetef'1 Gerade dieser Frage des Was soll ich malen, wie LIONEL BOVIER ist freier Kritiker und Ausstellungs­ soll ich malen1? geht Gary Hume in der Serie macher. Er lebt in Genf. DOORS (Türen, 1988-1992) nach. Tatsächlich han- 13 PARKETT 48 1996 Gary H um e Gary Hume GARY HUME, PRESENT FROM AN OCTOGENARIAN, 1991, oil on formica panel, 82 x 196" / FOUR DOORS I, 1989/90, gloss paint on canvas, 94 x 234 ” / GESCHENK EINES ACHTZIGJÄHRIGEN, Öl auf Resopalplatte, 208 x 498 cm. VIER TÜREN I, Lackfarbe auf Leinwand, 239 x 394 cm. (PHOTO: MATTHEW MARKS GALLERY, NEW YORK) (PHOTO: M ATTHEW MARKS GALLERY, NEW YORK) delt es sich bei diesen spiegelnden, lackierten Ober­ feststellt, lag es nun gefährlich nahe, der Verführung Methode in den Werken dieser Serie und heutigen einem Bild. W ährend die GREAT AMERICAN NUDES flächen (die in unwahrscheinlichen Farbvariationen einer solchen Ausdrucksweise zu verfallen und sie in Werken des Künstlers hinweisen kann, wie das Ulrich ein bestimmtes Fragment aus einem Werk von Ma­ die Schwingtüren eines Londoner Spitals wieder­ unendlichen Variationen auszubeuten.8' Indem er die Loock9) tut, so muss man doch anerkennen, dass sie tisse mit Bildern aus der Welt der Massenmedien ver­ geben) offensichtlich darum, ein Motiv zu finden, Leinwand durch Resopal oder Aluminium ersetzte, andrerseits gleich weit voneinander entfernt sind, banden, wird die Collage bei Hume zu einer eigent­ das den Beschränkungen eines flachen Bildträgers fand Gary Hume jedoch eine Lösung für das unlös­ wie etwa Jasper Johns und Wesselman, um ein mög­ lichen Überlagerung von Schichten, so wie parallel und einer Technik des Farbauftrags entspricht, die bare Problem (und persönlich bin ich geneigt, dieses lichst klares und sicher nicht unschuldiges Beispiel dazu seine Maltechnik eher mit Schichten als mit offensichtlich mehr von der industriellen als von für die darauf folgenden Veränderungen seines Vor­ zu nennen. Die Verwandtschaft, welche viele zeit­ Pinselstrichen arbeitet. 10> der handwerklichen Malerei geprägt ist. In gewis­ gehens verantwortlich zu machen): Nach tatsächlich genössische Werke mit den Arbeiten von Wesselman VICIOUS (1994) etwa zeigt eine Silhouette, die sem Sinn sind die DOORS ein verzögertes Echo der existierenden Modellen malte er schematisierte Tü­ verbindet, ist in der Tat zu auffällig, um nicht eher von den faschistischen Statuen des Olympiastadions FLAGS von Jasper Johns, die über den Umweg einer ren, so dass man beinah glauben konnte, sie könnten auf struktureller als auf formaler Ebene erklärbar zu in Rom inspiriert und von Blumenmotiven umgeben grundsätzlichen Auseinandersetzung mit der Mo­ in Wirklichkeit wieder als solche dienen ... sein. Was Hume von der Pop Art aufnimmt, ist nicht ist, bei denen man nicht weiss, soll man dazu irgend­ derne einen neuen, mehrdeutig schillernden Gehalt Wenn man auch auf gewisse, häufig wiederkeh­ so sehr die allgemeine Reduktion auf die Zeichnung, eine kunstvolle Tapete aus Arts & Crafts assoziieren gewonnen haben. Wie der Künstler selbst hellsichtig rende optische Effekte und die Verwandtschaft der als vielmehr die Verbindung heterogener Kodes in oder doch eher Warhols Flowers. Unterschiedliche 1 4 1 5 ■v-l #fv Gary Hume V' Gary Hume Bildkodes sind hier dicht miteinander verwoben, liess. Ich sah natürlich vier Paar nackte Füsse, ten­ und genau daraus ergibt sich die faszinierende dierte aber dazu, ihre Entstehung auf eine zufällige Ambivalenz des Werkes: Da ist einmal das Statuen­ Veränderung der Oberfläche zurückzuführen, auf hafte, ferner das genaue Registrieren von Schatten ein formales Ganzes, das ebensoviel von einem Ror- und Silhouette (dessen Bezüge zu den Anfängen schachklecks wie von der Photographie hatte, die der Photographie bekannt sind) sowie das Dekora­ vermutlich als Vorlage diente. Der schwarze Bereich, tive und dessen künstlerische Wiederverwertung usw. in dem sich, ein unbeholfener, Kreis abzeichnete, Selbstverständlich zielt ein solches Inventar weder schien diese Unsicherheit zu bestätigen. Ein Element auf eine Erklärung des Bildes noch auf Vollständig­ jedoch irritierte mich zutiefst, denn es brach diese keit. Es soll nur das Zusammengesetzte, Kombinierte lebendige bewegte Wirkung und lenkte den Blick WHITE) STEPHEN (PHOTO: des Werkes aufzeigen, dass, es eher «cömputiert» als brüsk auff.die Bildebene selbst: Am unteren Bildrand «komponiert» ist, wie I.oock richtig bemerkt.111 Es , hatte Hume ein paar nonchalante grüne Striche hin- 160,5 cm. erstaunt deshalb nicht, dass diesem Bild eine Collage gesetzt, die rfiïfe Wiese artdeuteten. Ich wagte es zu x zugrunde liegt, die in Humes Römer Atelier entstan­ jener Zeit nicht, mir einzugestehen, dass dieser Stil­ den war, und auch nicht, dass Hume regelmässig Pro­ bruch, diese «Geschmacklosigkeit» unbedingt not­ jektionen von Bildern verwendet, die er aus Magazi­ wendig war. Heute ist mir klar, dass es Gary Hume nen oder Filmstreifen ausgeschnitten hat. Denn all nicht um Bilder als Objekte des Geschmacks oder der diese Prozesse münden schliesslich ih, ein einziges Kultur geht, oder mit Godard gesprochen, nicht dar­ Bild, das sehr klar erkennbar ist und doch mehrdeu­ um des images justes, sondern ju if es des images zu schaf-s tig bleibt. Genau darin besteht eine der grossen Stär­ fën - als etwas Unvermeidliches und seltsam Endgül­ vJLfiL ken dieser Malerei. tiges. Die folgende Anekdote verrät einiges über Gary (Aus dem Französischen von Katharina Bürgi) Humes Einstellung zur Malerei. Es ist die Geschichte von Tony Blackburn, einem Radio-Diskjockey, dessen PFEIFER, Lackfarbe aufAluminium, 201 r Ì- / Name Hume als Titel für ein Werk von 1993 verwen­ 1) Der Titel dieses Essays (deutsch: Eindeutig etwas) stammt dete. Blackburn erlangte dadurch eine «gewisse Be­ aus dem musikalischen Werk von Gerwald Rockenschaub und lehnt sich an den Titel des ersten Albums der Gruppe «Oasis» rühmtheit» (um einen Begriff von Gregor Muir1?) zu an: Definitely, May Be. Das Motto (deutsch: Aber was ist denn an verwenden), dass er seine tägliche Sendung dazu der Malerei heute so anders und faszinierend?) nimmt Bezug \ y benützte, um seine Freundin nach der Trennung zur auf das bekannte Bild von Richard Hamilton mit.dem Titel JUST V§ WHAT IS IT THAT MAKES TODAY’S HOME SO DIFFERENT, SO AP­ Rückkehr zu bewegen. Durch diesen «Missbrauch» PEALING (1956). des Mediums, in dessen Dienst er vertraglich stand, 2) Gerhard Richter im «Interview mit Rolf Gunther Dienst indem er - gegeri die eigene Logik des Mediums 1970», in: Hans-Ulrich Obrist (Hrsg.), Gerhard Richter. Text, Insel - eine streng geregelte Sprachform zu rein persön­ Verlag, Frankfurt am Main 1993, S. 38. 3) Gerhard Richter, «Aus einem Brief an Benjamin H. D. Buch- lichen Zwecken verwendete, verstiess der DJ gegen loh 23.5.19.77», ebenda, S. 80. sämtliche Regeln: Er war nicht mehr bloss Entertai­ 4) Gerhard Richter, «Notizen 1986», ebenda, S. 120. ner, sondern eine Art Pirat, der die Gleichförmigkeit 5) Benjamin Buchloh, Gerhard Richter: Ausstellungskatalog, vol. II des gesellschaftlichen Informationsflusses störte. (Essais), Paris 1993. Vgl. auch die Artikel von Gertrud Koch und Luc Lang, in: Gerhard Richter, Ed. Dis Voir, Paris 1993. Ich erinnere mich, wie bei einem Besuch im Ate­ 6) Jn: Parkett 35, Zürich/New York 1993, S. 95. lier des Künstlers, einige Monate vor der Ausstellung 7) Gerhard Richter, «Notizen 1986», a.a.O., S. 12 in der Kunsthalle Bern, ein grosses Bild mit do* 8) Im Interview mit Adrien Dannatt, «The Luxury of Doin Nothing», Flash Art, no. 183, Sommer 1995. minanten Farbtönen in Schwarz und Violett einen 9) Ulrich Loock, «Artifizielle

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