Karl Scheel, Ernst Bruche und die Publikationsorgane Ernst Dreisigacker und Helmut Rechenberg Die Geschichte der Publikationen der Deutschen Physikalischen Karl Scheel: Ein Leben fur die physikalische Literatur Gesellschaft ist so alt wie die Gesellschaft selbst. So wird bereits 1845 mit der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin auch deren Die Geschichte der Publikationen der Physikalischen Gesell- Referateorgan ,,Fortschritte der Physik” gegrundet, 1882 kom- schaft beginnt, bereits mit deren Griindung als Physikalische men die ,,Verhandlungen” rnit Berichten iiber das wissenschaft- Gesellschaft zu Berlin im Jahre 1845. Damals beschlossen die liche Leben der Gesellschaft hinzu, nach dem Ersten Weltkrieg ersten Mitglieder, ab sofort die ,,Fortschritte der Physik” heraus- das neue Referateorgan ,,Physikalische Berichte” und die ,,Zeit- zugeben, eine Reihe von Banden, in denen die wichtigsten schrift fur Physik”. Brillanter Organisator des Publikationswe- Arbeiten und Biicher eines Jahrgangs iiber Themen der Physik, sens, Herausgeber und Redakteur der ersten drei Jahrzehnte aber auch der angrenzenden Gebiete - besonders Chemie, Phy- unseres Jahrhunderts ist Karl Scheel. - In der Zeit nach 1945 siologie und Meteorologie - referiert wurden: Der erste Band kennzeichnen zwei Aspekte die Entwicklung: Angelsachsische fur das Jahr 1845 erschien 1847. Obwohl dieses Publikationsor- Zeitschriften iibernehmen die fuhrende Rolle, und in Deutsch- gan 1893 in (finanzielle) Schwierigkeiten geriet, wie schon land organisieren praktisch nur noch private Verlage das wis- 1891 die ebenfalls von der Physikalischen Gesellschaft heraus- senschaftliche Zeitschriftenwesen. Die DPG beschrankt sich auf gegebenen ,,Verhandlungen” - der alte Verlag von Georg Rei- die Herausgabe der ,,Verhandlungen” (mit gewandelter Aufga- mer hatte den Vertrag gekiindigt -, wurden beide Zeitschriften be), der ,,Physikalischen Berichte” und ab 1977 der ,,Physikali- fortgefiihrt und 1899 in die Deutsche Physikalische Gesellschaft schen Blatter”. Die markanteste Personlichkeit auf dem Zeit- eingebracht. Als Arthur Konig, der Herausgeber der ,,Verhand- schriftensektor der Physik nach dem Krieg ist Ernst Briiche, lungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft” starb, wurde der im Kriegsjahr 1944 im Auftrag der DPG die ,,Physikali- Karl Scheel - seit 1899 Mitglied der Redaktion und ab 1900 schen Blatter” griindet und sie fast dreifiig Jahre lang, ab 1946 alleiniger Redakteur der ,,Fortschritte der Physik” - im Novem- auf eigene Verantwortung und eigenes finanzielles Risiko, wei- ber 1901 sein Nachfolger. terfiihrt und nachhaltig pragt. Der am 10. Marz 1866 in Rostock geborene Scheel studierte Physik in Rostock und Berlin - u. a. bei Hermann v. Helmholtz und August Kundt - und promovierte 1890 bei Johannes Pernet iiber die ,,Ausdehnung des Wassers”. Noch im selben Jahr kam er an die Kaiserliche Normal-Eichungskommission und 1891 in die Physikalisch-Technische Reichsanstalt, wo er 1904 vom ,,Hilfsarbeiter” zum ,,Mitglied” aufstieg. Dort dehnte er sein Arbeitsgebiet, thermometrische Messungen, systematisch aus, untersuchte aber ebenso die Warmeausdehnung fester Korper, die Dichte und den Dampfdruck des Wassers und die Messung kleinster Drucke sowie der spezifischen Warme von Gasen bei tiefen Temperaturen; auch beteiligte er sich federfiihrend am ,,AusschuB fur Einheiten und FormelgroBen”. 1929 ehrte ihn die Technische Hochschule Stuttgart rnit dem Dr. Ing. h.c. ,,Es gibt sicherlich in der ganzen Welt kaum einen Physiker, der seinen Namen nicht vernommen hat, es gibt in Deutschland sicher nur wenige Physiker, die nicht in irgendeiner Beziehung zu ihm gestanden haben, es gibt hier in Berlin sicher keinen Physiker, der ihn nicht personlich gekannt hatte, aber viele haben ihn nicht nur gekannt, sondern sind in gemeinschaftlicher Dr. Ernst Dreisigacker leitet seit 1982 die Redaktion der Physikalischen Blatter. Dr. Helmut Rechenberg arheitet (seit 1975) iiber Physik- Arbeit freundschaftlich rnit ihm verbunden gewesen”, erinnerte geschichte des 20. Jahrhunderts am MPI fur Physik in Miinchen. Walther Grotrian in seiner Trauerrede auf den am 8. November Phys. BI. 51 (1995) Nr. 1 0031-9279/95/0101-F-I35 $ 5.00+.25/0 - 0 VCH, D-69451 Weinheim, 1995 F- 135 1936 in Berlin verstorbenen Kollegen [l]. Scheel, der seit 1890 Seiten im Jahre 1902 auf 1374 Seiten im Jahre 1913 sprunghaft Mitglied der ,,Physikalischen Gesellschaft zu Berlin” war, wirk- an; wahrend des Ersten Weltkrieges ging die Seitenzahl stetig te mit bei deren Umwandlung in die ,,Deutsche Physikalische bis auf 280 Seiten im Jahre 1918 zuruck, aber bereits 1919 Gesellschaft”. Als Redakteur fur Publikationsorgane diente er lagen wieder 804 Seiten vor. In diesen Zahlen spiegelt sich bis bald im ,,Beirat” des Vorstandes; im Ersten Weltkrieg ruckte zu einem gewissen Grad der Zuwachs der Mitglieder der Deut- der Geheime Regierungsrat zum Schrift- und Geschaftsfuhrer schen Physikalischen Gesellschaft wider, deren Zahl von 325 der Gesellschaft auk 1922 wurde er zum Ehrenmitglied ernannt. (davon 162 nicht in Berlin lebende) im Jahre 1900 uber 530 ,,Es gab keine Vorstandssitzung, es gab keine wissenschaftliche (darunter 277 auswartige) im Jahre 1910 bis auf 771 (366 aus- Sitzung ohne Karl Scheel; aber .... es gab auch keine Nachsit- w arti ge) an stieg . zung ohne Karl Scheel. In den Nachsitzungen .... suchte und fand er die lebendige Verbindung mit seinen Fachkollegen, und hier hat er uns oft durch humorvolle und launige Berichte uber 1920 - Jahr der Neuordnung des Zeitschriftenwesens Erlebnisse aus seiner Tatigkeit erfreut,” berichtete Grotrian und fal3te den Grund fur diesen Ruhni in Berlin, Deutschland und Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges anderte sich die Situati- daruber hinaus in die Worte: ,,Karl Scheels Name wird fur alle on entscheidend. Zunachst wurde am 9. Mai 1919 rnit Arnold Zeiten verknupft sein mit der Entwicklung des Schrifttums der Sommerfeld aus Munchen der erste Nicht-Berliner an die Spitze Physik. Seine Tatigkeit als Herausgeber groRer Werke und der Gesellschaft gewahlt - alle ,,Beisitzer” kamen allerdings Schriftleiter angesehener Zeitschriften ist es, die seinen Namen weiter aus der Reichshauptstadt. Sodann traten am 1. Januar in der ganzen Welt bekannt gemacht hat.” I920 neue ,,Satzungen der Deutschen Physikalischen Gesell- Die Fruhzeit dieser literarischen Karriere begann rnit der schaft” in Kraft, die auf Seite 1 den Zweck der Gesellschaft Neuorganisation der ,,Fortschritte der Physik’ vom 15. Januar festlegten: ,,Die Deutsche Physikalische Gesellschaft sol1 der 1902 als ein ,,nach Materien geordnetes Publicationsverzeich- Fordemng der physikalischen Wissenschaften und ihrer Verbrei- nis”, das durch ein ,,Halbmonatliches Literaturverzeichnis” tung dienen.” Diese suchte die Gesellschaft durch Jiterarische erganzt wurde, wobei Karl Scheel fur den Bereich ,,Reine Phy- Tatigkeit” und durch ,,Versammlungstatigkeit” zu erreichen, sik” und Richard Assmann fur die .,Kosmische Physik” verant- wobei zu ersterem Punkt vor allem die Herausgabe der ,,Ver- wortlich wurden. Scheels Teil war in die folgenden Abschnitte handlungen” und der ,,Fortschritte der Physik” genannt wurden. gegliedert: I. Allgemeine Physik, 11. Akustik, III. Physikalische Wichtig war ferner, daR sich die nicht in Berlin oder Umgebung Chemie, 1V. Elektrizitat und Magnetismus, V. Optik des ge- wohnenden Mitglieder lokal in ,,Gauvereinen der Deutschen samten Spektrums. VI. Warme. Die ,,Kosmische Physik”, der Physikalischen Gesellschaft” zusammenschlieRen konnten. Bald Abschnitt VII von Assmann, untergliederte sich in: 1. Astrophy- entstanden solche Gauvereine uberall im Deutschen Reich, in sik, 2. Meteorologie und 3. Geophysik rnit vielen Unterab- Munchen, Gottingen, Stuttgart, Breslau, Hamburg usw., aber schnitten. auch im deutschsprachigen Ausland, namlich in Wien und in Strebte das neue Literaturverzeichnis, das der Verlag ,,den Prag. Mitgliedern der Gesellschaft zum Buchhandler-Nettopreis” Gleichzeitig rnit der Neuordnung der Gesellschaft ging die anbot, eine vollstandige Ubersicht der gesamten einschlagigen Neuordnung des Zeitschriftenwesens der Deutschen Physikali- Fachliteratur in aller Welt an, so enthielten die ,,Verhandlun- schen Gesellschaft einher, die am 5. Dezember 1919 in den gen” in Ubereinstimmung rnit der Redaktionsordnung von 1899: ,,Verhandlungen” verkundet wurde. Aus Kostengrunden beschlol3 die aus A. Einstein, E. Goldstein. F. Haber, E. Jahnke, ,, 1. Kurze Protokolle uber den wissenschaftlichen und K. Scheel und W. Westphal bestehende ,,Zeitschriftenkommissi- geschaftlichen Theil der Sitzungen. 2. Mitteilungen uber on des Vorstandes” im Dezember 1919. die Verhandlungen des Vorstandes und des wissenschaftli- chen Ausschusses der Gesellschaft. 3. Kurze Berichte uber vom 1. Januar 1920 ab in den ,,Verhandlungen”, die den den Verlauf der jahrlichen Versammlung Deutscher Mitgliedern nach wie vor unentgeltlich geliefert werden, Naturforscher und Arzte, soweit physikalische Dinge dort neben geschaftlichen Mitteilungen, Festreden, Nachrufen behandelt worden sind. 4. Autorreferate uber die in den und dergleichen nur noch Mitteilungen uber Vortrage zu Sitzungen gehaltenen Vortrage oder von einem Mitgliede bringen, die von einem Mitgliede in einer Vereinssitzung vorgelegten Mittheilungen, eventuell uber die daran ange- (in Berlin oder in einer Gauvereinssitzung) gehalten und knupften Discussionen.” dem Redakteur vom Vorstande der Gesellschaft oder eines Gauvereins ubersandt werden.. Scheels ,,Verhandlungen”, welche - abgesehen von der beruhm-
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