BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks Sendung vom 21.11.2005, 20.15 Uhr Alfons Schuhbeck Koch im Gespräch mit Andreas Bönte Bönte: Verehrte Zuschauer, herzlich willkommen zum BR-Forum. Heute ist bei uns Alfons Schuhbeck zu Gast, Starkoch, Buchautor, Fernsehmoderator usw. Herr Schuhbeck, was macht denn ein Starkoch an einem Sonntagvormittag wie diesem? Schuhbeck: Da gibt es zwei Möglichkeiten: Eigentlich würde ich gerne richtig ausschlafen, aber meistens arbeite ich. Bönte: Gibt es denn einen Tag in der Woche, an dem Sie richtig ausschlafen können? Oder haben Sie immer eine Siebentagewoche? Schuhbeck: Ja, das kann man schon so sagen? Wenn man selbständig ist, dann kann man sich das nur schlecht anders einteilen. Nein, da wird man immer eingeteilt, ob man das will oder nicht. Und wenn man die anstehende Arbeit nicht macht, dann ballt sie sich eben und man bringt sie einfach nicht mehr so exakt weg. Früher war es bei mir am Sonntag ja noch schlimmer als jetzt. Als ich noch in Waging war, war der Sonntag der Tag, an dem die Leute raus aufs Land gefahren sind und zu mir zum essen gekommen sind. Heute bin ich in München und wir haben am Sonntag geschlossen. Aber am Sonntag mache ich dann eben die Arbeiten, die unter der Woche liegen geblieben sind, weil sie nicht so dringend waren. Bönte: Wie lange dauert denn normalerweise ein Arbeitstag bei Ihnen? Wie viel Schlaf gibt es denn pro Nacht bei Ihnen? Schuhbeck: Das hört sich jetzt ein bisschen komisch an und es bekommt auch jeder Angst, wenn ich das erzähle. Aber ich bin schon so 18 Stunden jeden Tag unterwegs. Wobei ich dann aber keine sechs Stunden Schlaf zusammenbringe. Es sind meistens so vier, fünf Stunden Schlaf pro Nacht. Sechs Stunden wären eigentlich ideal. Aber so langsam steuere ich jetzt darauf zu. Früher war ich immer ganz stolz darauf, dass ich nur drei, vier Stunden geschlafen habe. Heute sage ich mir: "Wie blöd warst du eigentlich früher!" Denn wenn man müde in den Tag geht, dann bringt man einfach nicht die Leistung, die man abrufen könnte, wenn man ausgeschlafen ist. Der Schlaf ist ja das beste Mittel, die beste Medizin überhaupt. Bönte: Richtig. Sie sind 1949 in Traunstein geboren. Ihr Berufsleben haben Sie als Fernmeldetechniker angefangen. Und dann wurden Sie im Laufe der Jahre zum Starkoch. Wie das? Hatten Sie kein Interesse an der Fernmeldetechnik mehr? Oder haben Sie plötzlich entdeckt, dass das Kochen doch Ihr Ding ist? Schuhbeck: Wenn man jung ist, hat man ja oft das Problem, keine richtige Antwort zu finden auf die Frage, was man eigentlich werden möchte. Wenn man in diesem Alter noch nicht reif genug ist, dann wählt man halt einen Beruf, bei dem man sich denkt: "Ach, das scheint ganz interessant zu sein und es gibt da auch ein enormes Spektrum, sodass man richtig Gas geben kann." Ich habe dann aber gemerkt, dass ich kein Talent für die Fernmeldetechnik habe: Ich bin ein technischer Depp! Ich habe das alles auswendig gelernt, habe auch meine Prüfungen gemacht und sie bestanden. Aber nach fünf Tagen hatte ich das alles schon wieder vergessen. Ich merkte also, dass ich da nicht weiterkomme. Deshalb ging ich auf die Hotelfachschule und stellte fest, dass ich mit diesem Metier viel besser zurechtkomme, dass mir das Zusammenarbeiten mit den Menschen dort Spaß macht. Das war einfach ein ganz anderes Betätigungsfeld. Und so musste ich mich eben entscheiden: Gehe ich in diesem Metier ganz in die Küche hinein oder gehe ich ganz aus der Küche heraus? Ich habe mich dann – auch wenn jetzt die Kellner alle beleidigt sein werden - für das aus meiner Sicht Schwierigere entschieden und wurde Koch. Bönte: Was hat Sie denn daran fasziniert? Schuhbeck: Fasziniert hat mich am Anfang gar nichts. Denn man sieht ja zunächst einmal nur die fertigen Teller – und nicht die Arbeit, die dahinter steckt. Wie lange ist das nun her? Fast 40 Jahre! Damals war das Arbeiten in der Küche noch ganz anders. Es war auch die Küchentechnik noch eine ganz andere. Es war laut in der Küche und die Geräte in der Küche waren bei weitem noch nicht so wie heute. Obwohl ich sagen muss, dass man zum Kochen eigentlich gar keine Geräte braucht. Man braucht nur eine richtige Einstellung dazu. Und dann war es eben so, dass ich gleich gemerkt habe, dass so eine Arbeit kein Acht- oder Neunstundenjob ist: Da gibt es dann keinen Samstag und keinen Sonntag mehr, sondern höchstens mal unter der Woche einen freien Tag. Das ist schon eine gewisse Umstellung, für die man mental bereit sein muss: Da muss man sich quasi schon gegen sich selbst durchsetzen. Bei mir hat das aber ganz gut funktioniert. Und man muss eben auch schauen, dass man als Koch rauskommt in die Welt, dass man nicht versumpft im eigenen Land. Man muss also seinen Blickwinkel erweitern als Koch. Zuerst war ich in Bad Reichenhall, dann in Salzburg und anschließend ging ich nach Genf. Von Genf wechselte ich nach Paris, von Paris nach London. Nach meiner Zeit in London war ich in München, wo ich beim Käfer und beim Dallmayr gearbeitet habe, denn damals gab es nämlich noch das Restaurant "Walterspiel". Und anschließend war ich noch ein Jahr beim Herrn Witzigmann. Bönte: Haben Sie bei Ihrer Reise durch die Küchen der Welt auch unterschiedliche Kocharten kennen gelernt? Gibt es so etwas? Dass dort andere Gerichte hergestellt werden, ist klar. Aber geht es dort anders zu als bei uns? Ist der Ablauf dort anders? Schuhbeck: Bei uns waren damals in den deutschen Küchen keine Leute aus anderen Nationen. In Bad Reichenhall gab es höchstens ein paar Italiener. Aber das war es dann auch. Als ich aber nach Paris kam, hatte ich es in der Küche auf einmal mit arabischen Leuten zu tun wie z. B. mit Marokkanern oder Algeriern. Das lässt schon ein ganz anderes geistiges Flair in der Küche entstehen. Da muss man sich selbst auf den Prüfstand stellen und sich sagen: "So, jetzt muss ich mich hier aber anders benehmen! Ich kann hier nicht mit einem Hurra wie daheim an die Zusammenarbeit mit den Leuten gehen." Wenn man sich auf diese Weise angleichen muss, tut einem das schon ganz gut: Man ist jung und hat die Möglichkeit, sich selbst weiterzuentwickeln. Es geht also nicht nur darum, die jeweils andere Sprache zu lernen, sondern auch darum, seine innere Einstellung anzupassen. Man ist alleine in einer riesengroßen Stadt und muss auch schauen, dass man seinen Weg geht und das nötige Geld verdient. Das war ein Lernprozess, der mir sehr, sehr gut getan hat. Bönte: Jede internationale Küche hat ja ihre eigenen Gewürze. Ist damals schon Ihre Liebe zum Gewürz entstanden? Denn die Gewürze sind ja wohl eines Ihrer Spezialthemen. Schuhbeck: Das stimmt, aber ich habe das damals noch nicht so wahrgenommen, wie ich das heute wahrnehme. In Frankreich war es vor 35, 40 Jahren so, dass es damals gerade diese Renaissance der Küche gegeben hat: Die Nouvelle Couisine kam so langsam ins Laufen. Die Parole lautet damals: "Zur richtigen Zeit das richtige Produkt möglichst frisch auf den Tisch bringen!" Ein Teil der damaligen Küche in Frankreich brach dabei quasi ab, weil es hieß, dass die Leute dort alles mehr oder weniger falsch machen würden. Es war jedenfalls auf einmal alles anders. Es hieß z. B., man dürfe nur mehr sieden und nicht mehr kochen. All das musste man natürlich zuerst einmal verarbeiten, wenn man über lange Jahre diese Dinge vollkommen anders gehandhabt hatte. Die Gewürze haben mich also immer schon interessiert, aber damals bin ich noch nicht so intensiv in dieses Thema eingestiegen. Bönte: Man hört ja immer wieder, dass die Ausbildung zum Koch z. T. sehr hart sei. Es heißt, es hätte zumindest früher Köche gegeben, die regelrecht brutal gegenüber ihren Lehrlingen gewesen seien. Haben Sie das auch erlebt, dass Köche einen richtig hart rangenommen haben? Schuhbeck: Ich glaube, das liegt jeweils am Chef selbst. Früher war die Ausbildung ganz sicher sehr hart und auch heute ist sie wohl noch sehr hart. Aber eine faire Härte schadet keinem! Denn dadurch kommt man sehr schnell auf ein Level, bei dem man sich sagt: "Mit dem kann ich umgehen oder mit dem kann ich nicht umgehen!" Und wenn man aber quasi ein Weichei ist, sodass man bereits geistige Lungenentzündung bekommt, wenn man mal ein bisschen "angehustet" wird, dann muss man dieses Metier einfach sein lassen. Denn die Gastronomie ist hart. Andererseits ist sie auch ein gutes Training. Man müsste das eigentlich mit einem Leichtathleten vergleichen: Wenn einer ein Zehnkämpfer werden will, dann hat er sicherlich einige Disziplinen, in denen er sehr stark ist, aber auch ein paar, in denen er wirklich hart trainieren muss. In der Küche ist es genauso. Auch dort gibt es ein breites Feld. Da gibt es meinetwegen den Fischposten, den Fleischposten, den Gemüseposten, den Vorspeisenposten usw. Und dann gibt es noch einen Posten, den jeder Koch hasst wie die Pest: Das ist das Dessert. Denn die wenigsten Köche können Desserts machen. Wenn man zu einem Koch z. B. sagt, er soll Eiskrem machen, dann eiert er garantiert herum wie ein Irrer. Bönte: Warum ist das so schwer? Schuhbeck: Weil die wenigsten Küchen eine Patisserie haben. Die wenigsten Küchen haben für die Ausbildung der Lehrlinge einen Patissier. Aber im Grunde ist es doch so: Der erste und der letzte Eindruck beim Essen ist entscheidend. Für mich ist also die Patisserie ganz enorm wichtig, denn damit verabschiedet man sich auf dem Teller von seinem Gast. Frauen lieben ja das Dessert. Sie lassen oft sogar den Hauptgang ganz weg und essen lieber das Dessert – und selbst dann, wenn das kalorienreiche Schokolade sein sollte. Denn das brauchen sie einfach, dieses Süße.
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