Törnbericht 6 Von Havelberg nach Schwerin Über Elbe und Müritz-Elde-Wasserstraße evangelischen Laurentiuskirche garniert mit Anek- doten und Informationen aus dem Mund von Gäste- Klar: Wer von Havelberg nach Schwerin fahren will, betreuerin Doris Vellmer ist ein Erlebnis. Die Insel- über die Elbe und die Elde-Wasserstraße, muss erst ein- und Domstadt Havelberg wurde 1179 gegründet und mal nach Havelberg kommen. Es gibt zwei Wege: ist 1368 der Hanse beigetreten, trieb Handel mit Entweder vom Wasserkreuz Magdeburg aus die schnell Lübeck, Hamburg und Rostock, erfahren wir von strömende Elbe abwärts bis Havelberg, oder, viel ge- Detlef Tusk, Chef der Tourist-Information am Hafen. ruhsamer: Man folgt dem Lauf der Unteren Havel durch das Naturschutzgebiet Westhavelland. Beide Wir verlassen Havelberg über den Havelberger Schleu- Strecken sind in unserem Film und im Törnbericht senkanal, die Verbindung zur Elbe. An der Schleuse – „Über Havel und Elbe“ beschrieben. Sinnvoller ist in es geht eineinhalb Meter abwärts – muss man sich tele- diesem Fall die Havel-Route, denn eine Fahrt auf der fonisch anmelden, denn sie ist fernbedient. Elbe erlebt man ja sowieso: Von Havelberg bis Dömitz, wo die Müritz-Elde-Wasserstraße in die Elbe mündet. 82 Kilometer Elbe bis Dömitz Für Havelberg sollte man sich ruhig etwas Zeit neh- Als wir auf die Elbe bei Strom-Km 422 eindrehen, packt men. Der hübsche Ort mit der Altstadt auf einer Insel uns die Strömung des großen Flusses mit rund fünf und dem Dom hoch oben auf dem Berg war früher der Stundenkilometer – die Elbe führt Hochwasser. Wir bedeutendste Hafen auf dem Weg von Hamburg nach sparen Diesel und lassen die Maschine unserer „Pia Berlin. Hier lief sehr viel Frachtverkehr. Um 1900 Marie“ nur mit 1000 Umdrehungen laufen, trotzdem waren hier 24 Dampfer und 60 Kähne beheimatet. Ein sind wir schnell genug. 82 Kilometer Elbe liegen vor großer Anker mit einer Tafel oberhalb des Sportboot- uns bis Dömitz, aber wir wollen unterwegs in hafens erinnert daran. Heute gibt es hier nur noch die Wittenberge übernachten und uns die Stadt ansehen. Freizeitschifffahrt. An den Schwimmstegen liegt man prima, das Hafenmeister-Ehepaar Dagmar und Dieter Kloster- mann kümmert sich rührend um die Gäste. Im Hafen festgemacht, machen wir uns auf den traditionellen Rundweg: An der schönen Hafenprome- nade entlang, über die Stein- Von Kreuz zu Kreuz torbrücke, an Flott zieht die Landschaft an uns vorbei. In weiten einer kleinen Schwüngen fließt die Elbe durch eine der schönsten Kapelle vorbei naturbelassenen Flusslandschaften. Die Elbe ist auf auf den Präla- deutschem Gebiet ganz ohne Staustufen. Der Wasser- tenweg, und stand ändert sich, und die Fahrrinne verläuft meistens dann Aufstieg nicht in der Mitte des mäandernden Flusses. Man muss Havelbergs Rathausplatz zum Dom, der schon konzentriert fahren, um immer genug Wasser hoch über der unter dem Kiel zu haben. Aber dafür gibt es an der Stadt das Stadtbild dominiert. Der um 1170 erbaute Elbe ein pfiffiges Hilfsmittel: Man fährt sozusagen von Dom liegt an der Straße der Romanik und der Route Kreuz zu Kreuz: Fährt man elbabwärts, sieht man auf der Backsteingotik. Um fünf Uhr nachmittags lassen dem linken Ufer ein gelbes X, voraus schräg gegenüber Kantor Gottfried Förster oder sein Sohn die große ein gelbes +. Bei diesen Kreuzen muss man den Fluss Orgel erklingen. Dann steigen wir vom Dom-Berg die kreuzen, um in der Fahrrinne zu bleiben. Unsere lange Treppe hinab und schauen uns die Altstadt auf Wassertiefe schwankt von 1,9 bis 3,5 Meter, also alles im der Insel an. Absolut entzückend. Auch ein Besuch der grünen Bereich. 2 Von Havelberg nach Schwerin Wir wundern uns, dass es so wenig Schiffsverkehr gibt. westdeutsche Grenzabfertigungsstelle Schnackenburg Nach einiger Zeit kommt der erste Bergfahrer, ein – heute Grenztouristentreff mit einem nostalgischen tschechischer Schubverband, in Sicht. Wir sehen sein Museum und einem DDR-Schnellboot davor. Zur blaues Funkellicht an Steuerbord und passieren ihn wie Rechten in Brandenburg entdecken wir am Bösen Ort gewünscht an dieser Seite. Der Schiffsführer dankt mit (nomen est omen) bei Strom-Km 477 alte Wachttürme einem freundlichen Gruß. Der Berufsschifffahrt ist der DDR-Grenztruppen als Mahnmale. Wir verlassen grundsätzlich auszuweichen. die Elbe, drehen mit Gegenkurs in die ruhige Bucht bei Schnackenburg ein und machen an einem langen Steg Ab Strom-Kilometer 433 ist das rechte Ufer Branden- fest. Natürlich wollen wir das Museum besuchen. Hier burg, das linke Sachsen-Anhalt. Da die Landesgrenze in erklärt uns ein ehemaliger Major der NVA-Grenztrup- der Mitte der Elbe verläuft, pendeln wir jetzt je nach pen den früheren Grenzverlauf, die Sicherungsanlagen Fahrrinnenlage ständig zwischen den beiden neuen sowie Leben und Ordnung im einst fünf Kilometer Bundesländern hin und her. breiten „Schutzstreifen“ (Sperrgebiet) an der West- grenze der DDR. Eine merkwürdige Situation… Wittenberger Nähmaschinen Bei Elb-Km 501 kommt unser Tagesziel Dömitz in Unsere erste Station ist die Stadt Wittenberge bei Elbe- Sicht. Das rechte Ufer gehört ab hier zu Mecklenburg- Km 455, also schon nach etwa drei Stunden Fahrt. Vorpommern, das linke weiterhin zu Niedersachsen. Wittenberge liegt malerisch in den Elbauen, unmittel- Bei Km 504,35 schwenken wir hart nach Stb in die bar an einer großen Eisenbahnbrücke. Die Stadt, Müritz-Elde-Wasserstraße, die nach 183 km und 17 Eisenbahnknotenpunkt zwischen Hamburg und Berlin, Schleusen zu Berg südlich der Müritz endet. hat einen netten Sportboothafen. Früher war es ein bedeutender Industriestandort, bekannt vor allem Deutsch-deutsche Geschichte durch die riesigen Singerfabriken, die Nähmaschinen in alle Welt lieferten. Vor dem Zweiten Weltkrieg arbei- Die alte Festungsstadt Dömitz wurde im Laufe der teten hier über 3000 Menschen. Überragt wird das Geschichte durch die Schifffahrt auf der Elbe und die Fabrikgelände von dem riesigen Uhrenturm, in dem Lage als Grenzort geprägt. Das älteste und prägendste sich ein kleines Singer-Museum befindet. Die Uhr Bauwerk der Stadt ist die noch heute sehr gut erhal- selbst ist die größte auf dem europäischen Festland, fast tene fünfeckige Festungsanlage, vom Hafen aus zu Fuß so groß wie Big Ben in London. Zu DDR-Zeiten produ- in einer halben zierte hier die größte Nähmaschinenfabrik des soziali- Stunde zu er- stischen Wirtschaftsraums unter dem Namen Veritas. reichen. Es ist Heute heißt das frühere Fabrikgelände Veritas-Park; der einzige voll- zahlreiche kleine Unternehmen haben sich hier nieder- ständig erhal- gelassen. Die teils verfallenen Gebäude von früher wur- tene Festungs- den in den letzten Jahren oft als Locations für Film- bau der produktionen genutzt – für Filme, die im Krieg oder Renaissance in Norddeutsch- der unmittelbaren Nachkriegszeit spielten. So für Filme Festung Dömitz über Axel Springer und Beate Uhse. Die frühere Öl- land. Die Fes- mühle dient jeden Sommer als Kulisse für die überre- tung wurde um 1560 errichtet und war lange Zeit ein gional bekann- starker militärischer Punkt zur Sicherung der mecklen- ten Elbland- burgischen Landesgrenze und zum Schutz des festspiele. Im Elbüberganges. Steintor wurde Wegen der unmittelbaren Grenznähe war Dömitz für das erste Muse- Besucher von 1961–1973 nicht, oder nur mit einem um der Stadt Passierschein, zu erreichen. Die alten Elbbrücken Wittenberge waren am Ende des Zweiten Weltkrieges zerstört wor- eingerichtet, den. Die neue Elbestraßenbrücke wurde im Dezember heute ist es ein Wittenberge – Im Fluss der Zeit 1992 für den Verkehr freigegeben und ist seitdem ein Teil des städti- Symbol für den politischen und wirtschaftlichen schen Museums. Am Elbufer eine witzige Skulptur: Die Neubeginn. Mit den vielen rekonstruierten Häusern Zeitreise. Das Schiff mit Figuren aus der Geschichte und den reizvollen Fachwerkgebäuden im historischen Wittenberges schaukelt im Fluss der Zeit… Altstadtbereich bietet Dömitz dem Besucher heute eine freundliche, einladende Kleinstadtatmosphäre. Hier Bei Strom-Km 473 wird die Elbe geschichtsträchtig. Ab können wir bequem einkaufen, ein Supermarkt findet hier gehört das linke Ufer dem alten Bundesland sich nur ein paar Schritte vom Hafen entfernt. Niedersachsen. Wir befahren nun die ehemalige und umstrittene deutsch-deutsche Grenze. Die DDR bean- Wir liegen bequem im Hafen von Dömitz und tun erst spruchte die gesamte Elbbreite für sich; die Bundes- einmal etwas für den Flüssigkeitshaushalt unserer republik definierte die Mitte des Flusses als Körper im gemütlichen Brauhaus im zum Hotel umge- Demarkationslinie zwischen beiden Teilen Deutsch- bauten Getreidespeicher. Vom Dachgarten des Hotels lands. Der Streit währte 40 Jahre und wurde erst durch hat man eine tolle Aussicht über die Elbe und die die Wiedervereinigung beendet. Zur Linken erscheint Elbauen. Nach dem Krieg wollte die DDR die umfang- jetzt der kleinste Ort Niedersachsens, die ehemalige reichen Getreidetransporte von der Sowjetunion in die Von Havelberg nach Schwerin 3 CSSRˇ über Wismar, Dömitz und die Elbe abwickeln, uns: „Die Wasserschutzpolizei lasert, also fahrt vorsich- und im Dömitzer Hafen entstand eine Getreide- tig.“ Wir verpassen unserem Hand-GPS neue Batterien umschlaganlage. Zur Nutzung kam es aber nicht mehr, und schalten den Modus „Geschwindigkeit in km/h“ weil mit der Grenzsicherung 1961 der Güterumschlag ein. Da bis Schwerin ein Dutzend Schleusen vor uns lie- völlig zusammenbrach. Die Schleuse Dömitz verfiel gen, haben wir keine Zeit zu verlieren. Die erste in Neu und wurde erst nach der Wiedervereinigung wieder Kaliss
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