VORKONZERT ZU DEN HÄNDEL-FESTSPIELEN 2015 Max Emanuel Cencic Countertenor ARMONIA AETERNA George Petrou Dirigent 28.9.14 GROSSES HAUS ROKOKO GALA-KONZERT MAX EMANUEL CENCIC Musik von Johann Adolf Hasse Johann Adolf Hasse Artemisia Sinfonia (1699 – 1783) Allegro assai – A tempo giusto – Presto Notte amica, oblio de mali Il cantico de tre fanciulli Solca il mar e nel periglio Tigrane Siroe re di Persia Sinfonia Vivace e staccato – Un poco lento – Allegro Saper ti basti o cara Il trionfo di Clelia Siam navi all’onde algenti L’Olimpiade – PAUSE – Concerto für Mandoline G-Dur op. 3 Nr.11 Allegro – Largo – Allegro La sorte mia tiranna Siroe re di Persia De folgori di Giove Il trionfo di Clelia Concerto in F-Dur op. 4 Nr. 1 Allegro – Un poco Andante – Menuet Dei di Roma, ah, perdonate Il trionfo di Clelia Vo disperato a morte Tito Vespasiano KOMPONIST DESANCIEN RÉGIME Obgleich Hasse zu Lebzeiten „der Vater lange Verbindung mit Metastasio, jenem der Musik“ genannt und in ganz Europa Pfeiler der Schicklichkeit alten Stils in Lite- als „teurer Sachse” verehrt wurde, wurde ratur und Theater, ist bezeichnend. Charles sein Tod im Jahre 1783 kaum zur Kenntnis Burney schrieb: „Dieser Dichter und dieser genommen. Es dauerte fast 40 Jahre, bis Musikus sind die beiden Hälften, welche für sein Grab in Venedig überhaupt ein gleich Platos Androgyne ehmals ein Gan- Grabstein erworben und von dem Musik- zes ausmachten”. Burney meinte später: liebhaber Franz Sales Kandler aufgestellt „Unter den Dichtern, Tonkünstlern und wurde. Dieser stand als Marinebeamter ihren Anhängern herrscht zu Wien eben- in Venedig im Dienst des österreichischen so viel Kabale als anderwärts. Man kann Hofkriegsrates und hatte auch eine Bio- sagen, dass Metastasio und Hasse an der graphie des Komponisten verfasst, in der Spitze einer der vornehmsten Sekten ste- er ihn, etwas wehmütig, als „eines der hen, und Calzabigi und Gluck an der Spitze wahren Genies im 18. Jahrhundert in der einer andern.“ Hier berichtet Burney von bezaubernden Kunst von Klang und Ge- Hasses anscheinend gänzlicher Opposi- sang“ bezeichnete. Noch vier Jahrzehnte tion gegen die modernisierenden „Refor- später, 1866, schrieb der belgische Musik- mopern“ Glucks wie Orfeo ed Euridice forscher Fétis: „… Nur wenige Künstler (1762) und meint dazu: „Die andre Partei hatten einen derartigen Erfolg oder höhe- hält mehr auf theatralische Wirkung, rich- res Ansehen als Hasse. Wenige sind heute tig gehaltene Charaktere, Einfalt in der so in Vergessenheit geraten.“ Der Grund Diktion und musikalischen Ausführung, als dafür, dass Hasse nach seinem Tod (und auf das, was sie blumenreiche Beschrei- bis in die jüngste Zeit) fast völlig vergessen bung, überflüssige Gleichnisse, spruchrei- wurde, beruht viel leicht gerade auf sei- che und frostige Moral auf der einen, mit nem Erfolg in der Welt des „alten Europas„ langweiligen Ritornellen und gedehnten der anciens régimes vor Napoleon. Hasses Gurgeleien auf der anderen Seite nennen.“ 2 Das ist etwas ungerecht. Wie jeder Kom- Opera des Hasse; weil aber der Papa nicht ponist mit einer so langen Karriere hatte ausgeht, kann ich nicht hinein. Zum Glück Hasse sich der Zeit und dem wechselnden weiß ich schier alle Arien aus wendig, Geschmack seiner Dienstherrn und seines und also kann ich sie zu Hause in meinen Publikums angepasst; andernfalls wäre er Gedanken hören und sehen“ [Brief vom 2. wohl bald in Ungnade gefallen und hätte November 1771 an Mozarts Mutter]. Der seine Arbeit verloren. stets diplomatische Hasse meinte über Mozart: „Wenn seine Entwicklung mit dem Das letzte Wort soll hier der junge Wolf- Alter Schritt hält, wird ein Wunder aus gang Amadeus Mozart haben. Hasse und ihm“ [aus einem Brief an Giovanni Maria er begegneten einander 1771 in Mailand, Ortes vom 30. September 1769]. wo Ruggiero, Hasses letzte Oper und letzte gemeinsame Arbeit mit Metastasio, Obgleich Mozarts Leben viel härter und gleich zeitig mit Ascanio in Alba, einer kürzer war als das seines älteren Kolle- Oper des 15-jährigen Mozart, aufgeführt gen, verfuhr die Geschichte mit Mozarts wurde. Mozarts Vater Leopold verkündete Andenken wesentlich freundlicher. Hasse stolz: „die Serenata des Wolfg: hat die hatte den Nachteil, so sehr als Kind seiner opera von Haße so nieder geschlagen, Zeit zu gelten, dass man lange meinte, er daß ich es nicht beschreiben kann“; doch könne nicht darüber hinaus wirken (Hän- sein Sohn äußerte sich mit mehr Einsicht. dels Opern erlitten lange Zeit das gleiche Sechs Jahre zuvor hieß es bereits in einer Schicksal). Dank der heutzutage unvorein- Widmung an Königin Charlotte vom 18. genommenen Sicht auf die Vergangenheit Januar 1765, die Leopold Mozart für seinen ist nun der beste Zeitpunkt für den Beweis Sohn verfasst hat: „ich werde unsterblich des Gegenteils gekommen. wie Händel und Hasse sein“; und über Ruggiero meinte Mozart: „Heute ist die Nicholas Clapton 3 JOHANN ADOLF HASSE, PADRE DELLA MUSICA Johann Adolf Hasse lebte in der Epoche (ein öffentliches, kommerzielles Theater des streng hierarchisch geprägten Ancien der „Freien und Hansestadt Hamburg“). Régime; dennoch war sein gesellschaftli- Im folgenden Jahr ging er an den Hof des cher Aufstieg bemerkenswert. Nach sei- Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel, ner Jugend in der norddeutschen Provinz an dem seine erste Oper Antioco am wurde er 50 Jahre lang als „il caro Sasso- 11. August 1721 uraufgeführt wurde. Hasse ne“ („der teure Sachse“) oder sogar als „il soll selbst die Titelrolle gesungen haben. divino Sassone“ („der göttliche Sachse“) Bald darauf ging er von Deutschland nach an nahezu allen europäischen Opernhäu- Italien und verbrachte viele Monate in Ve- sern und Höfen gefeiert. nedig, Bologna, Florenz und Rom, bevor er sich im Sommer 1724 in Neapel niederließ. Der in Bergedorf (jetzt ein Stadtteil von Alle diese Städte waren bedeutende Zen- Hamburg) geborene Hasse wurde am tren für die italienische Opera seria, daher 25. März 1699 getauft. Er stammte aus konnte Hasse die Vielfalt dieser äußerst einer Familie bekannter örtlicher Musiker; wichtigen Vokalgattung genauer kennen sein Vater Peter war Organist, seine Mut- lernen. Unbekannt ist, wovon er während ter Christina Klessing war die Tochter ei- dieser Wanderjahre lebte. Es gibt keinen nes ehemaligen Bürgermeisters der Stadt. Beleg dafür, dass er in Italien gesungen Johanns Begabung für Musik zeigte sich hat, also könnte er bezahlten Urlaub von erstmals in seiner Gesangsstimme. Mit 15 seinen Dienstherren in Deutschland be- Jahren ging er zum Studium nach Ham- kommen haben; allerdings ist auch dies burg und erhielt 1718 eine Stelle als Tenor nirgendwo dokumentiert. Bei seiner An- an der berühmten Oper am Gänsemarkt kunft in Neapel hatte er zweifellos reiche 4 Gönner: Einer, Tommaso de Vargas Machu- in Venedig in der Karnevalsaison 1730 ur- ca, Marchese di San Vicente, könnte den aufgeführt) war sein erstes Auftragswerk jungen deutschen Protestanten für den außerhalb von Neapel und seine erste Ver- Übertritt zum römisch-katholischen Glau- tonung eines Librettos, das – zumindest ben gewonnen haben, der am 1. August ursprünglich – von dem berühmten Dichter 1724 vollzogen wurde. Ein weiterer Gönner, und Dramatiker Pietro Trapassi, genannt der königliche Rat Carlo Carmignano, ließ Metastasio, stammte. Hasse wurde spä- Hasses Serenata Antonio e Cleopatra im ter Metastasios bevorzugter Komponist; September 1725 aufführen. Dabei war auch den Ruhm und die Langlebigkeit dieses ein deutscher Landsmann von Hasse zuge- Werkes bezeugen auch dessen zweimalige gen, der Komponist und Flötist Quantz, der Überarbeitung, die (in London) als Pastic- berichtete, dass Johann den bestmögli- cio gezeigt wurde, und die Tatsache, dass chen Lehrer gewählt habe, um die Geheim- es sich in 25 zeitgenössischen Abschriften nisse des italienischen Stiles zu erlernen: (von Teilen oder der gesamten Oper) erhal- den ehrwürdigen Komponisten Alessandro ten hat. Zwei Arien aus dem 2. Akt, „Per Scarlatti. Hasses Ansehen kamen auch questo dolce amplesso“ und „Pallido il sein Librettist Francesco Ricciardi, der sole“, erlangten einen nahezu legendären Impresario des ältesten neapolitanischen Ruf, als Farinelli sie unzählige Male dem Opernhauses, des Teatro Solisten zugute: mehr oder weniger umnachteten Philip V. der berühmte Sopran Kastrat Carlo Bro- von Spanien vorsang – ein Versuch, den schi, genannt Farinelli, und die angesehe- König von seiner mysteriösen Hypochon- ne Altistin Vittoria Tesi. Diese Aufführung dria gravis zu heilen. Dies ist nur ein Bei- trug Hasse wohl den ersten Auf trag von spiel dafür, welchen Einfluss Hasses Name einem neapolitanischen Theater ein; die und seine Kompositionen viele Jahre lang Premiere seiner Oper Il Seso strate fand im europäischen Musik eben aus übten. im Teatro San Barto lomeo am 13. Mai 1726 Offiziell war er von 1730 bis 1763 „Primo statt, dem neunten Geburtstag der jungen maestro di cappella di S[ua] M[aestà] Re Erzherzogin Maria Theresia, Tochter des Augusto di Polonia ed Elettore di Sasso- römisch-deutschen Kaisers Karl VI., der nia“ („Königlich Polnischer und Kurfürst- seit 1714 auch König von Neapel war. Has- lich Sächsischer Kapellmeister“); weitere se war auch so klug, sein Werk dem Vize- Persönlichkeiten von gleichem oder sogar könig, Kardinal Althann, zu widmen. Tradi- größerem Ansehen unter stützten ihn, tionsgemäß wurden am selben Abend ein schrieben für ihn und führten seine Werke komisches Intermezzo oder eine Reihe von auf. Friedrich der Große, König von Preu- Scene buffe, ebenfalls von Hasse, mit dem ßen, kopierte selbst eine verzierte Fassung
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