Thiedemann, Tony Adels und der vornehmen Gesellschaft, besonders aber auch in Künstlerkreisen zu hohem Ansehen brachten. Orte und Länder Aus dem damals dänischen Schleswig-Holstein stam- mend, lag Tony Thiedemanns Wirkungskreis zunächst im südlichen Teil des dänischen Königreichs, später ins- besondere in Berlin. Biografie Tony Thiedemann wurde in Eckernförde als Tochter des an der städtischen Schule tätigen Lehrers Johann Jacob Thiedemann (22.7.1794–24.9.1844) geboren. Dieser hat- te sich als Praktiker und mit einer Schrift über die „wech- selseitige Schuleinrichtung“ einen Namen als Reformpäd- agoge gemacht und wurde deswegen von dem dänischen König Friedrich VI. mit dem Dannebrog-Orden geehrt, womit eine lebenslange Pension verbunden war. Die Mut- ter Christina Elisabeth, geb. Schau (1800–13.10.1866), stammte aus Flensburg. Tonys älterer Bruder Rudolph (1825–1890) ging als Kaufmann nach England und wur- de später selbständiger Unternehmer in Newcastle upon Tyne (Kohlegruben, Dampfschiffe), ihre jüngere Schwes- ter Josephine (1830–unbekannt) heiratete 1853 den Kaufmann Otto Vogel aus Leipzig († 1874), einen Bruder Tony Thiedemann, Zeichnung von Oscar Begas, 1849 des im Tschad ermordeten Astronomen und Afrika¬for- schers Eduard Vogel, des Astro-nomen Hermann Carl Vo- Tony Thiedemann gel und der Sängerin und Schrift-stellerin Elise Polko, Ehename: Tony Franck geb. Vogel. Nach autodidaktischen Versuchen erhielt Tony Thiede- * 11. Februar 1827 in Eckernförde, mann ersten Klavierunterricht vom Organisten des Or- † 25. September 1875 in Berlin, tes, der an der Schule den Singunterricht gab, war die- sem Lehrer jedoch bald entwachsen. Im Winter Pianistin 1837/1838 hielt sich in Eckernförde eine fahrende Schau- piel- und Operntruppe auf, deren Dirigent namens Klein- „Bei all ihrer Unbefangenheit, Liebenswürdigkeit und schmitt bei der Gelegenheit von den Eltern als Lehrer en- geistigen Heiterkeit ist ihr Leben von vornherein doch gagiert wurde. Als die Truppe nach Flensburg zog, wurde wesentlich auf die selbständige künstlerische Thätigkeit, Tony dorthin zu Verwandten geschickt, um den Unter- und zwar auf eine virtuosenmäßige, hin gerichtet …“ richt bei diesem fortzusetzen. Zurück in Eckernförde, be- gegnete sie dem reisenden dänischen Violin- und Gitar- (Franz Kuglers Briefe an Emanuel Geibel, hg. von Rainer renvirtuosen Frederic Carl Lemming (1782-1846), der, Hillenbrand, Frankfurt a. M. u.a. 2001, S. 91) auf der Suche nach einer geeigneten Klavierbegleitung, mit Tony Thiedemann in 14 Tagen ein Programm einstu- Profil dierte. Etwa 1839 wurde sie nach Kiel zum Unterricht bei Tony Thiedemann zählt aufgrund ihrer pianistischen Fä- Schlossbauer (Vorname unbekannt) geschickt, wo sie gu- higkeiten, verbunden mit einer beeindruckenden und ge- te Fortschritte machte. Dort hörte Franz Liszt sie spielen winnenden Persönlichkeit, zu den Musikerinnen, die es und lernte sie persönlich kennen. Über den musikinteres- weniger im öffentlichen Raum als in den Zirkeln des sierten Prinz Wittgenstein, und dessen Ehefrau, einer Klavierspielerin, gewann Tony Thiedemann die Aufmerk- – 1 – Thiedemann, Tony samkeit des holsteinischen Adels und des dänischen Kö- laden. Dieses schlug ihr nach vierwöchigem Aufenthalt nigshauses. 1841 spielte die 14-jährige in Gegenwart des auf Föhr vor, sie mit nach Kopenhagen zu nehmen. Der holsteinischen Adels auf Schloss Plön dem Königspaar baldige Tod Christians VIII., der schleswig-holsteinische vor. Die Königin schenkte ihr daraufhin einen neuen Flü- Krieg und die 1848er Revolution verhinderten dies aller- gel und förderte fortan ihre weitere Ausbildung. Pläne, dings. Stattdessen kehrte sie nach Berlin zurück und stu- sie als Schülerin zu Clara Schumann zu geben, zerschlu- dierte weiter bei Wilhelm Taubert. gen sich „aus gewissen Rücksichten“, stattdessen wurde Im Hause Fanny Hensels lernte sie den Komponisten Hofkapellmeister Wilhelm Taubert in Berlin als Lehrer Eduard Franck (1817-1893) aus Breslau kennen, einen gewonnen. Dorthin brach sie im Oktober 1843 auf, beruf- Schüler und Freund Felix Mendelssohn Bartholdys. Ihm lich ausgewiesen durch Pass des Königlich Dänischen Po- begegnete sie auch bei der Familie des Dr. Koner, dessen lizeiamtes in Eckernförde als „sich nährend durch ihre El- Tochter Louise eine „sehr fertige Klavierspielerin“ war. tern hieselbst und ihre Kunst als Pianistin“. Sie heirateten am 20. Juli 1850 in Berlin. Sie selbst stell- In Berlin lebte die 16-jährige zunächst in einer französi- te zu diesem Zeitpunkt offenbar Überlegun¬gen an, das schen Pension, danach bei Sanitätsrat Schmidt und sch- Klavierspiel einzustellen. Hintergrund war aber weniger ließlich bei der Familie des Hofrats Dr. Klaproth (ab Win- die veränderte familiäre Situation – Eduard Franck war ter 1849). Sie bekam bei Wilhelm Taubert Unterricht gerade der Ansicht, sie dürfe „es nun und nimmermehr und gab ihrerseits Klavierstunden, um ihren Lebensun- aufgeben“ – als vielmehr ihre schwache Gesundheit, die terhalt zu verdienen. Der dänische Gesandte Graf Revent- ihr schon länger das Spielen zur Anstrengung machte, low führte Tony Thiedemann in die Berliner Adelsgesell- vermutlich verursacht durch ein Lungenleiden tuberkulö- schaft ein, deren Liebling sie bald wurde; man nannte sie ser Art. So stellte sie nun ihre musikalischen Ambitionen „die schöne Dänin“. Sie wurde u. a. eingeladen von den zurück, wenngleich auch nach der Heirat, wie ihr Tage- Arnim-Boitzenburgs und der Fürstin Liegnitz. Bei einer buch ausweist, immer noch „viel musiziert“ wurde. solchen Gelegenheit spielte sie der Prinzessin von Preu- Sie folgte Eduard Franck auf seinen beruflichen Wegen ßen (spätere Kaiserin Augusta), ihrem Sohn, dem späte- nach Köln (1851–1859 Lehrer für Klavierspiel, Partitur- ren Kaiser Friedrich, und dessen Erzieher Ernst Curtius spiel und Musiktheorie an der Rheinischen Musikschu- vor. le), Bern (1859–1867 Leiter der Musikschule) und zu- Zunächst pflegte Tony Thiedemann Kontakt zu dem His- rück nach Berlin (ab 1867 Lehrer am Sternschen Konser- toriker und Schriftsteller Franz Kugler, dessen Haus Sam- vatorium, anschließend an Emil Breslaurs Konservatori- melpunkt einer großen Schar junger Wissenschaftler, um). In seine Aktivitäten war sie als Beraterin und Beglei- Dichter und Künstler war. Später gehörte sie zum engs- terin stets eingebunden. So nahm sie offenbar an den Zu- ten Freundeskreis von Fanny Hensel und ihrer Schwes- sammenkünften zwischen Eduard Franck, Ferdinand Hil- ter Rebecka Dirichlet. Erstere spielte und sang häufig ler und Carl Reinecke teil, die in Köln stattfanden, „um mit Tony Thiedemann zusammen. 1846/1847 feierte Musik zu machen oder vielmehr Einer an der vom Ande- man gemeinsam Weihnachten und Silvester, wobei Tony ren gemachten Musik kein gutes Haar zu lassen“, sowie laut Tagebucheintrag Fanny Hensels als Engel verkleidet an einem Besuch Eduard Francks bei Robert Schumann unter dem Weihnachtsbaum auftrat. Ein Gedicht und ei- in Düsseldorf, wo dieser eine seiner neuen Kompo-sitio- ne Zeichnung Wilhelm Hensels zeugen davon. Auch in nen aufführte (Brief Eduard Francks vom 18.7.1851). den Sonntagsmusiken von Fanny Hensel trat sie einige Gleiches gilt für den Besuch Franz Liszts in Königswinter Male auf. Öffentliche Auftritte in größerem Rahmen dürf- und in Bonn, wo sie „einen recht hübschen Abend in sei- ten hingegen seltener stattgefunden haben; dokumen- ner, der Gräfin Wittgenstein und einiger Bonner Herren tiert ist eine von ihr am 3. Mai 1847 im Cäciliensaal der Gesellschaft“ zubrachten (Brief Eduard Francks vom Berliner Singakademie veranstaltete Matinee, an welcher 9.10.1851). Auch in die Verhandlungen um Eduard die Brüder Leopold und Moritz Ganz sowie Richard Francks Stellung an der Rheinischen Musikschule in Wüerst als Streicher, ihr Lehrer Wilhelm Taubert sowie Köln wurde Tony Fanck eingeschaltet (Sietz, Band 7, ihre spätere Schwägerin Elise Vogel (geb. Polko) und die 1970, S. 90; vgl. auch Brief Tony Francks vom 22.3.1859 Sängerin Auguste Löwe mitwirkten (vgl. Signale für die an Fr. Klaproth). musikalische Welt 1847, S. 179). In Köln brachte Tony Franck am 3. Januar 1858 den Im Sommer 1847 wurde Tony Thiedemann zusammen Sohn Richard zur Welt, der als Schüler von Carl Reine- mit ihrer Mutter erneut vom dänischen Königspaar einge- cke die musikalische Tradition der Familie als Kompo- – 2 – Thiedemann, Tony nist und Pianist fortführte. In Bern wurden die Töchter te habe sie etwas ungemein Imponierendes (Brief vom Elsa (6.8.1860) und Ida (27.4.1862) geboren. 19.5.1850). Auch Otto Ribbeck sah in ihr eine „höchst fei- Sie selbst starb im Alter von 48 Jahren in Berlin. ne, zugleich gewinnende und imponierende Persönlich- keit“ (Brief vom 23.5.1859). Entsprechend war ihre Wir- Würdigung kung auf Männer wie Franz Kugler, Paul Heyse, Jacob Wurde Tony Thiedemann in jungen Jahren als exzellente Burckhardt, Willibald Alexis, Friedrich von Bodenstedt, Pianistin angesehen, brachten ihr in romantischer Ver- Robert von Keudell, August Detlef Twesten, Wilhelm klärung Zeitgenossen wie Emanuel Geibel, Paul Heyse Wattenbach und wohl auch Ernst Curtius und Alexander und Friedrich von Bodenstedt Verehrung entgegen. von Humboldt. Vor allem aber zog sie Emanuel Geibel in Durch ihr Spiel gewann sie die Gunst des dänischen Kö- ihren Bann, der sie in seinen Troubadour-Liedern vere- nigspaares. Als Freundin von Fanny Hensel und Rebecka wigte (vgl. Geibel, Werke, Band 1, Leipzig 1918, S. 341) Dirichlet fand sie Eingang in die Berliner Adelsgesell- und sie folgendermaßen charakterisierte: Ein eigentümli- schaft und Künstlerkreise, stellte
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