Faust & Gerhart Hauptmann, Western & Revolution, Time's Up Als die Ufa 1926 den Großfilm FAUST herstellte, steckte der von der deutschen 2 Rückblick Militärführung 1917 gegründete Konzern bereits in ernsthaften wirtschaftli- 3 Mittel Punkt Europa chen Schwierigkeiten. Viele der Mitwirkenden wie Produzent Erich Pommer, Regisseur F.W. Murnau, Darsteller Emil Jannings und Komponist Ernö Rapée 8 Deutsche Filme 2017 waren vor der offiziellen Premiere des Films schon längst in oder auf dem Weg nach Amerika. In der Premierenkopie fehlten die von der Ufa in Auftrag gege- 13 Faust im Film benen Zwischentitel von Gerhart Hauptmann. Drehbuchautor Hans Kyser hatte eine polemische öffentliche Debatte in Gang gesetzt, dass eine Überarbeitung 22 Film und Psychoanalyse der in der Arbeitskopie verwandten Zwischentitel den »literarischen Charakter« des Films erhöhe. Die Direktoren der Ufa erschraken und fürchteten um den 24 Western & Revolution Erfolg des Prestigeprojekts. Sie baten Hauptmann vergeblich, seine Titel zu vereinfachen, da »die Mentalität des Kinopublikums (...) diejenige eines acht- 34 Cary Grant jährigen Kindes« sei. Schließlich einigte man sich darauf, die Titel der Arbeits- kopie mit einigen Modifikationen im Film zu belassen und Hauptmanns Titel 43 Architekturfilmtage nur im Programmheft zur Premiere abzudrucken. Zur Eröffnung der Filmreihe »Faust im Film«, die die Ausstellung »Du bist Faust« in der Kunsthalle der 47 Helga Reidemeister Hypo-Kulturstiftung begleitet, können Sie nun erstmals eine Neurekonstruktion des Films mit den von Gerhart Hauptmann verfassten Titeln erleben. Ebenso 48 MissRepresentation als Premiere wird Werner Fritsch seinen FAUST SONNENGESANG III vorstellen. Ab Mitte der 1960er Jahre blühte mit den Italo-Western ein neues Genre 52 Argentinien des Trivialfilms auf, das die offizielle Filmkritik kaum zur Kenntnis nahm. Doch 55 Jerzy Skolimowski die Filme waren beim studentischen Publikum beliebt, und schon bald nutz- ten politische Filmemacher den Italo-Western für Geschichten über Gewalt 65 »Ehem. jüdischer Besitz« und Revolution. Nur: Die Filme waren in Deutschland nur in gekürzten oder dümmlich synchronisierten Fassungen zu sehen, oft unter absurden Titeln, die 67 Zuschauerkino die Verleiher frei erfunden hatten. Dank engagierter DVD-Label und digitaler Bearbeitungen liegen heute ein Großteil der wesentlichen Titel in restaurier- 68 Krimiautorinnen ten, ungekürzten und untertitelten Originalfassungen vor. Ergänzt um einige Hauptwerke von Jean-Luc Godard sowie um Dokumentar- und Spielfilme, die 74 Edition Filmmuseum auf den Mai 1968 zurückblicken, entstand ebenfalls eine Filmreihe über die vielfältigen Beziehungen von Politik und Kino. 75 Kalenderübersicht Seit den 1970er Jahren, als zunehmend Frauen als Filmemacherinnen in Erscheinung traten, gibt es Filme, die das Verhältnis der Geschlechter, männ- liche Machtpositionen und sexuelle Übergriffe thematisieren. Die Reihe mit dem Titel »MissRepresentation«, der einem amerikanischen Dokumentarfilm entnommen wurde, zeigt originelle, kämpferische, spielerische und zu Unrecht übersehene Filme, die in Zeiten von »Time's Up« eine Neubewertung erfah- ren sollten. Selbstverständlich finden sich auch in anderen Reihen wichtige Beiträge von Frauen. Die Entwicklungen im jüngsten argentinischen Kino wird gar ausschließlich anhand von sieben Regiedebüts junger Filmemacherinnen präsentiert. In den Screwball-Komödien der Cary-Grant-Filmreihe begegnen R = Regie · B = Drehbuch · K = Ka- uns Mae West und Katharine Hepburn, die sich mit Witz und Intelligenz über mera · M = Musik · S = Schnitt · T = Ton · D = Darsteller · P = Produktion gesellschaftliche Normen hinwegsetzen. Und das Juli-Programm konzentriert OF = Originalfassung · OmU = Ori- sich auf Verfilmungen von Werken dreier prominenter Krimiautorinnen. ginalfassung mit Untertiteln · OmeU Wir wünschen Ihnen spannende, vergnügliche, aufschlussreiche und = Originalfassung mit englischen Untertiteln · OmfU = Originalfassung nachdenkliche Kinoerlebnisse mit Filmen für ein anspruchsvolles und Unge- mit französischen Untertiteln · OmÜ = wöhnlichem gegenüber aufgeschlossenem Publikum. Originalfassung mit deutscher Über- setzung · dtF = deutsche Synchron- fassung · \ = Live-Musik begleitung Ihr Filmmuseum 2 = Einführung · = Zu Gast Rückblick Mittel Punkt Europa Filmfest Mittel Punkt Europa 3 7. September 2017: Rainer Gansera unterhält sich mit Thilo Wydra 15. September 2017: Die in Amerika lebende chinesische Filmemache- über dessen neu erschienene Bestsellerbiografie »Ingrid Bergman. Ein rin Chloé Zhao erhält den Werner-Herzog-Filmpreis für ihren Film THE Leben« vor der Präsentation von Alfred Hitchcocks NOTORIOUS (1946). RIDER, der im Filmmuseum in Deutscher Erstaufführung zu sehen ist. PIATA LOĎ – DAS FÜNFTE SCHIFF PIATA Wie kaum ein anderer Titel des Filmfests »bedient« der fen keine wirklichen Brüche in jener Branche, die mit in Bratislava angesiedelte PIATA LOĎ (DAS FÜNFTE dem Bewegtbild nahezu täglich auch das ungleiche SCHIFF) das Klischee von einer Welt der Tristesse und Paar Erkenntnis und Illusion gebiert. Wichtige Studios Ausweglosigkeit, das gemeinhin jener geopolitischen und Firmen bestanden fort, neue wuchsen heran. Und Region mit der geläufigen Titulierung »Osteuropa« nicht viel anders war es mit den Regisseuren, die alte zugesprochen wird. Und wenn am Ende im Film das Traditionen bewahrten und neue Erzählweisen etablier- »fünfte Schiff« gleichsam im Nebulösen einer vermeint- ten, wie vordem aufrichtig, originell und vielfältig … lich besseren Zukunft entgegenschwebt, so mag auch In der Tschechischen Republik erblicken einheimi- ein wenig all der Utopien gedacht sein, die einst jene sche Titel seit Jahrzehnten das Licht der Welt, auch 21. September 2017: Diskussion über den Warschauer Aufstand mit 27. Oktober 2017: Die ägyptische Filmemacherin und Filmhistorikerin Räume bewohnten, welche heute von stillgelegten Fa- dank eines wirkungsvollen Fördersystems, und erringen Marcin Król, Karol Mazur (Museum Warschauer Aufstand), Andreas Mix Viola Shafik und der libanesische Filmemacher Mohamed Soueid stel- (Memorium Nürnberger Prozesse) und Martin Schulze Wessel (LMU). len im Filmmuseum die Anfänge des arabischen Dokumentarfilms vor. brikanlagen, maroden Badeanstalten und gescheiterten zudem höchste Auszeichnungen sowie Plätze in den Existenzen ausgefüllt werden. Box-Office-Listen. Ein jüngstes Beispiel – das hochka- Zu den uneingelösten Utopien gehören gewiss nicht rätig besetzte Historiendrama MASARYK, ein stilistisch die prosperierenden Filmindustrien der Tschechischen durchaus konventioneller, aber höchst erregender Aus- Republik, Polens, Ungarns und der Slowakei. Diese flug zum Beginn der »Neuordnung« Europas kurz vor Länder mit ihren Kinematografien sorgten schon für dem Zweiten Weltkrieg. Wieder anderen Kalibers sind internationales Aufsehen, als sie noch eingebunden die medialen Provokationen eines Vít Klusák: in Doku- waren in erstarrte Systeme und Strukturen. Mit Ehr- mentarfilme gewickelte »Späße« mit der wirkungsvollen lichkeit, Originalität und stilistischer wie thematischer Eigenschaft, sich beim Auspacken in Tretminen zu ver- Vielfalt suchten sie Versteinerungen zu durchbrechen; wandeln. So geschehen bereits vor über zehn Jahren und wenn »Filmkunst« nicht nur eine Floskel war, dann mit ČESKÝ SEN (TSCHECHISCHER TRAUM), in dem der galt dies auch und gerade für diese Staaten. Stärker Regisseur unter dem Motto »Werbung ist alles« unter vielleicht als in Deutschland haben deren Filme sich die laufender Kamera massenweise potentielle Kunden wie Gunst des einheimischen Publikums errungen und bis Tanzbären am Ring zu einem gefaketen Supermarkt heute bewahrt, dabei nationale Würde und Identität in am Rande von Prag führte. Klusáks skurril anmutende Einklang, aber auch in Reibung gebracht mit europäi- Langzeitbeobachtung SVĚT PODLE DALIBORKA (THE 9. November 2017: Brigitte Drodtloff zeichnet vor der Vorführung von 14. Dezember 2017: Der Münchner Filmemacher Robert Sigl signiert ANIVERSAREA (DER GEBURTSTAG) den Filmemacher Dan Chişu mit ein Filmplakat vor der Premiere der digital restaurierten Fassung seines schen Werten und globalen Zwängen. Die politischen WHITE WORLD ACCORDING TO DALIBOREK) setzt den dem Preis des Rumänischen Filmfestivals im Filmmuseum aus. stimmungsvollen Horrorfilms LAURIN (1989) im Filmmuseum. Umbrüche vor mehr als einem Vierteljahrhundert schu- grotesken »Freiheitsritter« Daliborek in Szene, der in der mährischen Einöde gegen Juden und »Zigeuner«, nigfach begünstigte und, das wird zum Ende deutlich, Katowice im September 1972. »Kommunismus ist rot gegen Flüchtlinge und anderes »Pack« hetzt. Die Zu- bis heute ihren Fortbestand haben. Wie dieser Film wie Blut« hinterlässt der Serienmörder als Nachricht schauer sind zwischen ungläubigem Lachen und Ent- sind viele der in der Slowakei entstandenen Filme Ko- an seinem elften Opfer, der Nichte des örtlichen Ersten setzten hin- und hergerissen. produktionen, vor allem mit tschechischen Partnern. Parteisekretärs. Und er kündigt weitere Morde an, Das minutiöse, über mehrere Jahre gezeichnete Fördermittel vergibt das slowakische Kulturministeri- einen für jedes Jahr, in dem die Sozialistische Partei Porträt eines berühmten polnischen Malers OSTAT- um über einen »Fonds zur Unterstützung audiovisuel- besteht. Höchste Zeit für den Staatsanwalt, den ehr- NIA RODZINA (DIE LETZTE FAMILIE) sowie der Thriller ler Produktionen«. Von diesem Fonds wurde auch die geizigen Leutnant Janusz Jasiński mit der Leitung der JESTEM MORDERCĄ (ICH BIN EIN MÖRDER) über
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