Seite 30 Die Ossumer Matronensteine von Theo Haefs und Franz-Josef Jürgens Vorwort das bedeutende römische Kastell Gelduba sowie einige römische Villen (villae rusticae). Anlässlich der 800-Jahrfeier Ossums (erste ur- kundliche Erwähnung von „Osnam“ 1186) stell- Der damalige Besitzer des Hauses Gripswald und te der Heimatkreis Lank e.V. einen Abguss eines der zum Gut gehörenden Ländereien, der Uerdin- ganz in der Nähe gefundenen Matronensteins ger Bankier Jacob Herberz, schenkte die Funde vor der Ossumer Kapelle St. Pankratius auf. Das dem „Museum Rheinisch-Westfälischer Alterthü- Original befindet sich im Rheinischen Landesmu- mer“ in Bonn, dem heutigen Rheinischen Landes- seum Bonn. museum. Dort können die damaligen Funde noch heute besichtigt werden. Matronen sind, dies besagen Inschriften, Frauen, die als Göttinnen verehrt wurden. Im zweiten Ein weiterer Matronenstein ist in Gellep-Stratum und dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung am Ende der Straße „Am Castell“ zu entdecken. In stellten römische Legionäre und Einheimische einem kleinen, nicht leicht zu findenden Park, der im Rheinland, in der Eifel und im Dürener Land als Aussichtspunkt auf das industriell geprägte zahlreiche Weihesteine auf, die sie unter dem Be- Hafengebiet schon für sich interessant ist, steht griff »matronae« zusammenfassten. Die Matrone dieser Weihestein aus der Römerzeit. war bei ihnen die verehrungswürdige Ehe- und Hausfrau: „Schon im Wort matrona schwingt ... Es handelt sich um den Abguss eines Weihe- eine besondere Hochachtung mit.” Die Soldaten steins, der beim Ausbaggern des Hafenbeckens erkannten mit der Verehrung der Matronen nicht gefunden wurde. Geweiht ist der Stein den ein- nur die wirkungsvolle Schutz- und Segenskraft heimischen Matronen, einer germanischen Göt- dieser wohl ursprünglich keltischen Göttinnen im terdreiheit, die besonders von den Ubiern (den fremden Land an, sondern huldigten gleichzeitig einheimischen Bewohnern der Kölner Civitas) der Göttlichkeit in jeder Frau. verehrt wurden. Obwohl der Weihestein in seiner Art ganz römischen Vorbildern folgt, wurde er für Sechs solcher Matronen- oder Votivsteine wur- einheimische Göttinnen gesetzt, möglicherwei- den ganz in der Nähe von Haus Gripswald in Os- se, um die Stifter vor Ort vor Unglück zu schüt- sum bei Rodungsarbeiten von Waldarbeitern im zen. Der Beiname »Octocanni« verweist auf das Februar 1863 gefunden. Archäologen vermuten, vier Kilometer entfernte Matronenheiligtum bei dass sich an der Fundstelle ein römisches Hei- Gripswald in Ossum. Möglicherweise gelangte ligtum aus der Zeit von Ende des 2. bis Anfang der Stein später von Ossum wieder nach Gellep des 3. Jahrhunderts befunden hat. Dafür spricht oder er hat Gellep nicht verlassen. Mörtelspuren auch, dass in 3,14 m Tiefe (10 preußische Fuß) auf der Oberfläche scheinen anzudeuten, dass er Reste einer Tuff- und Sandsteinmauer freigelegt zuletzt in der spätrömischen Festung als Bauma- wurden. Bis heute sind an dieser Stelle leider terial eingemauert war. Der Weihestein wurde keine archäologischen Grabungen mehr erfolgt. von sieben Legionären gestiftet, vermutlich von Der Ansicht, dass die freigelegte Mauer einem einer Stubenbelegschaft. Alle führten den glei- römischen Tempel angehört habe, widerspricht chen Beinamen »Albinius«, sodass es sich mög- Paul Clemmen im Jahre 1896 in seinem Werk licherweise um Personen gehandelt hat, die alle „Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz (3. Band)“. vom gleichen Grundherrn für den Militärdienst Weiter berichtet er, dass nach mündlichen Mit- freigestellt wurden. teilungen weitere gefundene Votivsteine beim Bau einer kleinen Brücke vor Haus Gripswald ein- Bereits am 9. Dezember 1863 erläuterte Franz gemauert wurden. Belege dafür, dass diese Mit- Fiedler im Rahmen des Festprogramms zu „Win- teilung zutrifft, konnten wir nicht finden. ckelmanns Geburtstage“ 1) unter dem Titel „Die Gripswalder Matronen- und Mercuriussteine“ In der näheren Umgebung verliefen römische Mi- den Fund bei Grispwald in Ossum und erklärte litärstraßen und wenige Kilometer entfernt lag den Matronenkult. Seite 31 Der Verein von Alterthumsfreunden im Rheinlan- des Vereins von Alterthumsfreunden im Rhein- de gab die mit Bildern illustrierten Ausführungen lande den Manen des hochgefeierten Winckel- Fiedlers dann auf eigene Kosten als Buch heraus. mann darbringen, mit dem gewiss einstimmigen Wunsch aller Vereinsgenossen, dass durch die Der Ossumer Fund fand unter Archäologen welt- von Herrn Jacob Herberz beabsichtigten wei- weit Beachtung. So nahm die „Barbard College teren Ausrodungen an dem oben bezeichneten Library“ Fiedlers Werk bereits am 21. September Abhange bei Gripswald neue Denkmäler, welche 1888 in seine Bibliothek auf, wo es heute digita- mehr Licht über das Dunkel des Fundortes und lisiert abrufbar ist. der bei Gelduba im Ubierlande verehrten Gott- heiten verbreiten, als sichere Zeugen einer längst Der Heimatkreis Lank e.V. und die Verfasser dieses untergegangenen celtisch-römischen Ansiedlung Textes schließen sich ausdrücklich der damaligen und ihrer Heiligthümer zu Tage gefördert werden Forderung des Vereins von Alterthumsfreunden möge.“ im Rheinlande an: „Wir schließen diese epigraphischen Mitteilun- Der Text der Festschrift ist nachfolgend abge- gen, welche wir als kleine Festgabe im Namen druckt: DIE GRIPSWALDER MATRONEN- UND MERCURIUSSTEINE ERLÄUTERT VON FRANZ FIEDLER Fest-Programm zu Winkelmanns Geburtstage 1) am 9. December 1863. Herausgegeben vom Vorstande des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande. Hierzu eine Tafel Bonn 1863 Gedruckt auf Kosten des Vereins Bonn bei A. Marcus Wie in den vergangenen Jahren im unteren west- Veröffentlichung des in vieler Beziehung wichti- rheinischen Uferlande ein glücklicher Zufall schon gen Fundes den unsterblichen Manen Winckel- manches beachtungswerthe Denkmal der römi- mann‘s, dessen Geburtstag der Verein alljährlich schen Vorzeit ans Tageslicht gebracht hat, so ist in ehrenvoller Weise feiert, eine sein Andenken auch im Anfange dieses Jahres unser Verein durch erneuende Festgabe darzubringen. Indem ich so- einen zufälligen Fund celtisch-römischer Votiv- mit für dieses Mal an die Stelle eines uns allen steine, die dem Matronen- und Mercuriuscultus unvergesslichen Mannes trete, der bis an das gewidmet sind, erfreut und das Königl. rheinische Ende seines irdischen Wirkens die Seele unseres Museum vaterländischer Alterthümer zu Bonn Vereins und eine Leuchte auf den dunkeln Wegen mit diesen Denkmälern beschenkt worden 2). Auf antiquarischer Forschungen war, vollziehe ich das Veranlassung des Vereinsvorstandes habe ich es mir übertragene Geschäft nicht ohne Erwägung übernommen, diese mit Inschriften und Bildwerk der damit verbundenen Schwierigkeiten und in versehenen Votivsteine zum Gegenstande einer schmerzlicher Erinnerung an den eben so gelehr- näheren Besprechung zu machen und mit dieser ten wie thätigen und menschenfreundlichen Ver- Seite 32 fasser der meisten jährlichen Festprogramme des gelegenen Dorfe Ubheim, jetzt Oppum, erhalten Vereins, welche ihm allein schon ein bleibendes habe, ist nicht unwahrscheinlich, so wie auch der Andenken bei allen Alterthumsfreunden sichern. Namensstamm der Ubier in Gelduba wohl nicht zu verkennen ist. Das Stammwort Geld- finden An dem Rande einer Niederung, die sich von dem wir in den Namen des dem Rheinufer bei Gelb Dorfe Heerdt am linken Rheinufer bis in die Ge- gegenüber liegenden ripuarischen Untergaues gend von Mörs erstreckt und ohne Zweifel in ur- Keldaggowe oder pagus Keldocensis, wie er in alten Zeiten das Flussbett des Rheins oder eines Urkunden vom J. 904 und 910 heisst. Sein Name Rheinarmes war, jetzt aber mit Weiden, Gehölz hat sich noch in dem jetzigen Kalchum, das ur- und Ackerland bedeckt ist, liegt das zur Gemein- sprünglich Keldacheim geheissen hat, erhalten 4). de Ossum gehörende Rittergut Gripswald, ein und eine halbe Stunde südlich von Uerdingen, Zu den bisher bekannt gewordenen Funden römi- nahe bei dem Communalwege, der von der Os- scher Altertümer in der nächsten Umgebung von sumer Pancratius-Kapelle nach dem gräflichen Gelduba und in dem heutigen Dorfe Gelb selbst, Schlosse Pesch führt, ungefähr in der Mitte zwi- so wie in dem weiteren Umkreise bei Crefeld und schen der von Crefeld nach Neuss führenden Linn, bei dem Gute Schönwasser, auf mehreren Eisenbahn und der westrheinischen Heerstra- nordwestlich von Oppum gelegenen Feldern und ße. Eine Stunde von Gripswald entfernt liegt in in der Niederung zwischen Linn und Gelduba, wo- nordöstlicher Richtung auf einer weit sichtba- rüber unser thätiges Vereinsmitglied Hr. Direktor ren höheren Bodenfläche das dem Rheinstrome Dr. Rein ausführlich berichtet hat, füge ich noch nahe Dorf Gellep oder Gelb, das seinen Ursprung die im April des J. 1861 gemachte Auffindung und Namen dem römischen Castell oder stehen- von zwei römischen Steinsärgen bei dem Dorfe den Lager Gelduba verdankt. Das Itinerarium Latum hinzu, das an der Chaussée südlich von Antonini allein giebt bei der Route von Strass- Uerdingen eine Stunde und von Gelb eine halbe burg (Argentorato) nach Xanten (Veteris, wie es Stunde entfernt liegt. Die im Hofe des Grund- im Texte statt der gewöhnlichen Form Veteribus besitzers Herrn Herken zu Latum noch stehen- heisst) Gelduba‘s Entfernung von Neuss (Nove- den Särge sind ohne Inschrift, aus Trachyt oder sio) richtig an, nämlich VII gallische Leugen, wie Tuffstein verfertigt und mit Steindeckeln in Form die richtige, mit der heutigen Entfernung beider eines flach liegenden Daches versehen; der De- Stationen übereinstimmende Lesart sein muss, ckel des
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