
SWR2 MANUSKRIPT SWR2 Musikstunde Edvard Grieg - „Nicht nur Peer Gynt“ (5) Mit Ulla Zierau Sendung: 11. August 2017 Redaktion: Dr. Ulla Zierau Produktion: SWR 2017 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Musikstunde können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2- Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de SWR2 Musikstunde mit Ulla Zierau 07. August – 11. August 2017 Edvard Grieg - „Nicht nur Peer Gynt“ (5) 16‘11 Signet Mit Ulla Zierau und mit Edvard Grieg, den wir heute auf seinen letzten Reisen nach Leipzig, London, Paris und wieder zurück in seine Heimat im Südwesten Norwegens begleiten. 0‘10 Titelmusik Nach zweieinhalb Jahren Zurückgezogenheit in Norwegen sehnt sich Edvard Grieg wieder nach den europäischen Musikmetropolen und er schreibt an seinen Freund Frants Beyer: „Ich stehe in Verhandlung über drei Konzerte in Wien … es juckt mir in den Fingern, den Dirigentenstab zu greifen. Mit Amsterdam und Berlin bin ich auch in Verbindung … Ich habe Sehnsucht nach Leipzig, nach Kunst und Künstlern, mehr als ich sagen kann.“ 0‘25 Musik 1 Edvard Grieg: Norwegischer Bauernmarsch aus der lyrischen Suite Sinfonieorchester Göteborg / Leitung: Neeme Järvi M0049075 016 Deutsche Grammophon 471302-2 2’11 Norwegischer Bauernmarsch aus der lyrischen Suite von Edvard Grieg. Neeme Järvi leitete das Sinfonieorchester Göteborg. „Durch meine Reisen wurde ich zum Europäer, zum Kosmopoliten“ behauptet Grieg und widersetzt sich damit dem hartnäckigen Image des norwegischen National- Komponisten. Ganz entschieden verurteilt er Nationalstolz, nämlich dann, wenn er in Chauvinismus und Dummheit umschlage. Er betont: „Als moderner Künstler habe ich das Universelle zum Ziel, oder besser das Individuelle“. 2 Anfang des Jahres 1888 fährt er nach Leipzig. Dort begegnet er im Hause des Geigers Adolf Brodsky Peter Tschaikowsky und Johannes Brahms. Ein denkwürdiges Treffen und für Klaus Mann später eine Szene in seinem Roman „Symphonie pathetique“ wert. Das Verhältnis Griegs zu Brahms ist anfangs etwas kühl, erst einige Jahre später, in Leipzig und dann in Wien, kurz vor Brahms Tod nähern sich die beiden aneinander an. Grieg ist sich der unterschiedlichen künstlerischen Gesinnung bewusst und wundert sich, dass Brahms überhaupt Sympathie für seine Kunst empfinde. Beyer teilt er mit: „Wortkarg wie er ist, zeigte er mir doch, dass es so ist.“ Die musikalische Seelenverwandtschaft zu Tschaikowsky ist spontaner und herzlicher. Beide empfinden Zuneigung und Bewunderung füreinander. Tschaikowsky notiert seinen ersten Eindruck von seinem Kollegen, der samt Haarpracht knapp 1,60 m misst und kaum 48 Kilo wiegt: „Während der Probe des neuen Trios von Brahms trat ein Herr von sehr kleinem Wuchs – von schwächlichem Aussehen, mit Schultern von ungleicher Höhe, hochwallenden, blonden Locken und spärlichem, beinahe jünglingshaftem Bartwuchs ins Zimmer.“ – Das war Edvard Grieg. Tschaikowsky schwärmt von Griegs Musik, von der Wärme und Leidenschaft der melodischen Phrasen, von der Lebhaftigkeit der Harmonie, von der Originalität und Schönheit seiner genialen Modulationen und Rhythmen. Ein Treffen der Giganten: Brahms, Tschaikowsky, Grieg. Von Leipzig geht die Reise weiter nach London – dort gibt Grieg mehrere Konzerte. Mit der Royal Philharmonic Society spielt er sein Klavierkonzert und dirigiert „letzter Frühling“ und „Herzwunden“. Grieg ist begeistert: „etwa 60 Streicher und alle vom ersten Rang. Mitunter hätte man weinen mögen, so klang das.… es war wie ein Gesang der Harmonien in ätherischen Höhen.“ 2‘36 3 Musik 2 Edvard Grieg: Herzwunden Orpheus Chamber Orchestra M0014940 006 Deutsche Grammophon 423 060-2 2’50 Herzwunden, elegische Melodie op.34 von Edvard Grieg mit dem Orpheus Chamber Orchestra. In den kommenden zehn Monaten reist Grieg noch zwei Mal nach London. Er dirigiert die Herbst-Ouvertüre, die Holberg-Suite, spielt die Cellosonate mit dem – wie er selbst notiert – „ebenso berühmten als langweiligen Künstler Alfredo Piatti“. Mit Joseph Joachim spielt er seine zweite Violinsonate und er begleitet seine Frau Nina, wenn sie seine Lieder singt. Für Grieg ist sie die einzige wahre Interpretin seiner Lieder. Beide sind sich der besonderen Bedeutung der Liedkunst bewusst. Grieg meint: „Für mich handelt es sich beim Liederkomponieren nicht darum, Musik zu machen, sondern den geheimsten Intentionen des Dichters gerecht zu werden“. Mit eben diesem Verständnis trägt Nina Grieg die Lieder vor. Vielleicht ist ihre Technik nicht immer perfekt, wie Zeitgenossen berichten, aber ihr Ausdruck, ihre eigentümliche Färbung hinterlassen tiefen Eindruck: „Sobald Frau Grieg erst einige Augenblicke gesungen hat, vergisst man, dass man sich bei einer Konzertaufführung befindet. Wir leiden mit dieser Frau, wir weinen, lachen, jubeln mit ihr, bis alles vorbei ist.“, schreibt ein Kritiker. London befindet sich im Grieg Fieber und bald auch Paris. Doch das Verhältnis zu Frankreich wird von der Dreyfus-Affäre gestört. Der französische Artillerie-Hauptmann Alfred Dreyfus wird wegen Landesverrats zu Gunsten des Deutschen Kaiserreichs von einem französischen Gericht verurteilt, obgleich vieles für seine Unschuld spricht. 4 Grieg kritisiert - wie viel andere auch - Frankreichs Verhalten aufs Härteste. Er geht sogar so weit, dass er Konzerteinladungen ausschlägt, was ihm die Franzosen übel nehmen. Zu England pflegt er ein innigeres Verhältnis. Von Queen Victoria wird er auf Schloss Windsor empfangen. “Die Königin ist süß, wenn man das von einer alten Dame sagen kann. Sie kannte beinahe das ganze Programm, genoss, dass Nina norwegisch sang und wollte mehr hören. Ich spielte die Gavotte aus der Holberg-Suite…. Ich lehnte alle Mahlzeiten ab und fuhr mit dem nächsten Zug nach Hause.“ Reist er wegen der englischen Küche ab oder hat Grieg einfach nur Heimweh. 2‘20 Musik 3 Edvard Grieg: Holbgerg Suite, Gavotte Peter Jablonski, Klavier M0074421 008 Decca 455631-2 3’22 Die Gavotte aus der Holberg-Suite hat Edvard Grieg in London für Queen Victoria gespielt, hier in der SWR2 Musikstunde war es Peter Jablonski. In späteren Jahren verlegt Grieg seine Konzertätigkeit immer mehr aufs Dirigieren. Als Pianist tritt er nur noch selten mit seinen Kammermusikwerken auf. Für sein großes Klavierkonzert fühlt er sich nicht mehr stark genug. Wieder ist es Beyer, dem er sich anvertraut: “Ich bin sehr betrübt, weil es mir immer klarer wird, dass ich das Klavierspielen nicht mehr vertragen kann. Nicht nur dass mir der Atem ausgeht, sondern die physische Kraft versagt, wenn eine etwas bewegte Fortestelle kommt.“ Für eine Welte Mignon-Aufnahme einzelner lyrischer Stücke reicht Griegs Kraft immerhin noch aus. Wir hören einen impulsiv spielenden Pianisten mit romantischem Ausdruck. Edvard Grieg spielt Edvard Grieg, eine Welte Mignon Produktion vom April 1906, ein Jahr vor seinem Tod. 1‘00 5 Musik 4 Edvard Grieg: Schmetterling, op.43, 1 Edvard Grieg, Welte Mignon, 1906 M0016748 001 2’01 Edvard Grieg als Interpret seines lyrisches Stücks „Der Schmetterling“ auf einer Welte Mignon Rolle eingespielt im April 1906. Ein wertvolles Zeugnis – es gibt uns einen Eindruck, aber kein umfassendes Bild seines Könnens. Dafür haben wir zahlreiche Kritiken aus Griegs besten Jahren. „Er legt in sein Spiel so viel Seele, so viel Gefühl, dass er vollkommen erschöpft in das Künstlerzimmer zurückkam“, „es ist etwas Übernatürliches, etwas Ätherisches in seinem Anschlag und in seinem Stil“ – „In seinem energischen Anschlag ähnelt er Saint-Saens – ja sogar Rubinstein – im Übrigen ähnelt er nur sich selbst.“ So die Stimmen der Kritiker. Nach den aufreibenden Monaten der Konzertreisen möchte Grieg zu Hause in aller sein zweites Streichquartett komponieren, doch es geht nicht voran: „Das verfluchte Streichquartett, welches wie ein alter norwegischer Käse immer noch unvollendet daliegt.“, schimpft er und das Werk bleibt Fragment. Besser läuft es mit einem weiteren Band lyrischer Stücke. Wieder sind es Naturerlebnisse, die in anregen. Der Hirtenknabe atmet klare Gebirgsluft, im Zug der Zwerge trollen Berggeister umher, im Notturno verbergen sich Geheimnisse der Nacht, das Scherzo ist ein Elfentanz und das letzte Stück „Glockengeläute“ charakterisiert Grieg als „ganz einfach verrückt“. 1‘30 Musik 5 Edvard Grieg: Glockengeläut, lyrisches Stück op. 54 Nr.6 Michail Pletnjew, Klavier M0015547 012 Deutsche Grammophon 459671-2 3‘02 6 Michail Pletnjew mit dem Glockengeläut aus dem fünften Heft der lyrischen Stücke von Edvard Grieg. In seinen letzten Werken widmet sich Grieg nochmals der norwegischen Dichtung. Diesmal zur gerade neu erschienenen Gedichtsammlung „Haugtussa“ – das Kind der Berge von Arne Garborg. Insgesamt sind es 71 Gedichte, Grieg vertont 20 und stellt acht zu einem in sich geschlossenen, symmetrisch aufgebauten Zyklus zusammen. „Sich wegzuträumen ist traurig. Ich tue es dennoch, in dem ich Musik zu Haugtussa schreibe. Mit der Form komme ich noch nicht ganz klar. Das Buch ist genial und hat mich tief ergriffen“, gesteht Grieg. Die Geschichte handelt vom Hirtenmädchen Veslemöy. Von ihrem
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