Der Einfluss von Nutzung und Wiedervernässung auf die Fauna der Niedermoore I n a u g u r a l d i s s e r t a t i o n zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald vorgelegt von Sebastian Görn geboren am 16.01.1984 in Halle an der Saale Greifswald, 26.02.2016 Dekan: Prof. Dr. Werner Weitschies 1. Gutachter : Prof. Dr. Klaus Fischer 2. Gutachter: Prof. Dr. Thomas Fartmann Tag der Promotion: 20.10.2016 Gewidmet Manfred † und Irene † Görn Inhalt Einleitung 7 Niedermoore Nordostdeutschlands bewerten – Vorschlag für ein 23 faunistisches Bewertungsverfahren Assessing human impact on fen biodiversity: effects of different 33 management regimes on butterfly, grasshopper, and carabid beetle assemblages Effects of fen management on bird communities in north-eastern 53 Germany Measuring the effectiveness of fen restoration on carabid beetles and 65 vascular plants: a case study from north-eastern Germany Erklärung zu Publikationen mit mehreren Autoren 75 Synopsis 79 Eigenständigkeitserklärung 99 Der stark gefährdete Große Feuerfalter Lycaena dispar ist eine typische Niedermoorart, welche im Untersuchungsgebiet noch regelmäßig angetroffen wird. Foto: Sebastian Görn. 6 Einleitung 7 Einleitung Rückgang der Biodiversität Trotz aufopferungsvoller Bemühungen von Einzelpersonen, Organisationen und der Weltgemeinschaft schreitet der weltweite Biodiversitätsverlust nahezu ungehindert voran (Butchart et al. 2010; Pereira et al. 2010; Tittensor et al. 2014). Gerade dort wo der Naturschutz den existentiellen Bedürfnissen von Menschen gegenübersteht ist mit Verboten nicht viel zu erreichen und es sind intelligente Lösungen gefragt, welche sowohl dem Naturschutz wie auch der lokalen Bevölkerung zum Vorteil gereichen (Kueffer und Kaiser-Bunbury 2014). Die Gründe für den globalen Biodiversitätsrückgang sind mannigfaltig (z.B. Van Swaay und Warren 2006; BirdLife International 2008), jedoch führen vor allem Veränderungen in der Landnutzung weltweit zu dramatischen Biodiversitätsverlusten (Sala et al. 2000; Pereira et al. 2010). In Europa ist es insbesondere die Aufgabe traditioneller Landnutzung, welche zahlreiche Arten gefährdet (Phillips 1998; Vos und Meekes 1999; Plieninger et al. 2006; Henle et al. 2008). Von diesem Trend sind speziell die Artgemeinschaften traditionell bewirtschafteter Niedermoore besonders stark betroffen (z.B. Van Swaay et al. 2006; Tanneberger et al. 2009). Niedermoore - Bedeutung und Gefährdung Niedermoore zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht ausschließlich wie Hochmoore durch Regenwasser gespeist werden, sondern zusätzlich auch durch Grund- und Oberflächenwasser (Joosten und Succow 2001). In der Vergangenheit mussten die Moore Europas durch Entwässerung, Torfstiche und Komplex- melioration enorme Verluste hinnehmen (Van Diggelen et al. 2006). So sind heute in Europa über 60 % aller Moore zerstört. In Deutschland ist nur noch etwa 1 % der ursprünglichen Moorfläche erhalten (Joosten 1997). Der dramatische Rückgang der Moore war dementsprechend mit einem erheblichen Verlust der moortypischen Flora und Fauna verbunden. So überrascht es nicht, dass mittlerweile zahlreiche (nieder-) moortypische Arten stark gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht sind (Trautner und Rietze 2000; Tanneberger et al. 2010). 8 Einleitung Paludikultur Werden Moore intensiv bewirtschaftet führt dies dazu, dass sich diese im wahrsten Sinne des Wortes in Luft auflösen, da der entwässerte Torf rasch von Mikroorganismen zersetzt wird, und enorme Mengen Kohlendioxid freigesetzt werden. Der so verursachte Torfschwund kann in stark entwässerten Niedermooren mehr als 4 cm Oberbodenverlust pro Jahr betragen (Stegmann und Zeitz 2001). So überrascht es nicht, dass im besonders niedermoorreichen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern die Gasemissionen aus den Mooren die größte Treibhausgasquelle darstellen (MLUV MV 2009). Desweiteren erfordert der stetig sinkende Boden auf intensiv bewirtschafteten, und somit tief entwässerten Mooren, eine fortwährende Herabsetzung des Grundwasserspiegels, was nur durch zusätzliche Pumpleistung realisiert werden kann. Diese mooreigene Kostenspierale führt so mittelfristig zu einem drastischen Kostenanstieg, der eine kostendeckende entwässerungsbasierte Bewirtschaftung unmöglich macht. Eine entwässerungsbasierte Bewirtschaftung schadet also nicht nur den natürlichen Artgemeinschaften, sondern auch dem Klima und sogar der ansässigen Bevölkerung, da Bewirtschaftungsflächen dauerhaft verloren gehen. So entstand in Mecklenburg-Vorpommern die Idee der Paludikultur, d.h. das Konzept einer nassen und somit nachhaltigen Bewirtschaftung von Mooren, zum beiderseitigen Nutzen für Mensch und Natur (Wichtmann et al. 2010; Wichtmann und Wichmann 2011). Die Idee einer nassen Bewirtschaftung von Mooren ist keineswegs neu. Über Jahrhunderte wurden Niedermoore als Wiesen, Weiden oder zur Rohrmahd genutzt, und dies ohne erhebliche Entwässerung. Neu am Konzept der Paludikultur ist nun, durch verbesserte Erntetechnik und neue Verwertungsketten diese traditionellen Bewirtschaftungsformen so weiterzuentwickeln, dass sie für die Nutzer wieder rentabel werden. Bewirtschaftungsformen Die Bewirtschaftung eines Standortes hat nicht nur entscheidenden Einfluss auf die Vegetation, sondern auf die gesamte Biozönose. Dabei spielt in Niedermooren neben dem Grad der Entwässerung und der Häufigkeit der Mahd, auch der 9 Einleitung Mahdzeitpunkt eine entscheidende Rolle für die Ausprägung der Biozönose. Erfolgt die Mahd im Sommer und sind die Wasserstände weitestgehend natürlich, so entwickeln sich auf Niedermooren naturschutzfachlich besonders wertvolle Feuchtwiesen. Diese Nutzungsform entspricht weitgehend der einst in Mitteleuropa weit verbreiteten Heuwerbung. Mit dem Verschwinden dieser traditionellen Bewirtschaftungsform im Verlaufe des 20. Jahrhunderts, wurden auch die assoziierten Artgemeinschaften immer weiter zurückgedrängt, sodass heute zahlreiche niedermoortypische Feuchtwiesenarten hochgradig gefährdet sind (Van Swaay et al. 2006; BirdLife International 2008, 2016). Die traditionelle Heuwerbung wurde zumeist zugunsten intensiverer Bewirtschaftungsformen aufgegeben, zum Teil vielen aber auch große Flächen einfach brach. Solche nassen Brachen entwickeln sich mit der Zeit zu Schilfröhrichten. Diese stellen ebenfalls einen seltenen Biotoptyp dar und beherbergen zahlreiche gefährdete Arten. Ohne Nutzung führt jedoch die fortschreitende Sukzession zu einer zunehmenden Verbuschung, und somit ebenfalls zu einem Verlust dieses wertvollen Habitattyps und seiner Artgemeinschaften. Wird hingegen das Schilfröhricht im Winter abgeerntet, so wird die Verbuschung gestoppt, da die Gehölze entfernt werden, während sich das Schilf im Frühjahr aus seinen unterirdischen Rhizomen regenerieren kann. Die Wintermahd, in Form der Rohrwerbung, stellt ebenfalls eine traditionelle Art der Niedermoornutzung dar, welche der Gewinnung von Dachreet diente und kleinräumig noch bis heute dient. In Anbetracht der Tatsache dass in Mitteleuropa der bei weitem größte Teil der intakten Niedermoore und ihrer Biozönosen bereits verschwunden ist, drängt sich nun die Frage auf, wie im Sinne des Naturschutzes mit den brachfallenden einst intensiv genutzten Flächen nach der Wiedervernässung umzugehen ist. Besteht die Notwendigkeit die Flächen kontinuierlich im Sommer zu mähen, um durch fortwährenden Nährstoffentzug offene Feuchtwiesen zu etablieren? Ist es vielleicht naturschutzfachlich genauso sinnvoll die rudimentär noch erhaltene Rohrwerbung weiter zu etablieren? Oder können diese wiedervernässten Flächen einfach weitgehend sich selbst überlassen werden? 10 Einleitung Peenetal Gelegen im äußersten Nordosten Deutschlands beherbergt das Peenetal das mit Abstand besterhaltene Flusstalmoor Norddeutschlands (Abb.1; Hennicke 2001). Geformt wurde es Ende der letzten Eiszeit durch abfließendes glaziales Schmelzwasser. Als großflächiges Relikt der einst in Norddeutschland weit verbreiteten Niedermoore ist es heute von ganz besonderer naturschutzfachlicher Bedeutung. So findet sich hier noch in weiten Teilen eine niedermoortypische Flora und Fauna (ILN Greifswald 1996). Manche niedermoortypischen Taxa finden sich sogar deutschlandweit nur noch ausschließlich hier (Martschei und Meitzner 2005; Persohn et al. 2006). Aufgrund der hohen naturschutzfachlichen Bedeutung wurde dem Peenetal im Jahre 1992 eine gesamtstaatlich repräsentative Bedeutung zugesprochen (Hennicke 2001). Abb. 1 Die Untersuchungsflächen im Unteren Peenetal. Die Niedermoore des Peenetals blicken auf eine lange Nutzungsgeschichte zurück. Bereits Ende des 17. Jahrhunderts wurde das Peenetal flächendeckend zur Heuwerbung und als Weideland genutzt (Holz et al. 1983). Im Verlaufe des 18. und 19. Jahrhunderts wurden die ersten Grabensysteme angelegt und kontinuierlich ausgebaut. Zudem gewann die Brenntorfgewinnung in dieser Zeit beständig an Bedeutung. Das 20. Jahrhundert hingegen war durch zwei sehr widersprüchliche 11 Einleitung Entwicklungen in der Nutzungsgeschichte geprägt. Zum einen kam es seit den 1930/40er Jahren zu den ersten Nutzungsaufgaben. Besonders ab 1955 verstärkte sich dieser Trend dann zunehmend. Gleichzeitig wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Nutzung der bewirtschafteten Niedermoore immer weiter intensiviert, was letztendlich in den seit den 1960er Jahren durchgeführten Komplexmeliorationen gipfelte (Fischer 2001). Besonders seit 1992 gibt es das Bemühen, das Peenetal
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