Die Letzten Ihrer Art Wie US-Amerikanische Fans Das Radiohörspiel Zu Grabe Tragen Von Christian Blees

Die Letzten Ihrer Art Wie US-Amerikanische Fans Das Radiohörspiel Zu Grabe Tragen Von Christian Blees

DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 06.04.2012 Redaktion: Marcus Heumann 11.05 – 12.00 Uhr Die letzten ihrer Art Wie US-amerikanische Fans das Radiohörspiel zu Grabe tragen Von Christian Blees URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - 2 O-TON: COLLAGE AUS VERSCHIEDENEN OLD TIME RADIO SHOWS O-TON: GUNSMOKE (Hufgetrappel, Pistolenschuss, Musik) Sprecher: GUNSMOKE – brought to you by L & M filters. This is it. L & M is best, stands out from all the rest. (Musik) Around Dodge City in the West there is only one way to handle the killers and the spoilers, and that’s with the U.S. Marshal and the smell of…GUNSMOKE! ANSAGE Die letzten ihrer Art Wie US-amerikanische Fans das Radiohörspiel zu Grabe tragen Ein Feature von Christian Blees O-TON (Fortsetzung): GUNSMOKE Sprecher: GUNSMOKE – starring William Conrad. A transcribed story from the violence that moved West with young America. And the story of a man who moved with it. Matt Dillon: I’m that man: Matt Dillon, United States Marshal. The first man they look for and the last they want to meet. It’s a chancy job, and it makes a man watchful – and a little lonely. O-TON: FOTR CONVENTION Jay Hickerson (singt): Thanks for the memory, the stars who used the microphone, from Ken Akback to Ezra Stone. Their talents did all apply from Superman, The Counterspy. We thank you so much… ERZÄHLER Ein plüschiger 1970er-Jahre-Ballsaal in einem Hotel vor den Toren New Yorks. An gedeckten Tischen haben an diesem Samstagabend im Oktober 2011 insgesamt rund 250 Personen Platz genommen. Die Stimmung ist festlich, hat aber auch etwas von einem gemütlichen Familientreffen an sich. Am Klavier sitzt ein älterer, grauhaariger Mann. Er ist hager und trägt ein dunkelblaues Hemd mit Krawatte. Zur Melodie von „Thank you for the memories“ singt er einen selbst geschriebenen Text. 3 Musik ERZÄHLER Das Lied weckt bei den Anwesenden wehmütige Erinnerungen. Denn an diesem Abend gilt es, einen Abschied zu feiern. Die vorwiegend älteren Gäste, die sich im Ballsaal versammelt haben, werden sich in diesem Rahmen nie wieder sehen. Sie nennen sich selbst „Friends of Old Time Radio“. Seit fast vier Jahrzehnten treffen sie sich jedes Jahr im Herbst, um sich an die Goldenen Zeiten des US-amerikanischen Radios in den 1930er und 1940er-Jahren zu erinnern. Doch nach diesem Wochenende, das steht fest, ist ein für alle Mal Schluss. O-TON: JAY HICKERSON This is our 36 th year. VOICE OVER: Dies ist die sechsunddreißigste Auflage unseres Jahrestreffens. Im vergangenen Jahr haben die Friends of Old Time Radio beschlossen, dass dies die letzte Covention ihrer Art sein sollte – aus verschiedenen Gründen. Zum einen ist es im Laufe der Zeit immer schwieriger geworden, Stargäste einzuladen, die die goldenen Zeiten des Radios noch selbst aktiv miterlebt haben. Bis auf diejenigen, die damals als Kinder im Radio aufgetreten sind, sind inzwischen alle tot. Und auch wir Fans werden immer älter. Weil ich das Ganze jetzt 36 Jahre lang organisiert habe, schien es mir an der Zeit, damit aufzuhören. Die anderen sahen das im Grunde genauso. Es kommen zwar immer wieder Fans, die uns bitten, weiterzumachen. Aber dies ist definitiv unsere letzte Convention. ERZÄHLER Das Herzstück der Friends of Old Time Radio Conventions sind vor allem die Wiederaufführungen alter Radiohörspiele. Live und vor Publikum – so, wie es damals, in der Hoch-Zeit des US-amerikanischen Radios, gang und gäbe war. Darum tummelt sich auch heute Abend auf einer improvisierten Bühne gut ein halbes Dutzend älterer Männer. Keiner von ihnen ist jünger als 65 Jahre. Auf dem Programm steht diesmal eine Episode aus der berühmten Westernserie 4 GUNSMOKE, zu Deutsch: RAUCHENDE COLTS. Was heutzutage kaum noch jemand weiß: GUNSMOKE ist nur eine von insgesamt rund 450 US-Fernsehserien, die alle ihre Premiere ursprünglich im Radio feierten. O-TON: FOTR CONVENTION – GUNSMOKE RECREATION (Dialog, Gelächter) ERZÄHLER Am Bühnenrand haben sich neben den verschiedenen Sprechern - auch dies hat Tradition – noch zwei andere Männer postiert. Einer von ihnen übernimmt die Rolle des Geräuschemachers. Der andere ist dafür zuständig, an den entsprechenden Stellen verschiedene Musiken einzuspielen. Allen Beteiligten ist vor allem eines anzumerken: Sie geben sich größte Mühe, eine perfekte Vorstellung hinzulegen. O-TON (Fortsetzung) FOTR CONVENTION - GUNSMOKE RECREATION (Dialog) ERZÄHLER Jay Hickerson hat 45 Jahre seines Lebens als Klavierlehrer gearbeitet. Noch heute tritt der Pensionär mit seinem Piano als Alleinunterhalter in Krankenhäusern und Altersheimen auf. Die Musik war es auch, die ihn vierzig Jahre zuvor zum ersten Mal überhaupt in Kontakt mit alten amerikanischen Hörspielen brachte. O-TON: JAY HICKERSON I used to play theme songs of old time radio programs and television programs... VOICE OVER: Ich habe schon immer Titelmelodien aus älteren Radio- und Fernsehserien gespielt. Und als ich das 1970 mal auf einer Party gemacht habe, sprach mich eine Frau an. Sie sagte, sie kenne da jemanden, der würde Aufnahmen genau jener Programme besitzen, deren Melodien ich spielte. Also nahm ich Kontakt mit demjenigen auf. Er gab mir damals vier Tonbandspulen, auf denen sich insgesamt einhundert alte Radiosendungen befanden. Und diese einhundert Sendungen fing ich dann an, mit anderen Fans zu tauschen. Anfang der siebziger Jahre musste man die Aufnahmen 5 alle noch mühsam von einem Tonbandgerät auf ein zweites überspielen. Anschließend schickte man auf Vertrauensbasis dem Tauschpartner seine Kopien zu, und im Gegenzug bekam man dann von ihm die Aufnahmen aus seiner Sammlung, die man selbst gerne haben wollte. ERZÄHLER Lange vor dem Aufkommen des Internets war es relativ aufwendig, mit anderen Personen in Kontakt zu bleiben, die dasselbe Hobby teilten – vor allem dann, wenn diese über die gesamte USA verstreut waren. Jay Hickerson hatte Glück: Ein paar Hörspiel-Fans, die er kennen lernte, lebten ganz in seiner Nähe. O-TON: JAY HICKERSON Well, we got to talking, and in 1970 we found other people in the area of Connecticut, where we lived, and we had a little backyard party… VOICE OVER: Wir sprachen darüber, ob wir uns nicht irgendwie zusammentun könnten, und so kam es 1971 zur ersten kleinen Convention. Wir nannten uns damals die „Low-Fi Radio- Fans“. Weil wir im Vorfeld der Veranstaltung in unserer Fan-Zeitschrift dafür geworben hatten, kamen auch einzelne Sammler aus anderen Bundesstaaten. Auch schauten schon ein paar Stargäste vorbei, wie zum Beispiel Jackson Beck, der Ansager der „Superman“-Radiohörspiele. Er ist von da an bis zu seinem Tod regelmäßig auf unseren Conventions aufgetreten. Insgesamt fanden von 1971 bis 1975 fünf derartige Fantreffen statt, alle im Raum New Haven, und alle federführend organisiert von Sal Trapani – jenem Sammler, der mich mit meinen ersten einhundert Aufnahmen versorgt hatte. Ende 1975 kehrte Sal seinem Hobby den Rücken. Der Rest von uns aber blieb am Ball und benannte sich um in „Friends of Old Time Radio“. 1976 fand dann die erste Versammlung unter der neuen Bezeichnung statt. ERZÄHLER Ken Stockinger aus Cliffwood Beach im Bundesstaat New Jersey ist 48 Jahre alt. Damit zählt er zu den jüngeren Teilnehmern der Friends of Old Time Radio Convention. Zum ersten Mal sei er 1999 dabei gewesen, sagt Ken. Und das, obwohl seine erste Begegnung mit alten Radiohörspielen noch viel, viel länger zurückliegt. 6 O-TON: KEN STOCKINGER This is going to sound like something out of a very bad movie, a very badly written script... VOICE OVER: Das Ganze klingt wie der Plot eines ziemlich miesen Films. Aufgewachsen bin ich in Bloomfield, einer Kleinstadt im Norden von New Jersey. Wir wohnten damals im Erdgeschoss eines zweistöckigen Hauses. Unsere Vermieterin lebte über uns. Hinten im Hof standen diese großen, alten Mülleimer aus Metall. Eines Tages ging ich raus in den Hof – und sah dort, in einer der Mülltonnen, eine leere Cornflakes- Verpackung liegen. Sie war völlig unbeschädigt und lag mit der Rückseite nach oben. Eine Werbeaufschrift besagte, man könne die Deckel der Verpackung, zusammen mit ein paar Dollars, an die Firma Kellogg’s einsenden. Im Gegenzug erhielte man dann vier Langspielplatten mit den Radio-Abenteuern von Superman zugeschickt. Kellog‘s hatte in den vierziger und fünfziger Jahren die Radiohörspiele gesponsert. Meine Mutter und mein Onkel hatten schon öfters von diesen alten Radioshows erzählt, und ich hatte so etwas schon immer mal mit eigenen Ohren hören wollen. Also bat ich meine Mutter, die Kellogg’s-Schallplatten zu bestellen – und als ich dann den ersten Minuten lauschte, war’s um mich geschehen. Das war 1974, damals war ich elf. Für mich war das der Start als Sammler. Im Laufe der Jahre sind bis heute rund 60 000 Sendungen zusammen gekommen. O-TON: SUPERMAN RADIO SHOW Sprecher: Faster than a speeding bullet, more powerful than a locomotive, able to leap tall buildings at a single bounce. Look – up in the sky! It’s a bird, it‘s a plane, it’s Superman! (Musik) Sprecher: Kellogg’s PEP, the sunshine cereal, presents THE ADVENTURES OF SUPERMAN. (Musik) 7 ERZÄHLER Im Vergleich zu manch anderen Sammlungen ist Ken Stockingers Kollektion mit 60 000 Sendungen noch verhältnismäßig übersichtlich. Zumal es im Zeitalter des Internets kein Problem ist, sich in kürzester Zeit komplette Serien mit mehreren hundert Einzelfolgen auf den eigenen Rechner zu laden. Wie sehr sich die Lage im Laufe der vergangenen vier Jahrzehnte gewandelt hat, zeigt sich exemplarisch auch an diesem Abend. Einer der Sammler, Jo Web, hat eine interessante Berechnung aufgestellt. O-TON: FOTR CONVENTION Sammler: It’s been a tribute to everyone that the convention has gone this long – and actually lasted longer than the Golden Age of Radio… VOICE OVER: Ich habe mal ausgerechnet, wie sich das Sammeln im Vergleich von damals zu heute verändert hat.

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