
Nikolaus Riehl Prof. Dr. phil. habil. Nikolaus Riehl wurde 1901 in St. Petersburg, dem heutigen Leningrad als Sohn des Chefingenieurs der Petersburger Siemens und Halske- ZehI1 Jahre Werke Wilhelm Riehl und seiner Ehefrau Helene geb. Kagan geboren. Dort absolvierte er die deutsche St. Petri Schule und siedelte nach dem Brest-Litowsker Im Frieden mii den Eltern nach Berlin über. Nach dem Studium der Physik an der Berliner Universität pro- movierte er 1927am Institut von OUo Hahn und Lise Meitner. Danach begann er seine berufliche Tätigkeit bei der Auer-Gesellschaft in Berlin. Nach einer Reihe von Errungenschaften auf dem Gebiet der angewandten Radioaktivität, z.B. Einführung der, techni- schen Gamma-Radiografie, entwickelte er ...,gemeinsam mit der Firma Osram - die ersten, heute allgemein eingeführten Leuchtstoff-Lampen und Röhren. Diese und andere technische und wissenschaftliche Ergebnisse auf dem Gebiet der Lumineszenz faßte er 1941 in dem Buch n Physik und technische Anwen- dungen der Lumineszenz" zusammen, das in mehrere Sprachen übersetzt wur- de. 1939 wurde er zum Direktor der n Wissenschaftlichen Hauptstelle" der Auer-Gesellschaft ernannt und begründete in Deutschland - gemeinsam mit der Degussa - die Herstellung von Uran für Kernreaktoren. 1945wurde er zu- sammen mit einer Reihe seiner Mitarbeiter in die Sowjetunion zwangsver- pflichtet. Dort baute er die Uranfabrikation für Kernreaktoren auf. Trotz höchster Auszeichnungen (u.a. Stalin-Preis 1. Klasse und Lenin-Orden) be- stand er auf Rückkehr nach Deutschland. Als dies 1955 trotz heftigen Wider- stands der Sowjet-Regierung endlich gelungen war, beteiligte ersich am Auf- bau des ersten deutschen Kernreaktors in Garching bei München und über- nahm 1957einen Lehrstuhl für Technische Physik an der Technischen Univer- sität München. Bis zur Emeritierung und noch darüber hinaus wirkte er auf verschiedenen Gebieten der Festkörperphysik, veröffentlichte eine Vielzahl weiterer wissenschaftlicher Arbeiten, veranstaltete er mehrere internationale Tagungen (über Lumineszenz, protonische Halbleiter, Physik des Eises) und verbrachte ein Semester als Gastprofessor an der Universität New York. 1973 wurde ihm der Bayerische Verdienstorden verliehen. ...,Mit dem hier vorlie- genden Buch beschreibt er einen besonders interessanten Abschnitt seines be- wegten Lebens. ~ Dr. Riederer-Verlag GmbH· Stuttgart -r .1). NIKOlAUS RIEHL ZEHN JAHRE IM GOLDENEN KÄFIG ERLEBNISSE BEIM AUFBAU DER SOWJETISCHEN URAN - INDUSTRIE ~ Dr. Riederer-\erlag GmbH . Stuttgart VORWORT Vor genau 50 Jahren haben Otto Hahn und F. Strassmann die Atomspal- tung entdeckt. Professor Dr. Nikolaus Riehl war als Schüler von Lise Meitner und Otto Hahn nicht nur Zeuge dieser Entdeckung, er hat zur darauf aufbau- enden Entwicklung der Atomtechnik entscheidend beigetragen, indem er zu- nächst in Deutl\chland, dann in Rußland und dann wieder in Deutschland die Reindarstellung des Urans und andere wichtige Grundlagen geschaffen und gefördert hat. Er ist damit ein herausragender Vertreter derjenigen Wissen- schaftler, die das uns jüngeren meistens nur aus kurzen Berichten bekannte Schicksal der zwangsweisen Verlagerung von Forschergruppen nach dem Krieg miterlebt hat. Professor Riehl führte dieses Schicksal in sein Geburts- land zurück. Diesen Abschnitt seines bewegten Lebens hat er in einem Manu- skript festgehalten, das ich durch Zufall vor kurzem zu sehen bekam. Die Fas- zination und das Vergnügen, das diese Schilderung beim Lesen auslöst, sollte nicht auf Freunde und Bekannte Professor Riehls beschränkt bleiben. Ich dan- ke dem Dr. Riederer- Verlag, daß er meine Anregung zum Verlegen dieses Manuskripts so bereitwillig aufgegriffen hat, so daß das Buch rechtzeitig zu dem genannten Jubiläum erscheinen kann. Der unser gesamtes Jahrhundert umfassende Einblick des Autors in historische Zusammenhänge paart sich mit einer Darstellungskunst, :die geprägt ist von Humor, Weisheit und Verständnis für menschliche Schwächen. Ich bin sicher, daß dieses Buch den Zugang über interessierte Fachkollegen hinaus zu einer breiten, an zeitgeschichtlichen Fragen interessierten Leserschaft führen wird. ©.Copyright Dr. Riederer-Verlag GmbH, Stuttgart Alle Rechte vorbehalten. 1988 Druck: difo-druck schmacht, Bamberg Umschlagentwurf: Dieter Drescher, Prälat-Fischer Straße 11 Stuttgart, im Juli 1988 HANS ECKART EXNER 7580 BühVBaden -I' --I' 1. WR EINFÜHRUNG In diesem Buch findet der Leser meine Erinnerungen an die Jahre 1945 - 1955, die ich in der Sowjetunion als Leiter einer Gruppe deutscher Wissen- schaftler und Techniker verbrachte. Dank der Art meiner dortigen Tätigkeit und dank völliger Beherrschung der russischen Sprache kam ich in einen näheren Kontakt mit dem sowjetischen Leben, als es sonst einem Ausländer möglich ist, und zwar in vielerlei Bereichen: in der Regierungsebene, im Ver- waltungsapparat der Ministerien, in Forschungsinstituten und Fabrikbetrieben sowie auch im Alltag der Sowjetmenschen. Mir wurde immer wieder von verschiedenen Seiten geraten, das Erlebte und Gesehene zu Papier zu bringen, weil es von allgemeinem, geschichtlichem und politischem Interesse sein könnte. Wenn ich nun diesem Rat nachkomme, so tue ich das ohne jede Ambition, eine umfassende oder gar erschöpfende Darstellung der sowjetischen Verhältnisse jener Zeit zu versuchen. Vielmehr soll es sich um Selbsterlebtes, um persönliche Impressionen eines verhältnis- mäßig unvoreingenommenen Betrachters handeln, der manchmal versucht, ,die Erfahrungen zu ordnen und zu analysieren, manchmal aber auch aus dem bloßen Staunen nicht herauszukommen vermag. Wa.", hier geschildert wird, ist zwar Geschichte, jedoch vielfach nur in Form von Geschichten.' An manchen Stellen des Buches habe ich - unter Hintansetzung des pro- fessoralen Ernstes - einen ironisch-heiteren Stil der Darstellung gewählt. Ge- wiß war für uns die Zeit in Stalins Reich alles andere als heiter. Aber bekannt- lich bieten Diktaturstaaten auch lächerliche Züge oder zwingen einen in lächer- liche Situationen; und Lächerliches ist nicht nur dazu da, daß man sich - 1 - darüber ärgert, sondern auch dazu, daß man darüber lacht. neszierende Substanzen), die Osram -Gesellschaft die eigentliche Lamperl- und Röhrenherstellung innehatte. Ich wandte mich dann auch noch allen son- Bei der Darstellung des Selbsterlebten will ich möglichst vermeiden, in stigen Anwendungen lumineszierender Substanzen zu, wie Leuchtfarben, Rönt- eine Selbstdarstellung zu verfallen und die Zahl der mit Jugendbildern ge- gen-Durchleuchtungsschirme, Fernsehschirme usw. sowie auch rein wissen- schmückten Autobiographien um eine weitere zu vermehren. Selbstdarstellun- schaftlichen Arbeiten auf diesem Erscheinungsgebiet. Diese Arbeiten fanden gen sollten unseren Künstlern, Sportkanonen oder Politikern vorbehalten blei- ihren vorläufigen Abschluß durch mein Buch über" Lumineszenz und ihre An- ben. - Zum besseren Verständnis des Zustandekommens und Verlaufs meiner wendungen", das auch in einigen anderen Ländern als Übersetzung erschien. Rußland-Erlebnisse - auch für den fachlich uneingeweihten Leser - möchte Erst viele Jahre später kehrte ich zu diesem meinem Lieblingsgebiet zurück. ich nur die folgenden knappen Angaben über meinen beruflichen Werdegang Ich habilitierte mich 1938, blieb aber bei der Auer-Gesellschaft und wurde vor dem Rußland-Aufenthalt vorausschicken. dort lffirz ~or.äem ~r.iegsausl5r.ucnzum lDireKtor.äer. neugegr.ünöeten "~issen scnaftlicnen HauRtstelle" ernannt, einer Gründung, deren Hauptaufgabe es Ich bin in Petersburg geboren, siedelte nach dem Brest-Litowsker Frie- war, neben laufender Forschungs- und Entwicklungsarbeit neue Arbeitsgebie- den als deutscher Staatsangehöriger mit meinen"Eltern nach Berlin über und te für die Auer-Gesellschaft zu suchen und zu erschließen. Nach der Ent- studierte dort Physik. Nach Abschluß der Doktorarbeit im Dahlemer Institut deckung der Uran -Spaltung war es daher für mich naheliegend, die Techno- von Otto Hahn und Lise Meitner trat ich 1927 bei der Auer-Gesellschaft ein, logie der Herstellung reinsten Urans für die Kernenergiegewinnung in Angriff einer sehr angesehenen Berliner Firma, die nach dem berühmten österreich i- zu nehmen, dies umso mehr, als die Auer-Gesellschaft bereits große Erfahrun- schen Erfinder Auer von Welsbach benannt ist und die seine Erfindungen ver- gen auf ähnlichen chemisch -technologischen Gebieten besaß. Hinzu kam, daß wertete. Zum damaligen Arbeitsprogramm der Auer-Gesellschaft gehörten die die Frankfurter Firma Degussa, zu deren Konzern damals die Auer-Gesell- aus Thorium- und Ceroxid bestehenden Gasglühlichtkörper ("Gas-Glüh- schaft gehörte, mit ihren metallurgischen Erfahrungen den letzten Schritt der strümpfe"), die als "Seltene Erden" bezeichneten Elemente, das Thorium, die Uran -Technologie, nämlich die Überführung des Urans in den Metall-Zu- radioaktiven Substanzen sowie auch Atemschutzgeräte. Durch meine Initiative stand, übernehmen konnte. Nach dem Krieg entstand hieraus die Firma wurde dann das Programm noch ausgeweitet, und zwar durch lumineszierende Nukem, die in Deutschland die Herstellung der Uran-Brennelemente in,ne- Substanzen und durch das Uran. (Die jetzt, d.h. nach dem Zweiten Weltkrieg hatte. Doch vorerst brachte die Beschäftigung mit Uran mir und meinen Mit- noch bestehende Auer-Gesellschaft behielt nur das Atemschutzgebiet, baute es arbeitern die 10 Jahre Sowjetunion ein, die hier geschildert werden sollen. aber in verschiedene Richtungen aus). Ich begann meine Tätigkeit in der Ab- teilung für radioaktive Substanzen. Nachdem ich dort zunächst
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