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Schuld und Sühne? Zur Verfolgung der NS-Verbrechen durch oberbayerische Justizbe- hörden anhand der Überlieferung im Staatsarchiv München NSG-Katalog8.indd 1 02.04.2014 08:40:32 NSG-Katalog8.indd 2 02.04.2014 08:40:32 Staatliche Archive Bayerns Kleine Ausstellungen Nr. 40 Schuld und Sühne? Zur Verfolgung der NS-Verbrechen durch oberbayerische Justizbehörden anhand der Überlieferung im Staatsarchiv München Eine Ausstellung des Staatsarchivs München München 2014 NSG-Katalog8.indd 3 02.04.2014 08:40:32 Staatliche Archive Bayerns – Kleine Ausstellungen hrsg. von der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns Schriftleitung: Christian Kruse Redaktionelle Mitarbeit: Claudia Pollach Nr. 40: Schuld und Sühne? Zur Verfolgung der NS-Verbrechen durch ober- bayerische Justizbehörden anhand der Überlieferung im Staatsarchiv Mün- chen. Eine Ausstellung des Staatsarchivs München Konzeption und Bearbeitung: Christoph Bachmann und Robert Bierschnei- der (die Beiträge von Robert Bierschneider sind namentlich gekennzeichnet) Staatsarchiv München,6 . Mai bis 20. Juni 2014 Umschlagbild vorne: KZ-Häftlinge beim Appell (Staatsarchiv München, Staatsanwaltschaften 34862/1, Ausschnitt) Umschlagbild hinten: Tod im Stacheldrahtzaun (Staatsarchiv München, Staatsanwaltschaften 34862/1) © Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, München 2014 Umschlaggestaltung, Satz und Layout: Karin Hagendorn Druck: Pröll Druck und Verlag GmbH & Co KG, Augsburg ISSN 1434-9868 ISBN 978-3-938831-43-4 NSG-Katalog8.indd 4 02.04.2014 08:40:32 Inhalt Einleitung ...................................................................................................7 1 Ausgangslage ...................................................................................7 2 Amerikanische Überlegungen zu Prozessen gegen Kriegsver- brecher während des Krieges .........................................................9 3 Prozesse wegen Nationalsozialistischer Gewaltverbrechen (NSG) im historischen Überblick (1945–2001) ...........................10 4 Aufbau der Prozesse......................................................................23 5 Prozessunterlagen und ihre historische Relevanz ....................31 6 Die Rechtsanwälte ..........................................................................39 Katalog .....................................................................................................47 A Allgemeiner Teil .............................................................................47 A. 1 Die Akteure .....................................................................................47 A. 2 Die Zeugen – Zeugenvernehmungen .........................................50 A. 3 Die Einstellungsverfügung (Gendarmerieposten Tschudnow/ Ukraine): Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft München I .......................................................................................56 B Das Konzentrationslager Dachau ...............................................58 B. 1 Die Lagerordnung des ersten Kommandanten ........................63 B. 2 Verzeichnis von Todesfällen .........................................................64 B. 3 Die Außenkommandos des KZ Dachau ....................................66 B. 4. Medizin im KZ Dachau ................................................................75 B. 5 Lebensbedingungen der Häftlinge .............................................91 NSG-Katalog8.indd 5 02.04.2014 08:40:32 C Verfahren gegen die Einsatzgruppe D .......................................96 C. 1 „Judenvernichtung“ in Kischinew ............................................104 C. 2 „Aktion“ gegen Partisanen .........................................................104 C. 3 Urteil im Verfahren gegen das Ek 11a ......................................106 D Besondere Verfahren ...................................................................108 D. 1 Das Sachsenhausen-Verfahren ..................................................108 D. 2 Der Tod von Jakob Iossifowitsch Dschugaschwili ..................113 D. 3 Die Ermordung Georg Elsers .....................................................118 D. 4 Die Deportation und Ermordung von Edith Stein (Sr. Teresia Benedicta vom Kreuz OCD) ..................................123 E Verknüpfung der Quellen ...........................................................128 E. 1 Schwester Pia (Eleonore Bauer) ................................................128 Literaturverzeichnis ..............................................................................133 NSG-Katalog8.indd 6 02.04.2014 08:40:32 7 Einleitung von Christoph Bachmann 1 Ausgangslage Als die nationalsozialistische Gewaltherrschaft im Mai 1945 zu Ende ging, waren mindestens 55 Millionen Menschen, unter ihnen 25 Milli- onen Zivilisten, durch Terror und Krieg ums Leben gekommen. Allein elf Millionen, davon fünf bis sechs Millionen Juden, waren in Konzen- trations- und Vernichtungslagern ermordet worden; insgesamt hatte man über 15 Millionen aus politischen, weltanschaulichen, religiösen oder rassischen Gründen dorthin verschleppt. Das menschliche Leid, aber auch die materiellen Zerstörungen, die das NS-Regime angerich- tet hatte, waren bis dahin in der Geschichte ohne Beispiel1. Unmittelbar nach dem Krieg begann die Verfolgung der Täter durch die alliierten Mächte und Zug um Zug auch durch deutsche Gerich- te. Erst im November 1958, also 13 Jahre nach Kriegsende, wurde in Ludwigsburg die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Verfolgung von NS-Verbrechen durch eine Verwaltungsvereinbarung der Justizminister und Justizsenatoren der Länder gegründet; der da- malige Wissensstand über die tatsächlichen Vorgänge war allerdings derart gering, dass es nur annähernd abschätzbar war, welche schier unglaublichen Verbrechen deutscher SS- und Wehrmachtseinheiten zutage kommen würden. Die Verbrechen, die zu ahnden waren, stell- 1 Marc von Miquel, Ahnden oder amnestieren. Westdeutsche Justiz und Vergangen- heitspolitik in den sechziger Jahren, Göttingen 2004. – Claudia Fröhlich, Die Grün- dung der „Zentralen Stelle“ in Ludwigsburg – Alibi oder Beginn einer systemati- schen justitiellen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit? In: Gerhard Pauli – Thomas Vormbaum (Hrsg.), Justiz und Nationalsozialismus – Kontinuität und Diskontinu- ität, Berlin 2003, S. 233–262. – Rüdiger Fleiter, Die Ludwigsburger Zentrale Stelle – eine Strafverfolgungsbehörde als Legitimationsinstrument? Gründung und Zustän- digkeit 1958 bis 1965. In: Kritische Justiz 35 (2002) S. 253–272. – Manfred Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart, München 1999, S. 199. NSG-Katalog8.indd 7 02.04.2014 08:40:32 8 Einleitung ten alles bisher Dagewesene sowohl in Bezug auf die Anzahl der Tä- ter als auch der Zahl der Opfer weit in den Schatten. Noch nie zuvor hatte sich die Justiz mit einer so weitverzweigten, sich auf mehrere tausend Tatorte im In- und Ausland erstreckenden kriminellen Ak- tivität befassen müssen. Auch die Zahl der Täter, sicherlich mehr als 100.000, sprengte den Rahmen eines Strafrechts, das in seiner Grund- konzeption nicht auf die Ahndung von Massenverbrechen ausgelegt war2. Daher stellt sich die Frage, ob die Justiz mit diesen Problemen anhand des Strafrechts, das auf „alltägliche“ Straftaten zugeschnit- ten ist, zurechtkam, da es kein Sonderstrafrecht für NS-Täter gab und gibt, sondern auch diese zeitlich weit zurückliegenden Taten dersel- ben Beweisführung bedürfen wie jüngst begangene. Ein weiteres Problem liegt in der Individualisierung der Taten in Relation zu den Kollektivereignissen. Für jede eventuelle Strafzumessung musste der Tathergang in seine Bestandteile zerlegt, das Individualmaß an der Tat herausgearbeitet und in seinen historischen Gesamtkontext ein- gebettet werden. Die Verfahren markieren also jenen Punkt, „in dem sich die Weltgeschichte mit einer persönlichen Lebensgeschichte trifft und historische und individuelle Kausalität, Zeitgeschichte und Kri- minologie zu einer Einheit verschmelzen“3. Es geht somit um die Kor- rektur der Auffassung von der Transpersonalität der NS-Verbrechen, in denen jeder Einzelne nur als kleines Rad im makroskopischen Ge- samtgeschehen beteiligt war. Die mikroskopische Analyse des Ein- zelverhaltens, zu der das Strafrecht zwingt, weil nur die individu- elle Tat als Verbrechen aburteilbar ist, hat eine personale Dimension dieses Kollektivunrechts sichtbar gemacht, die durch eine anonyme, historischen Gesamtprozessen geltende Geschichtsbetrachtung allzu leicht verdeckt wurde. Im Grunde ist erst durch die Prozesse erkenn- bar geworden, dass auch kollektiver Terror nicht einfach eine Natur- kata strophe ist, sondern auch er ein Mosaik aus unterschiedlichsten, oft von persönlichen Tatantrieben gesteuerten verbrecherischen Ein- 2 Herbert Jäger, Strafrecht und nationalsozialistische Gewaltverbrechen. In: Ulrich Sonnemann (Hrsg.), Wie frei ist unsere Justiz? Vom Systembau der Niedertracht, München 1969, S. 83. 3 Jäger (wie Anm. 2) S. 85. NSG-Katalog8.indd 8 02.04.2014 08:40:32 Einleitung 9 zelakten, bildet4. Somit ergab sich auch die Problematik, dass sich eine angemessene Schuld-Strafe-Relation im Sinne herkömmlicher Strafmaßnahmen nicht mehr herstellen ließ, jedoch eine verringerte Strafzumessung oder gar Straflosigkeit bei der Größenordnung der Verbrechen das Strafrecht und die Justiz selbst ad absurdum geführt hätte. 2 Amerikanische Überlegungen zu Prozessen gegen Kriegsverbrecher während des Krieges Der Entschluss, die vom nationalsozialistischen Deutschland verüb- ten Verbrechen gerichtlich zu ahnden,
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