MITTEILUNGSBLATT DES RICHARD WAGNER- VERBANDES WIEN Vormals akademischer Wagner Verein gegr. 1872 Postanschrift: c/o Dr. Heinrich Tettinek, Praterstraße 50, 1020 Wien Anmeldungen und Auskünfte bei Frau Dkfm. Liane Bermann Telefon und Fax: 470 25 08 Montag und Mittwoch von 8 bis 13 Uhr März/April 2005 Verehrte Mitglieder! Das traditionelle Mitteilungsblatt des Richard Wagner-Verbandes Wien liegt heute erstmals in neuer, erweiterter Form vor Ihnen. Getreu unserem wichtigsten Vereinszweck, das Verständnis für das Werk Richard Wagners zu wecken und zu vertiefen, wollen wir in uns in Hinkunft nicht bloß auf Informationen über unsere Veranstaltungen, Vortragsreihen und Opernreisen beschränken. Vielmehr möchten wir Sie zusätzlich auf möglichst umfassende Weise noch inniger mit dem Schaffen des Meisters vertraut machen. In zwangloser Folge sollen dabei Abhandlungen, Berichte, Kurznachrichten, Kritiken, CD-Besprechungen etc. zum Werk Richard Wagners erscheinen. Dabei rechnen wir fest auch mit Ihrer Mithilfe: Bitte übermitteln Sie uns einschlägiges Material, seien es Notizen aus anderen Printmedien, eigene Erfahrungen und Eindrücke beispielsweise von auswärtigen Wagner-Aufführungen usw. Mit herzlichen Dank für Ihre Bemühungen Der Vorstand KRITIK zu deklarieren. Ähnliches wird sich wohl ereignen, wenn – nach den rituellen Aufführungen unter Peter Schneider EIN DURCHHAUS AUF HÖCHSTEM NIVEAU während der Karwoche – im Juni dann Christian “Parsifal” unter Sir Simon Rattle an der Wiener Thielemann (mit Placido Domingo in der Titelrolle) das Staatsoper Szepter übernimmt. Mit wechselnden Starbesetzungen möchte die Wiener Analoges gilt für die Besetzungsliste. Da sang und Staatsoper das Interesse an der missglückten spielte zwar in diesem Jänner–Block Thomas Quasthoff “Parsifal”–Inszenierung von Christine Mielitz noch einmal seinen hochexpressiven, ergreifenden wachhalten. Offenbar mit Erfolg: Wann je zuvor hatte Amfortas. Aber was wird geschehen, wenn demnächst man mitten im Fasching mehrere ausverkaufte, spontan ein “normaler” Sänger wie Falk Struckmann oder gar ein umjubelte Aufführungen des Bühnenweihfestspiels Hüne wie Thomas Hampson die Partie übernehmen erlebt? Der das möglich machte, hieß Sir Simon Rattle: werden? Die Regie der beiden Außenakte war doch ganz Scharenweise lockte er Wiens Musikfreunde und auf die körperliche Behinderung des bewunderungs- Opernfans ins Haus am Ring. Um den Maestro dafür zu würdigen Sängers zugeschnitten; Christine Mielitz gewinnen, war es offenbar erforderlich, diese drei waren da die einzigen überzeugenden, zum Teilin der Tat Abende (notabene nach erst sechs Vorstellungen der tief berührenden Momente ihrer Arbeit gelungen. Wird Neuproduktion!) als “Musikalische Neueinstudierung” da nicht ein völlig neues Regiekonzept erforderlich sein? Sei dem wie immer: Sir Simon hat die Vorschuss- mehr die Musik der jeweils ersten Szene vorweg. Von lorbeeren wie auch das begeisterte Echo mehr als diesem äußersten Punkt kehrt sich die Entwicklung um: gerechtfertigt. Keinen Moment ließ er spüren, dass ihm „Tristan und Isolde“ besitzt wieder ein deutlich das Konzertpodium normalerweise vertrauter ist als die abgegrenztes, wie im „Lohengrin“ aus einem einzigen Oper. Auch hier siegte sein gleichsam elektrisierender Kern entwickeltes Vorspiel, das allerdings unmittelbar in Zugriff; seine charakteristische Eigenart, jeden die erste Szene übergeht. Und die „Meistersinger“ von einzelnen Musiker auf das Äußerste zu motivieren und Nürnberg“ prunken gar, entsprechend ihrer bewusst damit jede Note, jede Phrase mit hoher Intensität „altväterlichen“ Attitüde, mit einer regelrechten aufzuladen. Zu erleben war das – nach noch eher Ouvertüre. statischem Beginn – insbesondere in den beiden fulminant gesteigerten Verwandlungsmusiken, aber Vor diesem Hintergrund ist die Besonderheit des auch in der zentralen Kundry–Erzählung, die von „Parsifal“-Vorspiels zu sehen. Mit Ausnahme weniger durchgängiger Spannung erfüllt war und nicht den Takte beschränkt es sich auf die drei wesentlichen geringsten Hauch von Länge verspüren ließ. Von ein paar Motive der Gralswelt, die man üblicherweise als unscharfen Bläsereinsätzen abgesehen zeigte sich auch „Abendmahlthema“, „Gralsmotiv“ und „Glaubensmotiv“ das Orchester in Bestform. bezeichnet. Analog zur Grundidee des Werkes werden sie zunächst gleichsam asketisch, unverbunden und nur Neben Quasthoffs unverändert grandiosem Amfortas durch Generalpausen getrennt, nebeneinander überraschte am meisten der für Wien neue Gurnemanz hingestellt. Das erste davon erklingt später in der von Stephen Milling. Sein in allen Lagen voll und rund Abendmahlszene zu den Worten: “Nehmet hin meinen strömender Bass, seine exemplarische Textdeutlichkeit Leib, nehmet hin mein Blut, um uns'rer Liebe willen!“; es und sein kluges, persönlichkeitsstarkes Spiel machen es wird in zwei tonal unterschiedlichen Strophen zunächst verständlich, dass der dänische Sänger heute in seinem jeweils einstimmig exponiert, dann, gehüllt in eine Fach weltweit gefragt ist. Waltraud Meier ist nach wie „Klangaura“ von unerhörter Raffinesse, wiederholt. vor eine bühnenbeherrschende Kundry, Thomas Moser Seine mystische Wirkung wird verstärkt durch seine ein vorwiegend lyrischer Parsifal; etwas rauh tönte schwebende,ungreifbare Rhythmik und seine raffinierte diesmal der Klingsor von Wolfgang Bankl. Knappen, Koloristik– Wagners Kunst der Klangmischung erlebt Blumenmädchen und der Chor sangen ohne Fehl und hier ihre letzte Höhe.n. Tadel; den bedauernswerten Kindern der Opernschule griffen diesmal ein paar erwachsene Sängerinnen Im bewussten Gegensatz dazu präsentieren sich die dezent unter die Arme. beiden anderen Themenkomplexe gewissermaßen ghjk „monochrom“ in beinahe Brucknerisch anmutender Konfrontation von reinen Blech–– , Holz und Streicherfarben. Das Gralsmotiv hat Wagner selbst einmal mit der Hoffnung assoziiert, das Glaubensmotiv WISSENSWERTES erklingt im Drama (wie sein Name sagt) zu den Worten: „Der Glaube lebt“. Damit sind die drei Kardinaltugenden DAS VORSPIEL ZUM BÜHNENWEIHFESTSPIEL Glaube, Hoffnung und Liebe exponiert, nur im Sinne des „PARSIFAL“,WWV 111 Korintherbriefes umgereiht: „Aber die Liebe ist die Größte unter ihnen...“. Hand in Hand mit der Entwicklungsgeschichte von Richard Wagners Musikdramen geht die Geschichte ihrer Plötzlich kippt die Stimmung ins Düstere, Unheinliche: Ouvertüren und Vorspiele. „Rienzi“, „Der fliegende Eine knappe Durchführung des Abendmahlmotives Holländer“ und Tannhäuser“, explizit als Opern wandelt sich unmerklich in eine Vorwegnahme der bezeichnet, besitzen noch regelrechte Ouvertüren vom schmerzlichen Amfortasklage, ehe die Musik wie romantischen Typus, wie ihn Carl Maria von Weber in besänftigend zur Thematik des Beginns zurückkehrt. seinem „Freischütz“ geprägt hatte: Dem Kampf der Der Aufstieg der ersten Geigen in höchste, ätherische Prinzipien im Bühnengeschehen entspricht die Höhen über dem unaufgelösten Dominantseptakkord auskomponierte Dialektik der Themen in der Musik. von As-Dur wirkt dann beim Aufgehen des Vorhangs „Lohengin“ wird bereits von einem „Vorspiel“ eröffnet, (nach einem schönen Wort von Theodor Adorno) „wie ins das aus einem einzigen motivischen Kern entwickelt ist. Unendliche fragend.“ Um Cosima, so wie er es einst in Im „Ring des Nibelungen“ verschwindet dann das Triebschenmit dem Siegfried– Idyll getan hatte, am 25. Vorspiel gänzlich im Sog der Handlung und nimmt nur Dezember 1878 mit einem Geburtstagsständchen 2 (diesmal in der Halle von Villa Wahnfried) zu überraschen, Ausführungen der Historikerin, die uns interessante hat Wagner dem Vorspiel einen Konzertschluss angefügt, Einblicke in ihre oft mühsamen Recherchen für ihr Buch der noch einmal das Gralsmotiv wiederholt. “Winifred Wagneroder Hitlers Bayreuth” bot. Zu beantworten bleibt noch die Frage nach Wagners Ursprünglich von Wolfgang Wagner gebeten, den musikalischen Quellen. Wie wohl allgemein bekannt ist, Festvortrag zum 100.Geburtstag seiner Mutter Winifred entspricht das Gralsmotiv dem sogenannten „Dresdner im Jahr 1997 zu halten, lehnte sie dies zunächst ab. Zu Amen“, das schon Felix Mendelsohn Bartholdy 1832 in negativ war das Bild, das sie – nicht zuletzt durch H. J. seiner „Reformations-Symphonie“ zitiert hatte: Ein zur Syberbergs Film – von Winifred Wagner hatte. Erst evangelischen Liturgie gehöriger Antwortgesang des später, auf der Suche nach einem Thema, das im Volkes, als dessen Urheber (oder doch Bearbeiter) man Anschluss an ihr Buch “HITLERS WIEN” den weiteren den kursächsischen Kapelldirektor Johann Gottlieb Aufstieg Hitlers in Deutschland beschreiben konnte, Naumann (1741– 1801) vermutet hat. Mehrfach wurde geriet Brigitte Hamann an den Themenkreis Bayreuth auch schon darauf hingewiesen, dass das einleitende und die Wagners. Überaus lebendig vermittelte die Abendmahl– Thema seine Wurzeln im gregorianischen Autorin ihre akribische Archivarbeit in Wien, in Berlin und Choral haben dürfte. Kaum jemals wurde jedoch das anderen Orten, sowie ihre Kontaktaufnahme mit konkrete Vorbild benannt: Es ist ganz offensichtlich die privaten Leihgebern, die besonders ergiebig wurde. marianische Antiphon „Alma redemptoris mater“ des Zumal sich Winifred Wagner als eifrige und offenherzige vielseitig begabten Benediktinermönchs Hermannus Briefschreiberin herausstellte. Contractus (1013 – 1054) aus dem Kloster Reichenau Die “pointierte Familienkonstellation” im Hause Wagner bei Konstanz. Die melodischen Parallelen– der Aufstieg bestätigte sich dann auch nach Fertigstellung des über den Dreiklang zur Oktav, das folgende Buches.
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