SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 22. 04. 1969 [81] 22. April 1969: Fraktionssitzung AdsD, SPD-BT-Fraktion 5. WP, 125 Überschrift: »Protokoll der Fraktionssitzung am 22. April 1969«. Dauer: 16.15– 19.40 Uhr. Anwesend: 156. Vorsitz: Schmidt. Bundesregierung: Eppler, Leber, Schmid, Wehner. PStS: Jahn. [Ass.: Jansen.] Protokoll: Glückert. Datum der Niederschrift: nicht bekannt. Sitzungsverlauf: A. Bericht über das Koalitionsgespräch (BE: Helmut Schmidt) B. Informationen C. Vorbereitung der Plenarsitzungen a) Stand der Finanzreform (BE: Möller) b) Deutschlandpolitik (BE: Franke) d) Sonstige TO-Punkte und Ablauf der Plenarsitzungen (BE: Frehsee) D. Sonstiges a) Nigeria – Biafra b) Umbau Plenarsaal Zu Beginn begrüßt Helmut Schmidt Hans-Jürgen Junghans und Heinz Pöhler, die beide nach längerer Krankheit zum ersten Mal wieder in Bonn sind. Außerdem teilt Helmut Schmidt mit, daß er im Namen der Fraktion Hein Hamacher zum 70. und Werner Kunze zum 60. Geburtstag gratuliert habe. Unter dem Beifall der Frak- tion gratuliert Helmut Schmidt schließlich Hilde Schimschok zu ihrem heutigen Ge- burtstag. Sodann wird die vorgelegte Tagesordnung (siehe Anlage 1)1 beschlossen. Punkt 1 der TO: Bericht über das Koalitionsgespräch Helmut Schmidt gibt einen ausführlichen Bericht über das siebenstündige Koalitions- gespräch, das Alex Möller und er mit Dr. Barzel und Stücklen geführt habe.2 Dabei seien über einige Gesetzgebungsvorhaben Einigung erzielt worden, über andere dage- gen nicht. Alex Möller und er hätten den Eindruck gehabt, daß bei der CDU/CSU kein Interesse an einer Verabschiedung des Städtebauförderungsgesetzes bestehe.3 Um die Verantwortlichkeit für ein evtl. Scheitern dieses Entwurfs eindeutig klarzustellen, seien große Anstrengungen der SPD-Fraktion erforderlich. Erfreulicherweise hätten sich 1 TO liegt dem Protokoll bei. Nicht behandelt wurden »Nächste Termine« (Di., 6. Mai, 9.30 Uhr Vorstand, 16.00 Uhr Fraktion) und »Verschiedenes«. 2 Das Gespräch hatte am 31. März stattgefunden, Beschlüsse wurden nicht gefaßt. Vgl. INFORMATIO- NEN, Nr. 204 vom 14. April 1969. Vgl. dazu auch die Darstellung Barzels in der Fraktionssitzung von CDU und CSU am 22. April 1969, in: CDU/CSU-BUNDESTAGSFRAKTION 1966–1969, Dok. 102. 3 Barzel führte dazu in der Fraktionssitzung von CDU und CSU aus: »Das ist eine wichtige Gesetzge- bung, die wir wünschen. Sie ist aber so kompliziert, daß sie unmöglich in ein paar Wochen und Mo- naten gemacht werden kann. … Und wer die Gemeindefinanzreform will und sieht, was in den Aus- schüssen ist, der kann nicht zugleich noch diese Sache wollen. Wir wollen sie weiter beraten, und zwar so weit, wie wir kommen, aber hier nichts einfach übers Knie brechen.« Ebd. Copyright © 2016 KGParl Berlin 1 SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 22. 04. 1969 Kurt Gscheidle und Karl Wienand bereit erklärt, zur Unterstützung der Arbeiten in den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen ein- zutreten. Die Finanzreform sei inzwischen durch den erfreulichen Beschluß des Vermittlungsaus- 4 schusses vom 21. 4. 1969 in ein neues Stadium getreten. Das Problem bestehe nunmehr darin, die erforderlichen einfachen Gesetze zu verabschieden. Nach dem Koalitionsge- spräch habe er den Eindruck, daß die CDU/CSU in dieser Frage mitziehen werde. Das steuerliche Umwandlungsgesetz5 und das Publizitätsgesetz6 befinde sich zwischen beiden Fraktionen noch in Diskussion; in beiden Fällen sei eine ausreichende Überein- stimmung noch nicht erzielt worden. Um diese Übereinstimmung zu erreichen, werde eine Kommission eingesetzt, die aus den Herren Wilhelmi, Pohle und Brand von der CDU und Reischl, Ravens und Kurlbaum von der SPD bestehe. Was die Mitbestimmungsgesetze betreffe, so sei ganz eindeutig, daß die CDU/CSU kei- nerlei Absicht zur Verabschiedung auch nur eines Gesetzes habe; die CDU/CSU sei auch nicht bereit, eine Begrenzung der Aufsichtsratsvergütungen zu akzeptieren. Um auch hier die Dinge eindeutig klarzustellen, müssen die SPD-Mitglieder des Arbeitsaus- schusses eine Aufsetzung der Entwürfe auf die Tagesordnung beantragen. Helmut Schmidt fügt hinzu, daß für die SPD ein Handel »Zweites Mitbestimmungssicherungs- gesetz gegen Minderheitsschutz im Betriebsverfassungsgesetz« nicht in Frage kommen könne. Über die Frage der Lohnfortzahlung habe es keine große Diskussion gegeben, jedoch scheine eine Einigung hier möglich. Der Fraktionsvorstand sei der Auffassung, daß zunächst versucht werden müsse, im Ausschuß für Arbeit eine sehr weitgehende Über- einstimmung zu erreichen. Außer den genannten besonders wichtigen oder besonders kritischen Gesetzentwürfen gebe es 23 weitere Entwürfe. Hier bestünden keine ernsthaften Gefahren, vielmehr habe das Koalitionsgespräch ergeben, daß die CDU/CSU möglichst viele Entwürfe verab- schieden wolle. Im Koalitionsgespräch sei keine Diskussion geführt worden über folgende Streitfragen: Nichtweiterverbreitungsvertrag, NPD-Verbot, Verjährung. Da diese Fragen morgen im Kabinett behandelt würden, sei man sich darüber einig gewesen, zunächst dem Kabinett den Vortritt zu lassen. Was die Strafrechtsreform betreffe, so werde es aller Voraussicht nach Widerstände der CSU gegen bestimmte Streichungen im Bereich der Sittlichkeitsdelikte geben. Dieser Widerstand werde aller Voraussicht nach jedoch nicht gefährlich sein. In der darauffolgenden Aussprache fragt Gerhard Koch nach Einspruchsmöglichkeiten des Bundeswirtschaftsministeriums gegen die Entstehung marktbeherrschender Unter- nehmen (im Rahmen des Umwandlungssteuergesetzes). Georg Kurlbaum entgegnet, daß der Wirtschaftsausschuß entsprechende SPD-Vorschläge abgelehnt habe.7 Helmut Schmidt weist darauf hin, daß im Regierungsentwurf derartige Einspruchsmöglichkei- ten nicht enthalten gewesen seien. 4 In seiner 13. Sitzung hatte sich der Vermittlungsausschuß auf einen Kompromiß für die Verteilung der Steuereinnahmen auf die Bundesländer geeinigt, vgl. »Die Finanzreform doch noch gerettet«, FAZ vom 22. April 1969. 5 Vgl. SPD-Fraktionssitzung am 22. Oktober 1968, Anm. 3. 6 Ebd. 7 Vgl. die Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen am 12. Dezember 1968, PA 3108 A 5/15 – Prot. 102. Copyright © 2016 KGParl Berlin 2 SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 22. 04. 1969 Auf einen entsprechenden Vorschlag von Hans Geiger bekräftigt Helmut Schmidt nochmals seine Auffassung, daß die Mitbestimmungsgesetze im Arbeitsausschuß unbe- dingt auf die Tagesordnung gesetzt werden müssen. Franz Neumann (Berlin) bringt – im Hinblick auf die bevorstehende Abstimmung über den Vorschlag des Vermittlungsausschusses über die Finanzreform – die Frage der Stimmberechtigung der Berliner Abgeordneten nochmals zur Sprache. Helmut Schmidt und Erwin Schoettle stellen fest, daß die Frage der Zählung der Berliner Stimmen nochmals zwischen den Präsidenten und im Ältestenrat besprochen werden muß. Martin Schmidt (Gellersen) fragt nach dem Altershilfegesetz für Landwirte,8 das die CDU/CSU unbedingt verabschieden wolle. Alex Möller und Helmut Schmidt bemer- ken, daß bislang noch keine genauen Unterlagen über die finanziellen Auswirkungen dieses Gesetzes vorliegen, daß unsere Fraktion den Gesetzentwurf jedoch jedenfalls nicht prinzipiell ablehne. Punkt 2 der TO: Informationen Auf eine Frage von Horst Schmidt (Offenbach) teilt Gerhard Jahn mit, daß in Kürze auch der letzte, bislang noch nicht begnadigte Süd-Koreaner in der Bundesrepublik zurückerwartet werde.9 Das sei so verabredet gewesen. Auf Frage von Hans Apel erläutert Georg Leber den augenblicklichen Stand der Überle- gungen über Fahrverbote für Lkws an Wochenenden. Es sei wahrscheinlich unmöglich, mit dem Gewerbe zu einer völligen Einigung zu kommen, jedoch ließen sich gewisse Mindestforderungen der Unternehmer berücksichtigen. So sei daran gedacht, in der Hauptreisezeit bereits freitags von 15.00 bis 22.00 Uhr die Autobahn für Lkws zu sperren, die Sperre jedoch nur bis Sonntag 22.00 Uhr (statt bis Montag) andauern zu lassen. Auf Frage von Konrad Porzner teilt Gerhard Jahn mit, daß die Reise des ehemaligen Bundeskanzlers Erhard nach Süd-Amerika10 eine private Reise sei, die nicht vom Aus- wärtigen Amt finanziert werde. Punkt 3 der TO: Stand der Finanzreform Alex Möller gibt einen ausführlichen Bericht über die gestrigen Verhandlungen im Vermittlungsausschuß. Nach der nunmehr gefundenen Einigung werde eine zwingende Bestimmung in die Verfassung aufgenommen, wonach ein sog. »Zerlegungsgesetz« ergehen müsse. Mit diesem Zerlegungsgesetz würden die Gewinne einzelner Länder aus der Körperschaftsteuer auf alle Länder aufgeteilt. Außerdem werde nunmehr in Artikel 107 Abs. 2 Grundgesetz nicht mehr von finanzstarken bzw. finanzschwachen Ländern, sondern nur noch von ausgleichsberechtigten und ausgleichspflichtigen Ländern gere- det. Die Länder hätten sich bereit erklärt, das Länderfinanzausgleichsgesetz am 30. Mai im Bundesrat zu verabschieden.11 Bei den Abstimmungen im Vermittlungsausschuß hätten CDU/CSU und SPD ge- schlossen für den Vorschlag gestimmt, drei finanzstarke Länder hätten mit nein ge- stimmt, jedoch später erklärt, sie würden im Bundesrat dem Vorschlag zustimmen. 8 Regierungsentwurf eines 4. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershil- fe für Landwirte, BT ANL. 128, Drs. V/3970 und zu Drs. V/3970. 9 Vgl. AdG 1969, S. 14449. 10 Erhard besuchte auf Einladung privatwirtschaftlicher Vereinigungen vom 8. April bis 4. Mai 1969 Brasilien, Paraguay, Argentinien und Chile. 11 Der Bundesrat verabschiedete den Entwurf eines »Gesetzes über die Verteilung der Steuern und den Finanzausgleich unter den Ländern vom Rechnungsjahr 1970
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