Rassisch Wertvollsten Leistungsschichten". Die „Aufs Land" Gerichteten Aktivitäten Der HJ 8

Rassisch Wertvollsten Leistungsschichten". Die „Aufs Land" Gerichteten Aktivitäten Der HJ 8

8. Mobilisierung der „rassisch wertvollsten Leistungsschichten". Die „aufs Land" gerichteten Aktivitäten der HJ „Die zielbewußte Stärkung und Mehrung des Bauerntums als Bluts- und Lebensquell des deutschen Volkes ist zur Wiedergesundung Deutschlands auf der Grundlage seines Bauerntums, zur Sicherung seiner Nahrungsfreiheit und zur Verwurzelung seiner bäuerlichen Bevölkerung mit der Scholle eine unabweisbare Notwendigkeit."1 8.1 Zwischen Erzeugungsschlachten und Lebensmittelrationierung. Die Rahmenbe- dingungen der agrarpolitischen Maßnahmen der HJ Abgesehen vom HJ-Landdienst blieb die Beschäftigung der Reichsjugendführung mit - im wei- testen Sinne - landwirtschaftlichen Problemen, mit Aspekten der Agrarpolitik und der Ernährungs- wirtschaft sowie mit der Situation der Jugend auf dem Lande trotz aller gegenteiligen Verlaut- barungen und ungeachtet entsprechender Bemühungen bis etwa 1937/38 eher ein Nebenzweig der Tätigkeit der HJ-Zentrale. Erst danach entwickelte sich die „Arbeit aufs Land" zu einem eigen- ständigen und gewichtigen Gebiet der HJ-Arbeit. Dabei müssen bei den „aufs Land" gerichteten Aktivitäten der HJ-Führung hauptsächlich drei verschiedene Aktionsbereiche unterschieden wer- den: Neben der „Arbeit an der bäuerlichen Jugend", also der Beschäftigung mit der Landjugend als spezifischer sozialer Gruppe, stand die Organisation von sporadischen, kampagneartigen Hilfs- maßnahmen für die deutsche Landwirtschaft im Zentrum der 'agrarischen' Bemühungen der Reichsjugendführung, Maßnahmen, die von der „Erntehilfe" über die „Erntenothilfe" bis zum „Kriegseinsatz der Jugend zur Sicherung der Ernährung des deutschen Volkes" reichten; als dritte Komponente agrarpolitischen Engagements der HJ-Zentrale, der zunächst vor allem arbeitsmarkt- politische Intentionen zugrunde lagen, lassen sich die weiter unten dargelegten Formen institu- tionalisierter Maßnahmen des 'Einbaus' von Jugendlichen in die deutsche Land- und Ernährungs- wirtschaft ausmachen - etwa der Arbeitsdienst auf dem Lande, die Landhilfe, das Landjahr, die Mädelumschulungslager oder das Hauswirtschaftliche Jahr -, mit denen jedoch - vor allem im Kriege - Vorstellungen verknüpft waren, die weit über agrarpolitische und ernährungswirtschaftli- che Aspekte hinausreichten. Als wichtigster Teilbereich und als Sonderform der agrarpolitischen Maßnahmen kam der HJ-Landdienst hinzu, dessen Implikationen weit über den landwirtschaftli- chen Sektor hinausreichten und der mit nahezu allen zentralen Bestandteilen nationalsozialisti- scher Gesellschaftspolitik verbunden war. Allen auf ländlich-agrarische Strukturen gerichteten Aktivitäten der HJ-Führung lagen - in zeit- lich und inhaltlich unterschiedlichen Gewichtungen - zwei Hauptaspekte zugrunde, die auch die Agrarpolitik des Dritten Reiches insgesamt bestimmten: die Behebung des sich zunehmend drama- tisch gestaltenden Arbeitskräfteproblems in der Landwirtschaft und - unter den Stichworten der Nahrungsfreiheit und der Ernährungsautarkie - die ausreichende Versorgung der deutschen Bevöl- kerung mit Nahrungsmitteln. Hinzu traten begleitende Faktoren: in der Anfangszeit des Regimes etwa Bestrebungen, die die Regelung des gesamten, noch von Arbeitslosigkeit beeinflußten Ar- beitsmarktes betrafen, und ab Kriegsbeginn vermengten sich agrarpolitische Bestrebungen mit Faktoren der Ostsiedlungs-, mit der Rassen- und Besatzungspolitik in den eroberten und besetzten Gebieten. Das heißt, daß die beiden zunächst ökonomisch determinierten Hauptaspekte der na- tionalsozialistischen Landwirtschaftspolitik - Arbeitskräftebeschaffung und agrarische Autarkie - von Begin an und bis 1941/42 weiter zunehmend durch ideologische, an „Blut und Boden" orien- tierte Argumentationen überlagert wurden, in denen der „Bauernstand" oder das „Bauerntum" als wiederherzustellender Ur- und Idealzustand und als eigentliche völkisch-ökonomische Lebens- grundlage der Deutschen erschienen2; darüber hinaus wurden diese wirtschaftlichen, weltanschau- 1 Aus einem Erlaß des RMEL, 1.6.1935; hier zitiert nach Hopp, Deutsches Bauernrecht, S. 42. 2 Richard Walther Darre hatte in einer Rede vor der Akademie für Deutsches Recht am 27.2.1935, also lange nach dem Erscheinen seiner beiden, die NS-Landwirtschaftspolitik bis in die 40er Jahre maßgeblich bestimmenden Werke (Das 651 Mobilisierung der „rassisch wertvollsten Leistungsschichten" lieh überformten und sozialpolitisch durchdrungenen Hauptaspekte deutscher Landwirtschafts- politik vor allem im Kriege durch wehr- und volkstumspolitische, okkupationssichernde Maßnah- men der deutschen Ostkolonisation ergänzt. Die Projekte der Ansiedlung von Wehrbauern im Osten, bei denen dem HJ-Landdienst eine entscheidende Rolle zugedacht war, stellten die idealtypische Verknüpfung wesentlicher Facetten der deutschen Ernährungswirtschaft, der nationalsozialistischen Okkupations- und der völkischen Rassenpolitik dar; hier verwoben sich ökonomische und militärische Aspekte mit Maßnahmen zur Arbeitskräftelenkung und zur Gestaltung von Besatzungspolitik, hier verbanden sich schlichter Raub und Mord mit zunächst großdeutsch, später 'europäisch' kaschierter Großraumwirtschafts- politik, umsiedlungs- und volkstumspolitische Maßnahmen mit Bestrebungen zur Auffüllung der deutschen „Fettlücke" und anderer Fehlstellen. In der neueren Forschung ist sogar zugespitzt kon- statiert worden, daß „die Nationalsozialisten den Zweiten Weltkrieg als Ernährungskrieg geführt" haben, und zwar nicht aus Notwehr, sondern aus einer kühl kalkulierten Planung „zur Durchsetzung eines machthungrigen Größenwahns und rassenideologischer 'Neuordnungs'-Pläne". Bei der Pla- nung des Krieges gegen die Sowjetunion gingen die deutschen Verantwortlichen direkt davon aus, daß das durch sie praktizierte Besatzungsregime „die größte Hungerkatastrophe seit dem Dreißigjäh- rigen Krieg" zur Folge haben und der als Kriegswaffe eingesetzte Hunger - die Kehrseite jeder „po- sitiven" Ernährungspolitik - Platz schaffen werde für die künftigen „germanischen Wehrbauern". Das Stichwort Ernährung stand im Zweiten Weltkrieg direkt im Zentrum der NS-Ideologie und der Herrschafitspraxis des Dritten Reiches. Dabei ging es zum einen um die mit Autarkiebestrebun- gen verbundene, auch stimmungsmäßig wichtige ausreichende Versorgung des eigenen 'Herrenvol- kes' mit Nahrungsmitteln; zum anderen aber - und dies stellte die komplementäre Kehrseite des 'positiven' Versorgungsaspektes dar - entwickelte sich die NS-Landwirtschafts- und -Ernährungs- politik des Dritten Reiches „in einem besonderen Maße [zur] Antriebskraft und [zum] Instrument der Vernichtungspolitik". Zum Teil gegen die Einsprüche von NS-Ideologen, zum Teil in logi- scher Konsequenz der NS-Ideologie, haben die Nationalsozialisten „den Zweiten Weltkrieg als Ernährungskrieg gefuhrt", und zwar keinesfalls nur als „Notwehr gegenüber der alliierten Blocka- de, sondern auch als Instrument zur Durchsetzung eines machthungrigen Größenwahns und rasse- nideologischer 'Neuordnungs'-Pläne". In diesem Kontext stellte die Ernährungspolitik besonders während des Kriegs eben „keinen beliebigen Teilbereich der Kriegswirtschaft" dar, sondern bilde- te vielmehr den „Schlüssel für das Verständnis der Hitlerschen Außenpolitik und Kriegführung, für die Gestaltung der Innenpolitik und [der] Propaganda im Sinne einer Stabilisierung der 'Heimat- front'". Bei der Annexion der eroberten Staaten und Völker wurde - besonders im Osten - bewußt der Hungertod von Millionen Menschen einkalkuliert und absichtsvoll eine der größten Hungerka- tastrophen des 20. Jahrhunderts herbeigeführt, zum einen durch den Raub landwirtschaftlicher Güter fur die Deutschen und zum anderen als Mittel einer „rassischen Flurbereinigung". Hitler entschied trotz einer Reihe von „Vernunftargumenten", daß die „Ernährungsbedürfnisse von Wehrmacht und Heimat zu Lasten der besetzten Gebiete gedeckt werden [mußten], koste es, was es wolle".3 Die HJ war in einem spezifischen Bereich ihrer „aufs Land" gerichteten Arbeit an der Bauerntum als Lebensquell der nordischen Rasse, 1928; Neuadel aus Blut und Boden, 1930) und nach Inkrafttreten der wichtigsten Bestimmungen der NS-Agrargesetzgebung die beiden Bereiche der deutschen Agrarpolitik noch einmal deutlich umrissen, wobei auch hier ein Übergewicht der „blutsmäßigen", auf „die Rasse" gerichteten Komponenten auffallt, während die „bodenständige Wirtschaft" und ein „bauernbejahendes Bodenrecht" eher die randständigen profan-ökonomischen Faktoren des NS-Agrarsystems darstellten. Gerade diese Schwerpunktsetzung war es, die eine tatsächliche Modernisierung der deutschen Landwirtschaft und damit verbundene Leistungssteigerungen verhinderte und zu Darres Ablösung führte: „In der nationalsozialistischen Agrarpolitik geht es nicht nur um die Ernährungswirt- schaft, sondern zugleich um die Erhaltung des Bauerntums als Blutquelle des Volkes. Und dieser letzte Umstand ist doch sehr entscheidend und grundlegend. Denn es ist damit erstmalig die Folgerung aus der Tatsache gezogen worden, daß in einem Staate germanischer Natur das Blut nur auf dem Lande ... sich erhält und vermehrt." Während „das Blut des Volkes auf seinen Bauernhöfen sozusagen quellenartig emporsprudelt", würde es „in der Stadt über kurz oder lang versiegen". Zitiert nach Corni/Gies, Blut und Boden, S. 90. 3 Müller, Die Konsequenzen der Volksgemeinschaft, S. 240 ff. Vgl. dazu auch Gerlach, Krieg, Ernährung, Völkermord, der den Sektor der Emährungswirtschaft als wichtigen Faktor und Bereich des forcierten Massenmordes an Juden und sowjeti- schen Kriegsgefangenen beschreibt. Vgl. auch Ders., Kalkulierte

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