Prometheus Und Epimetheus, Ein Gleichnis

Prometheus Und Epimetheus, Ein Gleichnis

^PITTELEK Rfiisraigi UND tir-v u^ CARL SPITTELER PROMETHEUSUND EPIMETHEUS EIN GLEICHNIS ELFTES BIS FÜNFZEHNTES TAUSEND VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS IN JENA 1920 'i Cm Alle Rechte, Insbesondere das der Übersetzung in fremde Spr*r chen (auch ins Ungarische) vorbehalten. Copyright 1920 by Eugen Diederichs Verlag in Jena VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE (1906) Ich gebe dieses mein Erstlingswerk genau so wieder, wie es einst vor einem Viertel:^ Jahrhundert erschien. (Erster Teil Weihnacht ten 1880, vordatiert 1881, zweiter Teil das Jahr darauf.) Das Buch wurde damals in Deutschland keiner Besprechung gewürdigt, so daß sein Dasein dem Publikum verborgen blieb. Es war nämlich nicht ratsam, jung zu sein unter den »Alten«, und es wurde einem nicht verziehen, von den »Idealisten«, ein Ide;: allst wahrhaft zu sein. Eine Tatsache, die ich der Literaturgeschichte zur Notiz empfehle. CARL SPITTELER ERSTER TEIL . EINLEITUNG war in seiner Jugendzeit — Gesundheit rötete ESsein Blut und täglich wuchsen seine Kräfte — Da sprach Prometheus Übermutes voll zu Epi« metheus seinem Freund und Bruder: »Auf! laß uns anders werden, als die Vielen, die da wim« mein in dem allgemeinen Haufen 1 Denn so wir nach gemeinem Beispiel richten unsem Brauch, so werden wir gemeinen Lohnes sein und wer* den nimmer spüren adeliges Glück und seelenvolle Schmerzen!« Und in dem Andern zündete das Wort, und also machten sie sich auf, und wo am stillsten war ein Tal, und wo am lauschigsten sich fügeten die Berge, da wählten sie ihr Heim und baueten ein Jeglicher sein Haus von hüben und von drüben an dem klaren Brunnen. Und allda lebten sie getrennt von allem Volk und gingen nicht zu opfern bei der Brüder Göttern, und gingen nicht zu Markte kaufen von den richtigen Begriffen, und wenn die Andern sangen, sangen sie nicht mit. — — Und legten einen Balken vor denWeg und sperreten mit Schloß und Riegel wohl das Tal und nahmen kein Gesetz und keine Sitte an, und war ihr einziges Gebot der eignen Seele Flüstern, wenn sie sinnend wandelten in Wald und Hain und an des Berges duft'gen blumigen Geländen. Und über alle dem, so ward besonders ihre Art und anders ihre Sprache, also daß sie sagten »r« wo Alle spra# chen »1«, und daß sie rücklings sich verneigten, wo die Andern sich bekreuzigten in ihres Herzens andachtvoller, staunender Verehrung. Und ward daraus ein gegenseit'ges Mißverhältnis hin und her, und es geschah, wenn ab und zu ein Zufall oder auch geselliges Verlangen sie verführte in der Brüder Kreis, so stockte allsofort das Spiel und wurde stumm das trau* liehe Gespräch — und fanden keinen Platz und paßten nirgends hin und waren allerorten fremde unwillkommne Gäste. — : Und Abends, wenn sie gleich den Andern auf der großen Straße sich erlabten an der sommerlichen Luft, da saßen vor dem Tor die Ältesten des Volks im Sonnenschein und flüsterten und sprachen Einer zu dem Andern mit Behagen: »Von wannen kommen Die? und nicht gemein ist ihre Art, jedoch es fehlt darin ein Etwas, das ich sehr ver# misse.« Und gleichgestimmten Muts ergänzete und sprach der Andre »Und auch ein Etwas ist darin zu viel, das mir mißfällt auf eine jede Weise.« Und Niemand, der nicht Anstoß nahm an ihrer Art, ein Jeglicher von einer andern Seite. ENTSCHEIDUNG über dem im zwölften Jahr, als schon zum UndWinter neigete der Herbst, da kam die Zeit, daß sich der Engel Gottes wähle Einen aus der Menschen Schar und setze ihn zum König über alles Land an seiner Stelle. Und drang ein dumpf Geräusch von dieser Nachricht in das Volk, und mit geheimnisvoller Miene teilt' es Jeder seinem Nächsten mit, und Der bezweifelt' es, bekämpfte es — und trug es zweifelnd weiter. Und während diese also ungewissen Geistes sich er# regeten und schon vor unbestimmter Ungeduld er# wachete das ganze Volk, nach Neuigkeit begierig. Da schritt der Engel Gottes eines Morgens aus der reich* verzierten Pforte seines Schlosses, zog geraden Weges zu des Himmels höchster Spitze, hinter ihm der Diener große Schar in ehrerbietigem Gefolge. Und als er über eine Zeit des langen Wandeins nun ge* kommen zu der luft'gen Warte, die da überragete das ganze Himmelreich, wo sich die kalten Winde heftig stritten, wo von Adlern, wo von Falken tönt' ein zorniges Geschrei und tief in wolkenhafter Ferne lagen all die Täler und die Berge rings umher, da trat der Engel ans Geländer, spähte oberflächlich in die Runde über all das unermeßs liehe Gebiet — und als er alles richtig wohl erfand, und nirgends eine Neuigkeit, davor sein Blick erstaunete, da wandt' er sich mit vorgefaßter Absicht nach der dunklen Seite, wo die Ewigkeit mit ihren schwarzen Schatten rührte an das luftumgrenzte lichtbestrahlte Dasein. Und schaute nach dem finstern Berge, wo die Tage aus dem ew'gen Grunde langsam, kleinen Schrittes Einer nach dem Andern klommen in die Höh, gebognen Knies, den Kopf geneigt, den Trägern gleich, wenn sie vom sommerlichen Tal zum schneebedeckten Gipfel führen des bequemen Städters umfangreiches, lastendes Gepäck — und keiner sang und keiner sprach ein Wort und auch nicht einer lachte aus der großen Schar, doch ab und zu geschah es, daß ein Einzelner sich tiefer beugte, mit den Händen sein Gesicht bedeckte, schluchzend, daß vor seines Atems heft'gen Stößen zuckten seine Schultern, sich erschütterte sein Rücken. Und also schlichen traurig sie des Wegs auf dem ge* krümmten Pfad, und wenn der Erste endlich nun ge# kommen auf des Berges Gipfel zu dem Walde, der sie trennte von der Erde Land, da hielt er eine Weile still und sträubte sich, dem Lamme gleich, das spüret Blutgeruch, und über dem, da zog er durch das Waldestor in düsterer Ergebung. Und dieses war das Schauspiel, das mit aufmerksamem Geist der Engel eine lange Zeit betrachtete, und nicht um* sonst und nicht von ungefähr und nicht wie Einer, der da schauet um Genuß, so daß im Anschaun sein Bewußt* sein ganz und gar enthalten. Doch mit bestimmtem Willen sah er hin und fragete und maß mit seinem Geist, berechnete, verglich mit den Ge# danken, was ein Blick ihm wiederbrachte aus der tiefen Ferne. Und eine lange Zeit verfolgt' er diesen Brauch, da wurde endlich sicher und entschlossen seine Art und über dem da rafft' er sich zusammen, wandte sich, gebot und sprach zu seinen Dienern, die da unbeweglich standen hinter ihm in ehrerbietiger Erwartung: »Zum Erdenlande ziehet hin und zu der Menschen Volk, auf daß von Dorf zu Dorf in meinem Namen Ihr ver# kündet dies Befehlen: »Ich habe bei mir selbst beschlossen, daß ich einen König wähle über Euch, damit auf Erden Einer wohne, der an meiner Statt das Gottesreich verwalte, also daß es nimmer Schaden leide in der Zeit, da mich Geschäfte rufen über Land, und daß er es beschütze, wenn der* einst vielleicht mich Krankheit überfällt und lähmt auf eine Weile meine Kraft und hemmet meinen Willen. Und drum, wenn siebenmal der Morgen wiederum er* schienen überm Tal, so sollt ihr insgesamt verlassen Euer Tagewerk, auf daß Ihr schmücket alles Land zu des Erwählten würdigem Empfang und rüstet ihm ein Fest zu seiner fröhlichen Begrüßung. Und vierzig Tage sollt Ihr üben diesen Brauch und über dem, da soll ein Jeder wiederum nach Hause ziehn und Buße tun und mit Gebet und Andacht waschen seine Seele sieben Tage lang, auf daß am achten Morgen ihr erscheinet auf der allgemeinen Wiese vor der Stadt, da ich Euch selbst aus meinem eignen Mund verkünden will den Auserwählten meines Urteils.« Und sprachs und eilends stürzten Jene auseinander, eifrig zu vollziehen den Befehl; — er selber aber weilte gerne länger auf der luft'gen Warte, schritt zur Seite nach der Stelle, wo aus weißem glänzenden Gestein ein wucht'ger Tisch errichtet stand, und allda, sitzend auf der breiten Bank, den Rücken stützend an die schwere Tafel, schaut' er mit gelass'nem Wesen unter dem Geländer abwärts in die Tiefe nach dem grün und blauen Gau und nach dem wolkigen Gebirg und nach den Adlern, nach den Falken, die den Fels umschrien in ihrem aufgeregten Mute. Und also, wie der Gott befohlen, so geschah's, und als der achteTagerschien,da HeßdasVolk dahinten seine Sorgen, eilete zu Haufund schmückete mit Kränzen und mit bunten Wimpeln so die Stadt als all die Täler und die Berge und den ganzen flachen Gau, und ward ein reges Leben und ein fröhliches Getümmel überall und Alt und Jung und Mann und Weib wetteiferten in munterer willkommner farb'ger Arbeit. Und also taten sie die lange Zeit, bis vierzigmal die Sonne sich versenkte hinterm hohen Wald, und über dem da zogen sie nach Haus, auf daß sie nunmehr rüsteten den eignen Geist und machten sich zurecht in andachtsvoller, heiliger Erbauung. ! ''nd jetzt erschienen sieben ernste Tage überm Land, u;„^ da ward kein Laut gehört und auch kein Lüftchen regte sich im Raum, und ruhig stieg vom Berg der Rauch empor und in den niedern Gründen lagerte geheimnisvoll ein weicher duft'ger Nebel. Und an der sieben Tage Samstag war's, da wandelte Prometheus sinnend auf und nieder in dem Garten seines Hauses, blickte ruhend durch die Nebel, während unter seinen Schritten raschelten die welken Blätter. — Und schon, vom langen Herbst beraubt, war arm des Gartens Pracht, und spärhch hing an Busch und Baum das goldne Laub, und wen'ge dunkelrote Blumen schau* ten aus dem Nebelmeer hervor, — doch eine reiche ahnungsschwere Stille brütete ob alle dem, die ward ge* heiliget durch einer Amsel leises Zwitschern, wenn sie, träumend von des Sommers hingeschwundner Lust und Wonne, huschte durchs verlassene Gehölz — und schien ein jedes Leben ausgestorben rund umher, und nirgends tat sich eine Regung kund, als nur ein einz'ger Sonnen:: strahl, der spielte auf dem grünen Rasen, jagte um sich selbst mit kindlichem Gemüt, verschwand und kehrte wieder, schlüpfte durch den Zaun und zitterte am Blatt und haftete am Boden.

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