Bad Bederkesa – Geographie Und Geschichte Im Elbe-Weser-Dreieck

Bad Bederkesa – Geographie Und Geschichte Im Elbe-Weser-Dreieck

Bad Bederkesa – Geographie und Geschichte im Elbe-Weser-Dreieck Von Christoph Fichtner Nicht1 umsonst wird Bad Bederkesa als „Perle des Landkreises“, früher auch als „Perle Nordhannovers“, bezeichnet. Bei Urlaubern wie bei den Einheimischen gleichermaßen beliebt ist der Ort wegen seiner landschaftlichen Schönheit, verbunden mit einer nicht unbedeutenden kulturhistorischen Ausstattung. Die reizvolle Lage des Ortes resultiert aus dem Zusammenspiel von Marsch, Moor und Geest, also geographischen Erscheinun- gen aus geologisch sehr junger Zeit. 1.) Landschaftsgestaltung während des Eiszeitalters Die Oberflächenformen von Bad Bederkesa und seiner Umgebung sind im Wesentlichen während der geologischen Epoche des Pleistozäns, des Eiszeitalters, entstanden, die vor ca. 2 Mio. Jahren begann und vor etwa 10 000 Jahren endete.2 Dieses Pleistozän ist gekennzeichnet durch den Wechsel von Kaltzeiten, die um ca. 10° kälter als heute waren, mit Warmzeiten, die etwa heutige Temperaturen aufwiesen. Obwohl die neuere Forschung noch einige frühere Kaltzeiten nachgewiesen hat, werden für den norddeut- schen Raum herkömmlicherweise drei Kaltzeiten als maßgeblich betrachtet: die Elster-, Saale- und Weichselkaltzeit. Während die Weichselkaltzeit den niedersächsischen Raum nicht mehr erreichte, stießen die von Skandinavien kommenden Gletscher der Elster- und Saalekaltzeit bis ungefähr an den Nordrand der Mittelgebirge vor. Da die Saalekalt- zeit3 später erfolgte, haben deren Gletscher die Ablagerungen der Elsterkaltzeit überfah- ren und an der Oberfläche unsichtbar gemacht. So ist der Bederkesaer Raum wesentlich 1 Der vorliegende Aufsatz erschien ursprünglich 1998 unter dem Titel „Der Standort des Gymna- siums – Anmerkungen zu Geographie und Geschichte von Bad Bederkesa“ als Beitrag zur Fest- schrift „Niedersächsisches Internatsgymnasium Bad Bederkesa. 75 Jahre seit Gründung des Gym- nasiums, 70 Jahre seit dem ersten Abitur, 50 Jahre seit Wiedereröffnung“, herausgegeben vom Niedersächsischen Internatsgymnasium Bad Bederkesa. Er wurde für die vorliegende Veröffent- lichung maßvoll verändert und aktualisiert. 2 Zu den nordischen Vereisungen vgl. Herbert LIEDTKE, Die nordischen Vereisungen in Mitteleuro- pa, Trier 21981 (Forschungen zur deutschen Landeskunde Band 204). Allgemein zur Quartärgeo- logie vgl. Jürgen EHLERS, Allgemeine und historische Quartärgeologie, Stuttgart 1994. 3 Zur Saalekaltzeit vgl. Jürgen EHLERS, Quartärgeologie, S. 184-192 sowie ders., Gliederung der eiszeitlichen Ablagerungen in Norddeutschland, in: Herbert LIEDTKE (Hg.), Eiszeitforschung, Darm- stadt 1990, S. 159-172, hier S. 164-166. H. Chr. HÖFLE, Die Geologie des Elbe-Weser-Winkels, in: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern Bd. 29: Das Elb-Weser-Dreieck I. Einführende Aufsätze, Mainz 1976, S. 30-41, hier S. 36-38. 2 von den Ablagerungen der Saalekaltzeit geprägt, die von 235 000 bis 125 000 vor heute dauerte. Da die Kaltzeit nicht als ein einziger Eisvorstoß anzusehen ist, sondern mehrere Gletschervorstöße beinhaltete, wird sie in mehrere Stadien eingeteilt, deren weitester in der älteren Saalekaltzeit mit dem Namen Drenthe I bis zum Mittelgebirgsrand reichte. In einem jüngeren Stadium (Drenthe II) gelangten die Gletscher dann lediglich bis in den Raum des Elbe-Weser-Dreiecks und lagerten die Altenwalder und die Lamstedter End- moränen ab. Diese Endmoränen bestehen aus dem Material, das der Gletscher vor sich Karte 1: Saalezeitliche Endmoränen im Elbe- Weser-Gebiet 3 hergeschoben hat, und kennzeichnen somit Eisrandlagen. Sie besitzen im Vergleich zu den Grundmoränen, die aus dem in den Gletscher aufgenommenen und nach dem Abschmelzen abgelagerten Material bestehen, eine größere Höhe, die in Bad Bederkesa, dessen Höhenzug der Altenwalder Endmoräne zuzuordnen ist, etwa 30 Meter beträgt K a l t z e i t W a r m z e i t S t a d i e n R e l i e f Holozän - Meerestransgression, (Nacheiszeit) unterbrochen von ge- legentlichen Stillständen - Marschbildung - Moorbildung am Geest- rand Weichsel-Kaltzeit Nivellierung des Reliefs (113 000-10 000 durch Periglazialbedingun- vor heute) gen Eem-Warmzeit (125 000-113 000 vor heute) Saale-Kaltzeit Warthe- (235 000-125 000 Stadium vor heute) Drenthe II- - Lamstedter Endmoräne Stadium - Altenwalder Endmoräne (mit Bad Bederkesa) Drenthe I- weitester Gletschervor- Stadium stoß (bis zu den Mittel- gebirgen) Holstein-Warmzeit (250 000-235 000 vor heute) Elster-Kaltzeit Gletscher bis zu den (350 000-250 000 Mittelgebirgen vor heute) 4 und u.a. für den landschaftlichen Reiz verantwortlich ist. Aber auch innerhalb eines Sta- diums gab es mehrere Eisvorstöße, was die gleichzeitige Zugehörigkeit der Lamstedter und der Altenwalter Eisrandlage zum Drenthe II-Stadium erklärt, wobei letztere älteren Datums ist. Der jüngere Abschnitt der Saalekaltzeit wird als Warthestadium bezeichnet. Er betraf Bad Bederkesa nur noch indirekt, da er unseren Raum nicht mehr erreichte, jedoch für die langsam beginnende Einebnung des im Drenthe II-Stadiums geschaffenen Reliefs verantwortlich ist. Dieses Relief muss man sich etwa so bewegt vorstellen wie die heutigen Jungmoränenlandschaften in Schleswig-Holstein oder Mecklenburg, die später, nämlich während der Weichselkaltzeit, entstanden sind. Während des Warthe- stadiums und während der Weichselkaltzeit herrschten in unserem Raum Periglazial- bedingungen, bei denen durch Wasser und Wind sowie durch den Wechsel von Frieren und Auftauen und das dadurch erfolgte Bodenfließen (Solifluktion) – ähnlich den heuti- gen Tundragebieten – die Höhen abgetragen und die Hohlformen aufgefüllt wurden, das Relief also teilweise eingeebnet wurde. Dieses aus der Saalekaltzeit stammende und später wieder nivellierte Altmoränengebiet wird in Norddeutschland als „Geest“ be- zeichnet. 2.) Landschaftsgestaltung während der Nacheiszeit Das Ende der Weichselkaltzeit vor ca. 10 000 Jahren markiert auch das Ende des Pleisto- zäns und damit den Beginn der geologischen Jetztzeit, des Holozäns. Diese Zeit war zunächst charakterisiert durch den Anstieg des Meeresspiegels infolge des Abschmel- zens der riesigen Eismassen. Dieser Anstieg erfolgte allerdings nicht kontinuierlich, sondern im Wechsel von Transgression (Vordringen), Stillstand und gelegentlich sogar Regression (Rückzug) des Meeres. Insgesamt stieg der Meeresspiegel um ca. 100 Meter an, so dass das während der Eiszeit weitgehend trockenliegende Nordseegebiet über- flutet wurde, und das Meer zeitweise während seiner größten Ausdehnung bis zum Geestrand reichte, also weiter als heute. Dieser Vorgang, der sich prinzipiell auch schon während der vorangegangenen Warmzeiten (Holstein und Eem) abgespielt hatte, führte zu einer Aufschlickung der jeweiligen Küstenbereiche durch marine Sedimentation. Die auslaufenden Wellen verlieren an Geschwindigkeit und lagern somit feines Material ab. Mittels Radiokarbonbestimmungen und Pollenanalysen errechnete man, dass die Nord- see um ca. 4200 v. Chr. das Elbe-Weser-Gebiet erreicht hat und bis 3200 v. Chr. bis zum Südrand der Hadelner Bucht gelangte und marine Tone im Bereich des Bederkesaer Sees, also am Rande der Geest, absetzte.4 Nach und nach wurden die Gebiete der 4 Vgl. Karl-Ernst BEHRE, Kleine historische Landeskunde des Elbe-Weser-Raumes, in: Hans-Eckhard DANNENBERG, Heinz-Joachim SCHULZE (Hg.), Geschichte des Landes zwischen Elbe und Weser, Band 5 heutigen Marschen aufgeschlickt, und mit zunehmender Höhe erfolgte nicht mehr die regelmäßige Überflutung des Watts durch den Tidenhub, sondern nur noch eine ge- legentliche während besonders hoher Wasserstände. Langsam entstanden die heutigen Marschgebiete Land Wursten und Land Hadeln. Letzteres reicht bis nahe an Bad Beder- kesa heran, genau bis Steinau, wo mit 0,5 Meter unter dem Meeresspiegel auch die tiefsten Teile dieses Marschgebietes liegen. Diesem besonders tief gelegenen Teil der Marsch, dem Sietland, schließt sich meerwärts, beginnend etwa bei der Linie Neuhaus – Neuenkirchen – Altenwalde5 das Hochland an. Die Höhendifferenz beträgt ca. 2 Meter und ist dadurch zu erklären, dass bei der Sedimentation zunächst die gröberen, weiter landeinwärts dann auch die feineren Sedimente abgelagert wurden. Zudem war die Menge des Ablagerungsmaterials im Sietland geringer. Bild 1: Bederkesaer See (2006) I: Vor- und Frühgeschichte (Schriftenreihe des Landschaftsverbandes der ehemaligen Herzog- tümer Bremen und Verden Bd. 7), Stade 1995, S. 13. 5 Vgl. Christian MÜLLER-HEYNE, Staatlich gelenkte Maßnahmen zur Erschließung und Entwicklung der ländlichen Kulturlandschaft (Mitteilungen der geographischen Gesellschaft in Hamburg Bd. 83), Hamburg, Stuttgart 1993, S. 14. 6 Da das Sietland somit kaum auf natürliche Weise entwässert werden konnte, vielmehr sich dort die aus der Geest ablaufenden Niederschläge sammelten, bildeten sich an den tiefsten Stellen Seen. Mit dem Balksee, dem Flögelner und dem Bederkesaer See ist das Hadelner Sietland von einem Kranz solcher Seen umgeben. Außerdem wurden weite Gebiete im Grenzbereich von Geest und Marsch vermoort, womit der dritte Teil des für Bad Bederkesa typischen Dreiklangs von Marsch, Moor und Geest genannt ist. Moore können sich ausbilden als Niedermoore, die auf stauendem und durch den postglazialen Meeresspiegelanstieg steigendem Grundwasser entstehen (z. B. ehemalige Moore süd- lich von Bad Bederkesa), oder als Hochmoore, die in unserem Raum meist auf den Nie- dermooren aufsitzen und – unabhängig vom Grundwasser – ihr Wachstum allein aus den Niederschlägen beziehen (z.B. Ahlenmoor). Durch Entwässerung und landwirt- schaftliche Nutzung sind die meisten Moore in

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