22. internationales forum des jungen films berlini992 «.AÄS DER DIBEK/DYBUK ter, besonders einem 'Ba'alschem' kann es gelingen, durch ver­ schiedene Gebete und Zeremonien den eingedrungenen Geist Der Dibbuk 'auszutreiben' (Exorzismus). (...) Die Vorstellung des Dibbuk spielt im Volksglauben eine große Rolle und wurde auch litera­ Land Polen 1937 risch behandelt, so namentlich von An-ski in seinem Drama 'Der Produktion Feniks, Warszawa Dibbuk'. Micha! Waszynski Regie Aus: Jüdisches Lexikon, Berlin 1928 Buch Alter Kaczyna, Andrzej Marek (= Ma­ rek Arnstein), nach dem gleichnamigen Inhalt Bühnenstück von S. An-ski (= Schlomo Seinwel Rapoport) Eine jüdische Kleinstadt in der zweiten Hälfte des vorigen Jahr­ hunderts. Die Väter zweier befreundeter Familien geloben, daß Künstlerische Leitung Andrzej Marek (= Marek Arnstein) ihre Kinder, sofern sie verschiedenen Geschlechts sind, in Zu­ Kamera Albert Wy werka kunft heiraten werden. Bauten Jacek Rotmil, Stefan Norris Nach gewisser Zeit kommt in der einen Familie ein Mädchen zur Musik Henoch (Henryk) Kon Welt - Leah, und in der anderen ein Junge. Im Laufe der Jahre Gesang (Kantor) Gershon (Gerszon) Sirota möchte Leans Vater, der inzwischen reich geworden ist, nichts Choreographie Judith Berg mehr von dem Gelübde wissen und lenkt die Geschicke seiner Hist. Beratung MajerBalaban Tochter in andere Bahnen, als früher festgelegt. Die jungen Leute Kameraassistenz L. Zajaczkowki, A. Arnold dagegen gefallen sich sehr, und es entflammt bald eine große Produzent Ludwig Prywes Liebe zwischen ihnen. Das Mädchen ist aber für einen anderen Produktionsleitung Zygfryd Mayflauer vorgesehen, und das wird auch der Grund für den Tod des Geliebten. Als der junge Mann stirbt, spricht er eine kabbalisti­ Darsteller sche Beschwörung aus. Am Tag der Hochzeit wird Leah vom Zaddik von Miropol Abraham (Avrom) Morewski Geist des verstorbenen Geliebten, von Dybuk, besessen. Die Der Sendbote Isaac (Ajzyk) Samberg Familie ruft den Wunderrabbi, der durch wirkungsvolle Be­ Leah Lili Liliana schwörungen Dybuk zwingt, den Körper des Mädchens zu verlas­ Nute Maks Bozyk sen. Dybuk wird ausgetrieben, aber Leah stirbt. Auf diese Weise Channon Leon Liebgold können sich die füreinander bestimmten Seelen in der Ewigkeit Sender Moshe (Moses) Lipman vereinen. Frajde Dina Halpern Jerzy Toeplitz: Geschichte des Films, Bd. 3, 1934-1939, Berlin Nisson Gershon (Gerszon) Lemberger 1979 Salman Samuel Landau Expressionistischer Gestus Meyer David Lederman Nachman S. Bronecki (...) 'Der Dybuk', von S. An-ski dramatisiert, wurde 1920 in War­ Mendel Zishe Katz schau von der 'Wilnaer Truppe" in jiddischer Sprache uraufge­ Michael Abraham Kurc führt. 1921 folgte an der 'Habima' in Moskau die Aufführung des Menasche M. Messinger 'Dybuk' auf Hebräisch in der Übersetzung von Chaim Nachman Bialik. Diese expressionistische Inszenierung durch Wachtan- Uraufführung 25. September 1937, Warszawa gow, einem Schüler Stanislawskis, diente Waszynski als Vorlage seiner in Polen 1937 gedrehten Verfilmung. Vor allem die Frau­ Format 35 mm, Schwarzweiß en-Figur der Leah gewinnt aus diesem zeitverschobenen Verfah­ Länge 122 Minuten ren eine eigenwillige, herbe Dramatik, die im Gegensatz zu den filmischen Frauenbildem der Zeit steht. Die expressionistische Weltvertrieb The National Center for Jewish Film Inszenierung der dreißiger Jahre gibt der Legende eine historische Lown Building 102 Verfremdung, die die Legende noch dadurch überhöhte, daß sie Brandeis University sie in eine rituell zerdehnte expressionistische Form goß. Was- Waith am, MA zynskis düsteres Poem verdankt seine Gestalt wohl nicht aus­ T-(617) 8997044 schließlich dem expressionistischen Gestus der 'Habima'-Insze­ Fax-(617)7362070 nierung, sondern auch der Schule des deutschen expressionisti­ Anmerkung schen Stummfilms, der in den Boots- und Sturmszenen wohl Pate gestanden haben dürfte. Ein doppelter Einfluß, der sich nicht nur Dibbuk - Anheftung, oft auch 'Dybuk' geschrieben, stellt den Fall am Film selbst zeigen läßt, sondern auch biographisch: Waszyns­ dar, daß die Seele eines Sünders nach dem Tode in den Körper ei­ ki arbeitete nicht nur an Stanislawskis Moskauer Theater, er lernte nes lebenden Menschen eintritt, um vor den Verfolgungen böser auch bei F.W. Murnau in Berlin. (...) Geister (Dämonen) Ruhe zu finden, wodurch der betreffende Mensch 'besessen' erscheint. Manchmal wird der Eindringling Gertrud Koch: Auf halbem Weg zum Engel des Vergessens, in: selbst als böser Geist (Ruach) bezeichnet. Nur einem Wundertä­ Das jiddische Kino, Deutsches Filmmuseum Frankfurt, 1982 Der düstere, würdevolle und schwermütige DIBEK ist der atmos­ platz in Kazimierz gedreht, das mittlerweile in gewisser Weise phärisch dichteste und 'künstlerischste' der jiddischen Tonfilme. dieselbe Bedeutung für das Jiddische Kino hatte wie das Monu­ Vom Anfangsbild einer kerzenerleuchteten Synagoge über die ment Valley für John Ford. (...) unheimlichen Tänze auf der nicht beendeten Hochzeitsfeier bis Judith Bergs lebhafte, brueghelsche Sequenzen sind das Herz des zum Höhepunkt des Exorzismus ist der Film von Religion und Films; die suggestive Musik, die Kon dafür schrieb, wird am Ritual durchtränkt - und auch von Aberglauben und dem Überna­ Ende, wenn der Dibbuk exorziert ist und Leah kurz wieder zu sich türlichen. (...) kommt, behutsam wieder aufgenommen. Man wünscht sich bei­ Wie die meisten ambitionierten jiddischen Tonfilme führte DER nah, daß Judith Berg den gesamten Film inszeniert hätte. Was­ DIBEK einen großen Teil der Literatur- und Theaterszene War­ zynski traut letztendlich nicht der evokativen Stimmung des schaus zusammen. Obwohl der Anstoß von Ludwig Pry wes kam, Stückes und fügt überflüssige Elemente von Kinomagie hinzu: dessen Onkel die Erstaufführung finanziell ermöglicht hatte, der Sendbote, der nach Belieben erscheint und sich wieder in Luft wurde der Produzent Zygfryd May flauer wohl eher durch den auflöst; Chanons Geist wird sichtbar, als er das Grab verläßt. In internationalen Erfolg von Le Golem inspiriert, einer spektakulä­ der Führung der Schauspieler kann sich Waszynski allerdings auf ren (und philosemitischen) französisch-tschechoslowakischen seinen Instinkt verlassen. So etwa, als die besessene Leah (Lilia­ Co-Produktion, die auch ein gleichzeitig jüdisches und übernatür­ na) mit ihrer eigenen (wenngleich tieferen und verzerrten) Stim­ liches Thema hatte. Pry wes engagierte Arnstein und Alter Kacyz- me spricht und ihre Hysterie auf furchteinflößende Weise durch na, An-skis literarischen Nachlaßverwalter, um das Drehbuch zu Morewskis großartige Darstellung des kranken und sterbenden schreiben. Der Historiker Majer Balaban stand als Berater zur Wunderrabbis aufgegriffen wird: von Ängsten gepeinigt und Seite. Henoch Kon komponierte die originale Filmmusik ("In zitternd ist er wie ein Instrument, auf dem Töne gespielt werden, meinem ganzen Leben habe ich mich keiner Arbeit mit solcher deren Frequenz niemand anders hören kann. (...) Hingabe gewidmet", erzählte er den 'Literarische Bieter'.). Jim Hoberman: Bridge of Light. Yiddish Film Between Two Kons Frau Judith Berg, die Polens erste jüdische Tanzschule Worlds, New York 1991. gegründet hat, choreographierte das halbe Dutzend Tanzsequen­ zen des Films. Darunter sind der nur von Männern ausgeführte Zwischen zwei Welten 'frejlechs' (Kreistanz), mit dem die chassidischen Juden die (...) Das hervorragendste Werk des jiddischen Films aber ist DER Verlobung der noch ungeborenen Leah und Chanon feiern, und DIBEK, gedreht nach dem Stück von An-ski. Wie man in den später der 'patschtanz' (Klatschtanz), den die reichen Frauen auf Memoiren des Schauspielers Abraham Morewski nachlesen kann, Leahs Hochzeit aufführen und dem drei weitere, expressionisti­ fand dieses Stück kaum Resonanz, als es zum erstenmal vor sche Nummern folgen. Im Gegensatz zu den chassidischen Tän­ Schauspielern und Literaten vorgelesen wurde. Die Nachwelt zen sind am 'Tanz der Armen' sowohl Männer als auch Frauen sollte ganz anders darüber urteilen; es ist heute eines der wenigen beteiligt, während beim 'Tanz der Bettler' die zerlumpten und Stücke des jiddischen Repertoires, das ein internationales Publi­ mißgebildeten Bettler (einige von ihnen offensichtlich auf den kum fand. Sein Autor ist ein eigenartiger Mensch, der, nachdem Straßen Warschaus zusammengesucht) in einem grotesken 'dan- er aktiver Narodnik (Mitglied einer Sozialrevolutionären Gruppe, se macabre' umherspringen. Der phantastische 'tojtntanz' (To­ A.d.R.) gewesen war und ganz Westeuropa bereist hatte, (...) dann tentanz), von Judith Berg selbst angeführt, basiert auf Beschrei­ Deputierter in der Duma in St. Petersburg wurde, um endlich, bungen, die ihr ihre Großmutter überlieferte. erschüttert von der Dreyfus-Affäre, zu seinem Ursprung zurück­ Die Besetzung von DER DIBEK umfaßt mehrere Theater-Gene­ zukehren; er begann in Jiddisch zu schreiben und gründete die rationen. In einem Interview mit Patricia Erens erklärte Dina Gesellschaft für jüdische Volkskunde, für die er unermüdlich Halpern (die Leahs Tante Frajde spielte), daß die Schauspieler aus Material sammelte. Als ein im Wesentlichen realistischer Autor Warschaus diversen jiddischen Theatertruppen auserkoren wur­ wurde er als 'zamler', als Sammler eingestuft. Aber man erinnert den: "Viele von uns waren Routiniers in zahlreichen Theaterpro­ sich seiner allein wegen des 'Dibek'. Dieser Vierakter, 1919 in duktionen, und jeder, der mit dieser Filmproduktion zu tun hatte, Wilna publiziert, gilt als glücklicher Zufall im Werk An-skis, und fühlte sich privilegiert, selbst
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