Louis Spohr und die „Kasseler Schule“ Das pädagogische Wirken des Komponisten, Geigenvirtuosen und Dirigenten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Philosophie (Dr. phil.) genehmigt durch die Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg von Ronald Dürre M.A. geb. am 19.07.1970 in Gardelegen Gutachter: Prof. Dr. Tomi Mäkelä Gutachterin: Prof. Dr. Susanne Fontaine Eingereicht am: 21.01.2004 Verteidigung der Dissertation am: 05.11.2004 2 Inhaltsverzeichnis Vorwort 5 1. Einleitung 6 1.1 Prämissen und Kontext 6 1.2 Quellenlage 11 1.3 Untersuchungsansatz, Schwerpunkte und Zielsetzung 14 2. Einfluss musikalischer und geistig-sozialer Strömungen auf die Ausprägung der Professionalität Spohrs als Künstler und Lehrer 26 2.1 Der musikhistorische Übergang in das 19. Jahrhundert 26 2.2 Grundlagen des Spohrschen Kompositions- und Vortragsstils 36 2.3 Erziehung des jungen Musikers 44 2.3.1 Humanistische Erziehung und musikalische Grundausbildung im Elternhaus 44 2.3.2 Schulbildung unter dem Einfluss philanthropinistischer Bestrebungen der Bildungsreformer in Braunschweig 50 2.3.3 Weitere musikalische Grundausbildung Spohrs mit beruflicher Zielsetzung 65 3. Künstlerische Vervollkommnung als Basis für Spohrs Wirken als Tonkünstler und Pädagoge 68 3.1 Ausbildung zum Geigenvirtuosen und das Interesse an der Lehrtätigkeit 68 3.2 Spohrs spieltechnisches und didaktisches Konzept 75 3.2.1 Musikhistorischer Kontext 75 3.2.2 Anwendung von Erfahrungen der eigenen Ausbildung 80 3.2.3 Grundlegende Ziele im praktischen Unterricht 81 3.2.4 Musikdidaktische Ansätze im Geigenunterricht 85 3.3 Musiktheoretische Ausbildung durch Analyse kompositorischer Details 112 3.4 Musikästhetische Ansichten im Unterricht 113 4. Pädagogisches Wirken Spohrs bis 1821 134 4.1 Anfänge der Lehrtätigkeit 134 3 4.2 In Gotha von 1805 bis 1812 139 4.2.1 Berufliche Profilierung als Dirigent, Komponist und Lehrer von 1805 bis 1810 139 4.2.2 Einfluss von Personen und Ereignissen von 1802 bis 1812 145 4.2.3 Unterrichtstätigkeit von 1810 bis 1812 155 4.2.4 Organisation und Durchführung sowie Kosten des Unterrichts in Gotha 160 4.3 In Wien von 1813 bis 1815 163 4.4 Pädagogische Aspekte der Kunstreisen von 1815 bis 1817 167 4.4.1 Reisen durch Deutschland, Frankreich und die Schweiz 1815/16 und die Bekanntschaft mit Hans Georg Nägeli 167 4.4.2 Italienreise 1816/17 173 4.5 In Frankfurt am Main 1817 bis 1819 177 4.6 Konzertreise nach England 1820 182 4.6.1 Dirigate in London 182 4.6.2 Lehrtätigkeit, soziale Erfahrungen und die Bekanntschaft mit Johann Bernhard Logier 185 4.7 Konzertreise durch Deutschland und der Konzertaufenthalt in Paris 1820/21 190 4.8 Suche nach einer festen Anstellung 196 5. Spohrs pädagogische Tätigkeit in Kassel von 1822 bis 1857 199 5.1 Wirken als Hofkapellmeister 199 5.2 Einfluss auf die bürgerliche Musikkultur 204 5.3 Zusammenarbeit mit Moritz Hauptmann von 1822 bis 1832 209 5.4 Die Violinschule 236 5.4.1 Musikhistorische Hintergründe 236 5.4.2 Inhaltliche Bewertung 239 5.4.3 Die Violinschule im Vergleich zu Hans Georg Nägelis und Friedrich Wiecks musikpädagogischen Grundpositionen 247 5.4.4 Überlegungen zur Institutionalität der Kasseler Schule 254 4 5.5 Zusammenarbeit mit Moritz Hauptmann von 1832 bis 1842 259 5.6 Gemeinsames Wirken mit Johann Christian Baldewein von 1842 bis 1848 und Otto Kraushaar von 1842 bis 1856 276 6. Spohr und die Kasseler Schule – Fazit 306 6.1 Kasseler Schule als Gesamtheit der Spohr-Schüler und der von seinem Individualstil geprägten Anhängerschaft 306 6.2 Vervollständigte Liste der Spohr-Schüler als Forschungsergebnis zur personellen Komponente der Kasseler Schule 314 6.3 Kasseler Schule als terminologische Manifestation der musikalischen und pädagogischen Professionalität Spohrs 335 7. Anhang 345 7.1 Überlieferte Schülerlisten 345 7.1.1 Liste der Schüler Spohrs in der Niederrheinischen Musik-Zeitung 345 7.1.2 Das „Malibran-Verzeichnis“ der Schüler Spohrs 354 7.1.3 Verzeichnis der Spohr-Schüler der Internationalen Louis Spohr Gesellschaft Kassel 361 7.1.4 Schülerverzeichnis von Moritz Hauptmann (Auszug) 368 7.2 Illustrationen, Dokumente und Materialien 374 8. Quellen 389 9. Literatur 390 10. Wissenschaftlicher Werdegang und Lebenslauf des Autors 412 5 Vorwort Die in der Musikwissenschaft seit Anbeginn und in jüngster Zeit wieder verstärkt gepflegte Verknüpfung von Musikgeschichte, Sozialgeschichte und Musiksoziologie generiert vielfältige spezifische Themenstellungen zum beruflichen Wirken der Musiker und zum historischen Stellenwert derselben unabhängig von der ästhetischen Einschätzung ihrer Werke. So setzt sich beispielsweise das Thema Professionalismus in der Musik mit dem Beruf des Musikers im Spannungsfeld von Kunstausübung und Existenzsicherung auseinander. 1 Auf Empfehlung von Herrn Prof. Dr. Tomi Mäkelä und angeregt durch die zu dieser Thematik veröffentlichten Beiträge begann das Studium und die Auswertung von Quellen und Literatur für das hier bearbeitete Thema „Louis Spohr und die Kasseler Schule - das pädagogische Wirken des Komponisten, Geigenvirtuosen und Dirigenten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts“. Eigene Erfahrungen in der musikpädagogischen Praxis und im Musikleben ermutigten mich, die Sammlung, Prüfung, Deutung und Systematisierung der vorhandenen Erkenntnisse als musikwissenschaftlichen Beitrag zur Vervollständigung des Lebensbildes von Louis Spohr als einer herausragenden Musikerpersönlichkeit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in dieser Form aufzubereiten. Ich habe versucht, bei der Ermittlung und Begründung der wissenschaftlich-theoretischen Position allgemein bekannte Daten, Fakten und Zusammenhänge aus dem Leben und Wirken Spohrs und der Zeitgenossen aus seinem Umfeld, vor allem seiner Schüler und Anhänger, auf ihre Signifikanz für sein musikpädagogisches Wirken zu prüfen und aus kritischer Sicht zu bestätigen oder in Frage zu stellen. Gleichzeitig galt es, die wissenschaftlichen Ansprüche an die Bearbeitung des Themas mit der Aufgabe zu verbinden, die 1 Professionalismus in der Musik , Bericht über die Arbeitstagung in Verbindung mit dem Heinrich-Schütz- Haus Bad Köstritz vom 22. bis 25. August 1996, herausgegeben von Christian Kaden und Volker Kalisch, in: Musik-Kultur . Eine Schriftenreihe der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf , Band 5, hrsg. von Volker Kalisch, Verlag Blaue Eule, Essen 1999. 6 Wissensbestände sowohl für den akademischen Lehrbetrieb als auch für die interessierte Öffentlichkeit aufzuarbeiten. Für die bei der Vorbereitung und Anfertigung dieser Arbeit gewährte Unterstützung möchte ich mich bei allen bedanken, die mir mit Ratschlägen und Hinweisen halfen. Besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Tomi Mäkelä als Betreuer und Gutachter. Für die aufmerksame Begleitung des Vorhabens und den bereitwillig gewährten Zugang zu den Quellenmaterialien und Sammlungen von Untersuchungsergebnissen der Internationalen Louis Spohr Gesellschaft e.V. Kassel möchte ich dem Präsidenten Herrn Herfried Homburg meinen herzlichen Dank aussprechen. Ich bedanke mich an dieser Stelle auch vielmals für den fördernden Beitrag, den meine Angehörigen bei der Schaffung der notwendigen zeitlichen Freiräume für die Anfertigung dieser Arbeit leisteten. 1. Einleitung 1.1 Prämissen und Kontext Für das umfassende Verständnis der wirtschaftlichen, sozialen, politischen, wissenschaftlichen und geistig-kulturellen Entwicklungen unserer Zeit erweist sich insbesondere die Beschäftigung mit dem 19. Jahrhundert als unverzichtbar. Dieses Jahrhundert war von einem Europa geprägt, das durch die sich abzeichnenden, bis dahin in der Geschichte der Menschheit nie gekannten globalen Prozesse Fragen aufwarf, die im 20. Jahrhundert weitestgehend unbeantwortet blieben und durch neue, die Existenz der Menschheit bedrohende Entwicklungen noch verschärft, im 21. Jahrhundert weiter auf eine Beantwortung warten. Ausgelöst durch den imperialen französischen Nationalismus dehnte Europa im Spannungsfeld von nationalen und sozialen Bewegungen, von Kriegen, Revolutionen und Restaurationsbemühungen, Modernisierung, Industrialisierung, Bevölkerungswachstum, Expansion und kolonialer Machterweiterung seinen Einfluss 7 auf alle Erdteile aus. Der britische Historiker und Vordenker Eric Hobsbawm bezeichnet das 19. Jahrhundert daher als eine Periode des beinahe ununterbrochenen materiellen, intellektuellen und moralischen Fortschritts. 2 In diesem Prozess profilierte sich Spohr in seiner bescheidenen, charaktervollen Art als anerkannte Persönlichkeit, die humanitäres Handeln und Patriotismus mit dem Streben nach Gerechtigkeit, Freiheit und sozialem Fortschritt verband. Der vermeintlich von Europa ausgehende „Fortschritt“ führte einerseits in Naturwissenschaften, Technik, Philosophie, Literatur, bildenden Künsten und Musik zu zukunftsweisenden Entwicklungen, andererseits jedoch zu den unverkennbar bis in die Gegenwart reichenden widersprüchlichen Wirkungen, die das 20. Jahrhundert nach Hobsbawm zum „mörderischsten Jahrhundert“ der Geschichte werden ließen. Musikgeschichtlich gehört die Pflege und Interpretation von Werken des 19. Jahrhunderts bis heute zum unverzichtbaren Bestandteil des Konzert- und Opernrepertoires. Die im 20. Jahrhundert getroffene Auswahl von den im vorangegangenen Jahrhundert geschaffenen musikalischen Werken und Autoritäten erzeugte jedoch ein Bild, das mit der tatsächlichen musikalischen Realität des 19. Jahrhunderts nur bedingt oder gar nicht übereinstimmt. So wie neben der Oper und der symphonischen
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